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09 Dez 2023 – 17 Feb 2024 Eröffnung: Freitag, 08 Dez 2023 / 18 – 21 Uhr

Thu Van Tran
We see gold and purple

In ihrer dritten Einzelausstellung in der Galerie Rüdiger Schöttle konzentriert sich Thu Van Tran auf die malerischen Nuancen der seit 2012 fortlaufenden Werkgruppe Colors of grey. Ob auf Papier, Leinwand oder auf großformatigen Wandarbeiten ist es der französisch-vietnamesischen Künstlerin immer wieder gelungen neue Facetten innerhalb dieser Serie zu entwickeln.

Die Farben wurden zunehmend intensiver, leuchtender und sind an den Rändern nicht mehr lineal voneinander abgetrennt, sondern laufen in ründlichen Formen aus. Auch die verwischte, graue Oberfläche nimmt aktuell wolkenartige Formen an und verleiht dem Farbrausch mehr Tiefe. Der dickere Farbauftrag führt stellenweise zu Craquelé an der Oberfläche. Alles technische Mittel, die Bezüge zu Thu Van Trans Gesamtwerk herstellen, welches auf visueller, materieller und poetischer Ebene die postkoloniale Geschichte ihres Heimatlandes Vietnams reflektiert und durch ihre künstlerische Auseinandersetzung neue Sichtweisen auf diese eröffnet, die westlich und östlich zugleich geprägt sind. Wolken und Nebel kommen in der Serie Rainbow Herbicides und Trail Dust vor, Craquelé Stellen gibt es immer wieder bei der Serie From Green To Orange oder den Penetrables, von denen man auch die fluiden Farbspuren kennt. Gemein bleibt den Colors of grey das übereinander geschichtete Auftragen der sechs Pigmentfarben Weiß, Rosa, Blau, Grün, Lila, Orange und der nebulöse Grauschleier auf der Bildoberfläche. Hinter diesen Farben steht die Referenz zu dem Herbizid Agent Orange, das während des Vietnamkrieges in den 1960er Jahren vom US-Militär eingesetzt wurde. Bis heute sind die negativen Nachwirkungen der Militäroperation für die Flora und Fauna, sowie die Gesundheit der vietnamesischen Bevölkerung sichtbar. Durch das Oxymoron im Titel Colors of grey unterstreicht Thu Van Tran die doppeldeutige Bildwirkung dieser Gemälde, die auf der einen Seite abstrakte, gestische Malerei darstellen und auf der anderen Seite auf die grausamen Auswirkungen dieser chemischen Regenbogenfarben hinweisen. Die subtile, langanhaltend kontaminierende Wirkung solcher Gräueltaten wird in ihrer malerischen Äußerung spürbar. Der Sättigungsgrad der Farbe variiert. So scheint man mal näher, mal weiter weg von dem Dunstkreis dieses Farbereignisses zu stehen und stetig zwischen den Gegensätzen aus sinnlicher, gestischer Malerei und historischen Fakten zu mäandern.

Der konzeptuelle Ansatz von Thu Van Tran und das immer wieder neu kombinierte Vokabular aus ihren eigenen und literarischen Zitaten, wie hier im Ausstellungstitel We see gold and purple, welches auf Jacques Roubaud zurückgeht, führt uns das komplexe Spannungsfeld zwischen Identität und Sprache vor Augen. Der Titel betont einmal mehr die allegorische Wirkung ihrer Werke, die meist auch natürliche Phänomene verbildlichen. Die beiden Komplementärfarben kommen beispielsweise in Sonnenauf- und Sonnenuntergängen vor, spielen aber auch in den Colors of grey eine große Rolle und müssen genau aufeinander abgestimmt werden. Mit Roubaud teilt die Künstlerin den Ansatz durch Farbe und physische Gesetze einen Zugang zu inneren Bildern herstellen zu können.

Thu Van Tran (*1979 in Ho-Chi-Minh City, Vietnam) lebt und arbeitet in Paris. Das MAMAC in Nizza zeigt aktuell eine großangelegte Einzelausstellung zu ihrem Oeuvre. Die Freunde der Hamburger Kunsthalle haben ihr 2023 den Rosa Schapire Preis gewidmet. Ihre Werke erfuhren zuletzt internationale Aufmerksamkeit im Rahmen der Gruppenausstellungen Avant l’Orage in der Bourse de Commerce – Pinault Collection Paris und Réclamer la terre im Palais de Tokyo in Paris. Für die 58. Carnegie International realisierte Thu Van Tran eine großformatige Intervention auf den Wänden der Skulpturenhalle im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh mit den Farben aus Colors of grey. (Johanna Singer)