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Mit der Ausstellung „Launen des Olymp. Der Mythos von Athena, Marsyas und Apoll“ wird nach mehrmonatigen Umbauarbeiten nun auch die Antikensammlung des Liebieghauses neu eröffnet. Die Ausstellung schildert anhand von 70 hochkarätigen Skulpturen, Vasen, Bildern und Schriftquellen das Schicksal des talentierten Silens Marsyas, der zum blutigen Opfer des Neides und der Grausamkeit des strahlenden griechischen Gottes Apollon wird. Durch sein meisterhaftes Spiel auf dem Aulos, einer von Göttin Athena erfundenen Flöte, erzürnt Marsyas Apollon, der ihn zum Wettstreit herausfordert und den Unterlegenen schließlich bei lebendigem Leibe häuten lässt. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet die Statue der Athena des berühmten griechischen Bildhauers Myron. Als römische Wiederholung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. überliefert gehört sie zu den bedeutendsten Meisterwerken der antiken Kunst und ist eine der bekanntesten Skulpturen der Antikensammlung des Liebieghauses. Die bereits in der Antike weltberühmte Statue der Göttin stand ursprünglich mit dem Silen Marsyas als Gruppe zusammen auf der Athener Akropolis. Die ebenfalls römische Skulptur des Marsyas konnte für die Ausstellung aus den Vatikanischen Museen ausgeliehen werden und wird mit der Frankfurter Athena nun erstmals die legendäre myronische Gruppe aufleben lassen.

Die Ausstellung „Launen des Olymp. Der Mythos von Athena, Marsyas und Apoll“ wird durch die Techem AG, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Hessische Kulturstiftung und die Taurus Investment Holdings, LLP gefördert.

Der Mythos

Der Erfindung des Aulos – einer doppelten Flöte aus Hirschhorn oder Schilfrohr – geht eine der größten Heldensagen der griechischen Mythologie voraus: die Enthauptung der Gorgo Medusa. Stheno und Euryale, die beiden Schwestern der Enthaupteten, stimmen einen übernatürlichen Klagegesang über den Tod Medusas an. Athena will diesen Gesang nachahmen und erfindet zu diesem Zweck den Aulos. Tatsächlich gelingt es der kunstsinnigen Göttin, dem Blasinstrument Melodien von ungeahnter Schönheit zu entlocken. Eines Tages jedoch entdeckt sie in der spiegelglatten Oberfläche des Wassers, dass das Flötenspiel ihr Gesicht entstellt. Wütend wirft sie das Musikinstrument weg. Den Silen Marsyas, der als Mischwesen aus Ziegenbock und Mensch in der Natur lebt und als Begleiter der rasenden und Trommeln schlagenden Kybele durch Phrygien zieht, trifft das Schicksal, das von Athena fortgeworfene Instrument zu finden. Er entwickelt ein großes Talent und spielt es in virtuoser Weise. Diese ungewöhnliche Begabung des Marsyas bleibt Apoll, dem Gott der Musik, nicht verborgen. Apoll fühlt sich durch die herausragende Leistung, die seine göttliche Stellung in Frage stellt, herausgefordert. Es kommt zu einem Wettstreit, den die Musen als Jury begleiten. Offensichtlich ist bei dem musikalischen Wettkampf zunächst keine eindeutige Entscheidung herbeizuführen. Apollon sieht sich somit gezwungen, die Spielregeln im laufenden Wettbewerb zu verändern Å| ein unerhörter Vorgang, der nicht nur aus moderner Sicht als launische Willkür erscheinen mag. In einem verbreiteten Strang der Überlieferung des Mythos heißt es, er habe eine reichlich hinterlistige Variation der Wettkampfstatuten erwirkt: Siegen würde nur der, dem es gelänge, auch auf dem umgedrehten Instrument zu spielen. Was mit Apollons Kithara leicht zu verwirklichen ist, stellt sich im Falle der Flöte als technisch unmöglich dar. Einer andere Mythenvariante zufolge muss Apollon Marsyas’ gottgleiche Interpretation auf dem Instrument anerkennen, fordert jedoch eine zusätzliche Prüfung: Nur wer zur Melodie seines Instruments auch zu singen vermag, kann den Sieg erringen. Dieser Anforderung kann naturgemäß allein Apollon entsprechen. Die ihm zugeordneten Musen können nun – sicherlich erleichtert – eine klare Entscheidung für den Gott fällen. Zu Beginn des Wettkampfes haben die Kontrahenten vereinbart, dass der Sieger mit dem Unterlegenen machen könne, wozu er Lust und Laune hat. Nun zeigt sich, zu welcher äußersten Grausamkeit Apollon imstande ist: Er lässt den tragisch unterlegenen Marsyas an eine Fichte binden und befiehlt einem Skythen – die unmenschliche Tat sollte wohl von einem Nichtgriechen umgesetzt werden – , das Messer zu wetzen und dem Satyr bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen. Das Blut des Satyrs ergießt sich auf die Erde und bildet den Seitenfluss des kleinasiatischen Mäanders, der den Namen Marsyas trägt. Eine weniger dramatische, aber umso tragischere Interpretation findet sich in den „Metamorphosen“ des Ovid, wo die Tränen der um ihren „Bruder“ endlos trauernden Wesen des Waldes, der Faune, Satyrn und Nymphen, den zu dem „stürmischen Meer rollenden“ Fluss bilden.

