press release only in german

Pressestimmen:

Die Liebieghaus Skulpturensammlung präsentiert vom 24. Juni bis 28. November 2010 die Ausstellung "Sahure – Tod und Leben eines großen Pharao". Sahure regierte von ca. 2428 bis 2416 v. Chr. als politisch wie kulturell herausragender König der 5. Dynastie und ist damit ein prominenter Vertreter des Alten Reichs, der sogenannten Pyramidenzeit. Unter allen bekannten Pyramidenkomplexen kommt der etliche Superlative vereinenden Anlage Sahures in Abusir nahe Kairo eine Sonderstellung zu. Hier ist die komplexe Architektur mit einer Gesamtlänge von knapp 500 Metern in eine reine, klassische Form von strenger Axialität und Perfektion gegossen. Die Wände sind mit 10.000 qm königlicher Reliefkunst verziert. Die bisherigen Funde lassen sich zum schönsten und reichsten Bilderbuch des Alten Reichs zusammenführen. Die Ausstellung zeugt anhand von hochkarätigen Originalen – Reliefs, Architekturelementen, Skulpturen, Vasen und wertvollen Papyri – aus internationalen Museen wie dem Musée du Louvre in Paris, dem Ägyptischen Museum und der Papyrussammlung Berlin sowie dem Metropolitan Museum of Art in New York von der Verehrung des großen ägyptischen Pharao. In einem eigenen Kapitel widmet sich die Ausstellung dem Forscher Ludwig Borchardt, der Anfang des 20. Jahrhunderts den Pyramidenkomplex des Sahure entdeckt hat und aus dessen Grabungen im Zuge der Fundteilung wichtige Reliefs aus der Tempelanlage des Sahure in die Sammlung des Liebieghauses gelangten. Historische Dokumente, Tagebücher und Zeichnungen vermitteln ein umfassendes Bild der spannenden Grabungsgeschichte des Pyramidentempels von Sahure, die vor über 100 Jahren begonnen hat und bis heute andauert.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Dr. Marschner Stiftung sowie die Škoda Auto Deutschland GmbH, und erfährt zusätzliche Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, sowie das Intercontinental Frankfurt.

Die Liebieghaus Skulpturensammlung in Frankfurt beherbergt eine kleine, aber bedeutende Sammlung antiker ägyptischer Kunst. Besondere Beachtung verdienen die Objekte aus dem Alten Reich, der Zeit von der 3. bis zur 6. Dynastie (um 2543 bis 2120 v. Chr.). Das Alte Reich ist die Epoche der großen Pyramidenbauer, aber auch die Zeit, in der die Glaubens- und Jenseitskonzepte, vor allem aber die Bilderwelt ausgestaltet und vollendet werden. Einen Höhepunkt in dieser wichtigen Phase stellen die Arbeiten dar, die in der Regierungszeit des Pharao Sahure entstanden sind. Sahure ließ in Abusir, rund neun Kilometer südlich der Cheops-Pyramide, eine Pyramidenanlage errichten, die viele Superlative vereint und ein wichtiges Vorbild für die folgenden Pyramiden wurde.

Die 500 Meter lange Anlage besteht aus Taltempel, Aufweg, Pyramidentempel und Sanktuar – dem Allerheiligsten oder Totenopferraum –, an das sich die Pyramide mit der Grabkammer des Pharao anschließt. Die Bestattungsprozession erreichte mit Festbooten über Nilkanäle den prachtvollen Taltempel. Die Hinterbliebenen durchschritten die glanzvolle Architektur und bewegten sich durch einen gigantischen, über 235 Meter langen Aufweg – einen geschlossenen Gang, der zusammen mit den anschließenden Raumfluchten mit über 10.000 Quadratmetern farbigem Reliefschmuck verziert war – zu einer lang gestreckten Eingangshalle. Nach Ludwig Borchardt diente die Eingangshalle als letzte Station des Leichenzugs vor der Bestattung. Von ihr aus gelangte man in den Pyramidentempel. Durch ein Granittor betrat die Festgesellschaft einen zentralen offenen Hof, der von 16 einen Granitarchitraven tragenden Säulen gesäumt und von einem geschlossenen Gang umgeben war. Den westlichen Abschluss des Gangs bildete ein Querkorridor. Dieser trennte den "öffentlichen" Teil des Tempels vom "intimen", nur den Priestern zugänglichen Teil ab. Von hier aus gelangte man über eine Kammer mit fünf Statuennischen und zwei Vorräume zum Sanktuar. Der Totenopferraum lag genau in der Achse der Anlage und grenzte direkt an die Pyramide an. Er wies eine Scheintür zur Pyramide auf, durch die im altägyptischen Glauben der Geist des Sahure schreiten konnte, um das ihm als Opfer dargebrachte Mahl zu sich zu nehmen.

