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In diesem Jahr erleben wir einen Kunstsommer, wie er nur alle 10 Jahre geboten wird: Zeitgleich werden die Biennale in Venedig, die documenta in Kassel, die Skulpturen Projekte Münster sowie viele, viele andere Ausstellungen und hervorragende Kunstevents zu sehen sein. Ein großes Projekt reiht sich an das nächste. Während der Kunstbetrieb also lärmen wird wie selten, widmet MARTa Herford dem Gegenteil eine große Ausstellung: dem Schweigen, der Stille und der Leere. schweig|en: ['∫vaign], nichts sagen, keine Antwort geben (Duden. Bd. 11, Bedeutungswörterbuch) schweig·en: nichts sagen, still sein; aufhören (von Geräuschen) (Wahrig. Deutsches Wörterbuch)

Mit der Massenkommunikation und der daraus resultierenden Reizüberflutung scheint das Schweigen in unserer Gesellschaft zur Ausnahme geworden zu sein. Werbebilder nutzen dies mittlerweile aus, indem sie mit dem Komfort der Stille (in einer Wohnung, in einem PKW) oder der Idylle einer leeren Landschaft operieren. Ganz unabhängig von diesen Phänomenen hat das Schweigen eine wesentliche Bedeutung in unserem Umgang miteinander. In Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext transportiert es unterschiedliche Aspekte sozialen Handelns. Es kann als eine Variante im Gesprächsverhalten oder als Beendigung des Austausches verstanden werden, es kann Respekt vor anderen Menschen oder religiösen Symbolen bedeuten, es kann Staunen und Ehrfurcht ausdrücken. Während „Schweigen“ ein rein sozial geprägter Begriff ist, umfasst der Begriff der Stille außer sozialen Situationen auch Naturzustände. Dementsprechend besteht ebenso eine Verbindung zur Leere, die sowohl eine räumliche Leblosigkeit als auch Nichtkommunikation meint. Aus dem Wechsel von Äußerung und Stille ergeben sich Spannungen, die eine viel tiefgreifendere gesellschaftliche Bedeutung haben als die Idealbilder der Werbung. Diesen Aspekten des Schweigens widmet sich die moderne Kunst in unterschiedlichster Form. Die Künstler untersuchen gesellschaftliche Zustände und akulturelle SiSeite 2 von 2 Seiten tuationen, sie spüren ihnen sensorisch nach oder bringen sie in schreienden Farben zum Ausdruck.

Candida Höfer fotografierte eine menschenleere, mit Büchern vollgestopfte Bibliothek, Hai Bo die trostlose Einsamkeit in einer menschenleeren Landschaft. Joseph Beuys’ „Das Schweigen“ führt uns vor Augen, dass ein Kunstwerk ohne Betrachter zum Schweigen verdammt ist. Die großen, monochrom grauen Bildleinwände Gerhard Richters stehen für das Schweigen der Ideen eines Künstlers. Sie entstehen während eines persönlichen Tiefpunktes, an dem ihm alle figurativen Bildaussagen unmöglich werden. In Jan Schoonhovens klinisch weißen, gleichförmigen Reliefs ersetzt eine sublime Ästhetik jede denkbare Bildaussage.

In Gregor Schneiders „Raum ur“ begegnen wir einer Einsamkeit, die ebenso wie in Micol Assaels „Vorkuta“ menschliche Isolation bedeutet. Richard Long arrangiert Kreise aus Ästen, deren Abwesenheit von Leben aufgrund der ästhetischen Komposition zunächst nicht bewusst wird. Carsten Nicolai bringt das Kunstwerk selbst zum Schweigen, indem er das eigentliche Bild im Kunstwerk verschwinden lässt. Andy Warhol schließlich hebt mit seinem Werk „Electric Chair“ einen endgültigen Aspekt des Schweigens hervor: Jemanden töten, heißt ihn endgültig „zum Schweigen zu bringen“. So thematisiert das Werk den Wunsch nach der definitiven Beendigung jeglicher Auseinandersetzung.

Eine ebenso definitive Beendigung eines Austausches erfuhr die Kultur der Etrusker. Sie leistete zunächst eine wichtige Vermittlung zwischen der griechischen Kultur und den Latinern der römischen Antike, bis sie schließlich von den hegemonial agierenden Römern fast restlos beseitig wurde. Heute ist diese einstmals maßgebliche Kulturwelt nur noch aus den Quellen ihrer Gegner bekannt. Ansonsten sind nur die stummen Monumente der Grabmale geblieben.

