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Eröffnung: Samstag 21. März 16 Uhr

Nikola Ukic benutzt für seine Bodenskulpturen wie auch für Wandarbeiten den bildhauerisch ungewöhnlichen Werkstoff Polyurethan. Der Umgang mit Polyurethan erfordert viel Erfahrung und Kennerschaft. Dieses Material entsteht als Schaum und dehnt sich in seiner Formungsphase unvorhersehbar stark aus. Wenn man Materialmenge, Ausdehnungsverhalten und die Formgestaltung gut aufeinander abstimmt, kann man die Formbildungen des expandierenden Schaums entsprechend lenken. Dennoch ergeben sich immer zufällige, nicht vollständig kontrollierbare Formaspekte. Gerade weil Nikola Ukic diesen Aspekt der bildhauerischen Gestaltung miteinbezieht, hat er einer Gruppe von Bodenskulpturen den Titel ?Equal Love' gegeben. In ihrer körperlichen Verfassung ist keine der anderen vorzuziehen, keine ragt gegenüber der anderen heraus.

Die spezifische Materialität und die besondere Formung der Skulpturen lässt ihre Erscheinungsweise in einer Reihe von Hinsichten ambivalent sein. Jeder Betrachter muss für sich entscheiden, welche der entgegengesetzten Bestimmungen er gemäß seinem sinnlichen Erfahrungshorizont als dominierend ansieht.

So scheinen sich die Skulpturen einerseits noch im Stadium der Expansion, der noch nicht abgeschlossenen Formung, einer noch offenen Zukunft zu befinden und gleichzeitig im Prozess des Schrumpfens, des Alterns, des Aufsaugens von Vergangenheit. Die körperlichen Formen atmen in ihren prallen und gespannten Rundungen etwas von menschlicher Fleischlichkeit, andere Partien in ihren Faltungen etwas von spröder Zerbrechlichkeit. Sie wirken einerseits erdhaft schwer, andererseits verflüchtigend leicht. Ihre hauthafte Oberfläche und ihr Glanz lädt ein zum Berühren. Sie haben in ihrer satten Farbigkeit und ihrem Glanz etwas Prächtiges, Ihre Runzelungen und Zusammenschnürungen rufen aber gleichzeitig Verfall und Abfall als Assoziationen wach. Das Innere scheint sich wie bei einem Vulkan nach außen zu kehren und das Äußere in seinen Faltungen und Wölbungen wieder ins Innere zurückzudrehen. Polyurethan dehnt sich als Schaum in seiner Extrusionphase nach allen Seiten aus. Dieser Vorgang erreicht nach einer Weile ein Maximum, und das Material verhärtet sich. Es passt sich vorgegebenen Formsituationen an. Die eingeschlossene Luft wirkt als Dämmung. Deswegen wird es auch als Isolationsmaterial verwendet, um Zwischenräume auszufüllen. Ukics Skulpturen wirken aber nicht wie Füllungen, sondern wie aktive Körperformungen, die den Raum um sich völlig beherrschen. Sie scheinen in ihrer starken Farbigkeit, dem Glanz und der komplexen Körperform etwas Extraterrestrisches zu sein, welches sich auf die Erde verirrt hat.

Daraus entsteht zum einen das Paradox, dass der Ausstellungsraum mit uns als Betrachtern den auszufüllenden Zwischenraum bildet, in den uns die Skulpturen, würden sie sich weiterhin ausdehnen, einschließen könnten. Zum anderen ergibt sich die Irritation, wie ein Material - geeignet nur für Zwischenräume - die Behauptung eines Pendants zum menschlichen Rumpf als klassisches Skulpturenthema formulieren kann.

Ukic färbt seinen Werkstoff mit intensiv leuchtenden Pigmenten ein, besonders mit Schwarz. Auch diese Farbe ist mehrdeutig. Schwarz steht i n der jüdischen Tradition für Gnade und Verständnis. Diese Anmutung wird verstärkt durch den Glanz. In anderen Traditionen steht Schwarz für Kostbarkeit. Die Schwärze der Arbeiten zusammen mit den Faltungen des Materials erinnert an Kohle, an Verbranntes, Verfallenes. Rolf Hengesbach