Der Pyramidentempel zeichnete sich ebenso wie die anderen Gebäude der Grabanlage durch eine strikt eingehaltene Symmetrie und eine harmonische Farbsymbolik in der Ausgestaltung der Räume aus. Die Reliefs der gesamten Anlage gelten als größtes und schönstes von den begabtesten Bildhauern der damaligen Zeit gearbeitetes Bilderbuch Ägyptens. In bemerkenswert erfinderischer Erzählkraft und für die Folgezeit verbindlicher Programmatik berichten sie vom Entstehen der Anlage mit dem Namen "Die Seele des Sahure erstrahlt", den glanzvollen Taten des Herrschers, der Zuneigung der großen Götter zum Pharao, aber auch vom äußerst aufwändigen Kult für den toten König. Zahlreiche Reliefs werden in der Ausstellung einen lebhaften Eindruck davon vermitteln. Einen weiteren Höhepunkt der Ausstellung bildet die einzige bekannte und gut erhaltene Statue des Pharao Sahure aus der Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York. Sie zeigt Sahure auf einem Thron sitzend, flankiert von der Personifizierung eines Gaugottes. Die Ausarbeitung des Königsporträts als Ebenbild mit betonten Gesichtszügen unterscheidet sich von den majestätisch-eleganten Pharaonen der 4. Dynastie und leitet eine neue Phase des Königsporträts ein. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung ebenso kostbare wie aufschlussreiche Papyri aus dem Bereich der Pyramidenanlagen von Abusir. Diese reichen Schätze altägyptischen Schrifttums stellen die wichtigsten offiziellen Texte des Alten Reichs dar und geben erstmals detailliert über die in den Zeremonien und Riten der Pyramidenanlagen verwendeten Geräte und Materialien Auskunft. Sie fungieren gleichsam als authentischer Subtext zu den Darstellungen auf den zahlreichen Reliefs. In der 5. und 6. Dynastie nehmen die Reliefwerke bei der Ausgestaltung der Grabanlagen im Vergleich zu den großen Pyramiden der 4. Dynastie stark zu, während die Größe der Pyramide selbst abnimmt. Ein Grund hierfür – die Pyramide des Sahure hatte eine Seitenlänge von 78,8 Metern und eine ursprüngliche Höhe von 47,3 Metern – könnte die schwieriger gewordene Beschaffung von Hausteinen sein.

Die Frankfurter Sahure-Ausstellung macht den Aufbau der Pyramidenanlage in Form eines historischen Modells von 1910 nach Plänen von Ludwig Borchardt sowie der Ausstellungsarchitektur nachvollziehbar. Zentrale originale Bauelemente wie ein gewaltiges Kapitel der elegant geformten Rosengranitarchitektur aus dem Zentralhof des Pyramidentempels, Architrave, Statuen, eine Scheintür und beeindruckende Reliefs vermitteln einen faszinierenden Eindruck von der Anlage. Die Ausstellung weist anschaulich auf die wichtige Tatsache hin, dass das Königsgrab des Alten Reiches nicht allein aus dem Pyramidenkörper selbst bestand, sondern dass in den großzügigen Anlagen, die das fruchtbare Niltal mit der Grablege auf dem Wüstenplateau verbanden, Feiern und Opfer zelebriert wurden.