Die etruskische Kultur ist uns heute rätselhaft und unter einem Mantel des Schweigens und der Ignoranz verdeckt. Den spärlichen Quellen, wie zum Beispiel Herodots Bericht über den Ursprung der Etrusker, wird von der tonangebenden Archäologie derart misstraut, dass erst eine biochemisch-genetische Analyse nötig war, um zu untermauern, dass die Etrusker tatsächlich aus dem nahen Osten kamen. Neben zwei figurengeschmückten Sarkophagen werden in der Ausstellung bemalte Vasen und Urnen präsentiert, die heute die einzigen direkten Zeugnisse dieser verstummten Kultur bilden. Diese Exponate werden wie eine historische Hintergrundfolie zur jüngeren Kunst gezeigt. So spannt sich ein Bogen zum Thema Schweigen, Stille und Leere von den ersten bis zu den jüngsten Tagen Europas.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog von ca. 250 Seiten Umfang. Die etruskischen Grabmalsexponate sind eine Leihgabe aus der Sammlung B. Schinle, Aachen. Das Motto: regarde le silence, le silence te gardera ist als Inschrift auf einem Kapitell einer Kirchensäule aus dem 11. Jahrhundert zu finden. Das Gebot des Schweigens spielte in der Kirche im Sinne einer Enthaltung von der Welt schon immer eine bedeutende Rolle.

Künstler/innen: Josef Albers, Micol Assael, Georg Baselitz / Samuel Beckett Joseph Beuys, Max Bill, Maurice Blaussyld, Hai Bo, Marcel Broodthaers, James Lee Byars, John Cage, Thierry de Cordier, Raoul de Keyser, Walter de Maria, Marcel Duchamp, Heinz Gappmayr, Mekhitar Garabedian, Franz Getlinger, Candida Höfer, Manfred Hoinka, Bethan Huws, Magdalena Jetelova, Donald Judd, Kazuo Katase, Martin Kippenberger, Yves Klein, Anselm Kiefer, Joseph Kosuth, F. Laudage, Manfed Leve, Edward Lipski, Bernd Lohaus, Richard Long, Ryan Lusberg, Rita McBride, Xavier Mellery, Helen Mirra, Giorgio Morandi, Philippe Morel, Juan Muñoz, Carsten Nicolai, Nam June Paik, Manfred Pernice, David Rabinowitch, Royden Rabinowitch, Arnulf Rainer, Gerhard Richter, Gert Robijns, Ulrich Rückriem, Robert Ryman, Anri Sala, Hans Schabus, Gregor Schneider, Jan Schoonhoven, Andreas Slominski, Ettore Spalletti, Jürgen Stollhans, Hiroshi Sugimoto, Susanne Tunn, Luc Tuymans, Andy Warhol, Lawrence Weiner, Jordon Wolfson, Rémy Zaugg, Heimo Zobernig und diverse namenlose etruskische Künstler

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MARTa schweigt
Garde le silence, le silence te gardera
Die Kunst der Stille von Duchamp bis heute.
Das Mysterium der Etrusker.

mit Werken von Josef Albers, Micol Assael, Georg Baselitz / Samuel Beckett, Joseph Beuys, Max Bill, Maurice Blaussyld, Hai Bo, Marcel Broodthaers, James Lee Byars, John Cage, Thierry de Cordier, Raoul de Keyser, Walter De Maria, Marcel Duchamp, Heinz Gappmayr, Mekhitar Garabedian, Franz Getlinger, Candida Höfer, Manfred Hoinka, Bethan Huws, Magdalena Jetelová, Donald Judd, Kazuo Katase, Martin Kippenberger, Yves Klein, Anselm Kiefer, Joseph Kosuth, F. Laudage, Manfed Leve, Edward Lipski, Bernd Lohaus, Richard Long, Ryan Lusberg, Rita McBride, Xavier Mellery, Helen Mirra, Giorgio Morandi, Philippe Morel, Juan Muñoz, Carsten Nicolai, Nam June Paik, Manfred Pernice, David Rabinowitch, Royden Rabinowitch, Arnulf Rainer, Gerhard Richter, Gert Robijns, Ulrich Rückriem, Robert Ryman, Anri Sala, Hans Schabus, Gregor Schneider, Jan Schoonhoven, Andreas Slominski, Ettore Spalletti, Jürgen Stollhans, Hiroshi Sugimoto, Susanne Tunn, Luc Tuymans, Andy Warhol, Lawrence Weiner, Jordon Wolfson, Rémy Zaugg, Heimo Zobernig und diverse namenlose etruskische Künstler