Den Königen der 5. Dynastie ist eine neue Vorstellung ihrer Abstammung vom Sonnengott Re, dem mächtigsten Gott, gemeinsam. Dieses neue Konzept geht auf Veränderungen zurück, die bereits in der 4. Dynastie angelegt waren. Im Papyrus Westcar, einem der berühmtesten Dokumente ägyptischer Kultur, erfahren wir, dass Sahure von Re gezeugt und von einer Sterblichen geboren wurde. Damit ist er Sohn des Gottes und Vertreter der Sonne auf Erden. Vor diesem Hintergrund überrascht es weniger, dass Userkaf, der Vorgänger des Sahure, Sahure selbst und seine Nachfolger Neferirkare, Neferefre, Niuserre und Menkauhor nicht nur ihre eigenen Totentempel am Wüstenrand errichten, sondern in unmittelbarer Nähe ebenfalls gewaltige Heiligtümer für den Sonnengott anlegen ließen. Ein einzelnes Sonnenheiligtum war nicht ausreichend, jeder Sonnensohn schuf sein eigenes Heiligtum für den göttlichen Vater und setzte sich damit selbst in unmittelbaren Bezug zu Gott. Damit wird deutlich, dass Pyramidenanlage und Sonnenheiligtum eine inhaltliche und planerische Einheit darstellen. Das Sonnenheiligtum des Sahure, von dessen Existenz wir in den Texten erfahren, ist bislang nicht gefunden. In einem speziellen Abschnitt wird in Frankfurt das Sonnenheiligtum des Königs Niuserre – die einzige Anlage, die gut erhalten und erforscht wurde – thematisiert.

Ein eigenes Kapitel widmet die Ausstellung Ludwig Borchardt (*1863 in Berlin; † 1938 in Paris), dem Entdecker der Nofretete. Er gilt als der erfolg- und ertragreichste Forscher der deutschen Ägyptologie und Begründer der systematischen Grabungstechnik und -dokumentation in Ägypten. Borchardt hat den Pyramidenkomplex des Königs Sahure 1907 – also vor etwas mehr als hundert Jahren – ausgegraben und erforscht. Zusammen mit seiner Frau lebte er 40 Jahre in Kairo. 1907 gründete er das Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde und leitete dieses bis 1929. Im Jahr 1931 gründete er das Ludwig-Borchardt-Institut, aus dem das heutige Schweizerische Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde hervorging, das noch von derselben, von Borchardt in der Schweiz eingerichteten Stiftung getragen wird. Die Frankfurterin Mimi Borchardt hat die Aktivitäten ihres Mannes aufmerksam begleitet und durch finanzielle Ressourcen ihrer Familie gefördert. Mimis Mutter stammte aus der wohlhabenden deutsch-amerikanischen Bankiersfamilie Kuhn. Ihr Vater, Eduard Cohen, war einflussreiches Mitglied der Frankfurter Gesellschaft, angesehener Kunstmaler und Gründungsmitglied des Städelschen Museumsvereins. Aufgrund der Anfang des 20. Jahrhunderts gültigen Gesetze der ägyptischen Altertumsverwaltung wurde eine Hälfte der Funde aus den Grabungen Borchardts in der Königsnekropole von Abusir nach Deutschland verbracht. Die Deutsche Orient-Gesellschaft, die die Grabungen Borchardts finanziert hatte, übergab die meisten Funde an die Berliner Museen. Zahlreiche Relieffragmente wurden jedoch an verschiedene deutsche Museen und Universitätssammlungen weitergereicht. Frankfurt erhielt – nach Berlin – ein besonders wichtiges Konvolut, das sich aus der berühmten Statue des Anch-Userkaf und besonders schönen Reliefs aus dem Totentempel zusammensetzt.

In den Wirren des Ersten Weltkrieges verloren die deutschen Ägyptologen ihre Grabungslizenz in Abusir. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiten in den Königs- und Beamtengräbern von Abusir – diesmal von Ägyptologen der Prager Karls-Universität – wieder aufgenommen. Diese Grabungen wurden über Jahrzehnte äußerst erfolgreich von Miroslav Verner geleitet. Großes Finderglück ist Zahi Hawass, dem Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung (Supreme Council of Antiquities), zuteil geworden. Im Zuge von Maßnahmen, die der Herrichtung der Ruine des Sahure-Pyramidenkomplexes dienten, entdeckten er und sein Mitarbeiter Tarek El-Awady ab 1994 links und rechts des Aufweges eine Serie großer Kalksteinblöcke, auf deren Innenseite bedeutende Reliefs erhalten sind. Diese Blöcke befinden sich noch in Fundlage, sind mit Ziegelsteinmauern geschützt und werden bald in das Neue Museum in Giza verbracht werden. Jetzt schon zeichnen sich unter den freigelegten Blöcken weitere bisher nicht ausgegrabene Reliefs ab. Kaum werden also die jüngsten Funde abtransportiert sein, wird sich die aufregende Geschichte der Erforschung der Grabanlage Sahures fortsetzen.

only in german

Sahure
Tod und Leben eines großen Pharao
Kurator: Vinzenz Brinkmann