Die Ausstellung

Der Marsyas-Mythos ist von antiken Künstlern in seinen verschiedenen Episoden vielfach dargestellt worden. Die Ausstellung schildert die unterschiedlichen Interpretationen und Erzählstufen des Mythos: die Enthauptung der Gorgo Medusa durch Perseus, die Erfindung des Aulos und das Flötenspiel der Athena, den Wettstreit zwischen Apoll und Marsyas und die Schindung des Marsyas. Die eindrucksvolle Einführung in das Thema erfolgt durch den großartigen Marsyas-Sarkophag aus dem Louvre in Paris, der die wichtigsten Phasen des Mythos in mehreren Sequenzen veranschaulicht. Einen besonderen Glanzpunkt bildet die Athena-Marsyas-Gruppe des griechischen Bildhauers Myron. Als einer der erfindungsreichsten Künstler seiner Zeit interpretierte er Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Bewegung der Figur im Raum neu. Die Athena-Marsyas-Gruppe zählt zu den beeindruckenden Zeugnissen dieser Entwicklung. Die Gruppe, die ursprünglich aus Bronze war und auf der Athener Akropolis stand, zeigt zwei zeitlich auseinanderliegende Ereignisse des Mythos: Indem sowohl Athenas Blick noch einen Augenblick lang auf dem von ihr verfluchten Musikinstrument haftet und Marsyas der Flöte gerade zum ersten Mal ansichtig wird, sie beinahe zertritt, zurückschreckt und sich mit ausgreifenden Armbewegungen im Gleichgewicht zu halten versucht, werden diese Sequenzen durch formale Aspekte der Komposition in kunstvoller Weise miteinander verbunden. In der Ausstellung wird dieses Spannungsmoment durch die Zusammenführung der Athena aus der Sammlung des Liebieghauses und des Marsyas aus den Vatikanischen Museen erneut erlebbar. Neben wichtigen Leihgaben aus Rom, Neapel, London, Paris, Berlin, Dresden und München – darunter einzigartige griechische Vasen mit ihren lebendigen Bildern – werden in der Ausstellung auch die reichen Bestände des Liebieghauses zu theaterhaften Ensembles zusammengeführt. Sie vermitteln ein üppiges Bild der dionysischen Welt, welcher der Silen Marsyas entstammt, und machen die Natur der Silene und Satyrn als eine Verbindung von Naturkräften, Rausch und Kreativität nachvollziehbar. Das Apollinische hingegen manifestiert sich unter anderem in einer originalen griechischen Skulpturengruppe aus der Sammlung des Liebieghauses, welche die Musen – also die Jury im musikalischen Wettbewerb zwischen Apoll und Marsyas – wiedergibt. Apollon wird in den modernen westlichen Kulturen als Gott des Lichts, des klaren Gedankens, also der Ratio gewertet. Die Ausstellung korrigiert dieses einseitige Bild und stellt die Schattenseiten, vor allem die gnadenlose Rache des Gottes, neben die „lichtvollen“ Aspekte.

Die Schindung des Marsyas bildet den grausamen Höhepunkt des Mythos. Für die Frankfurter Ausstellung wird die berühmte hellenistische Gruppe des Schleifers und des hängenden Marsyas rekonstruiert und im Tempietto des Liebieghauses inszeniert. Die hellenistische Gruppe – höchste Steigerungsform der antiken Erzählsprache im Kontext von Gewalt – findet sich als Motiv auf der berühmten Medici-Gemme wieder, die heute in Neapel aufbewahrt wird. Just diese Gemme wird von einer schönen idealisierten Frau auf einem der bedeutendsten Botticelli-Bilder getragen. Dieses Gemälde, das sich im Besitz des Städel Museums befindet, wird neben der Neapler Gemme gezeigt.

Erstmals werden so Vorbild und Botticelli’sche Umsetzung einander begegnen. Die hellenistische Gruppe veranschaulicht die Vorbereitungen, welche der Schindung unmittelbar vorausgehen. Der Betrachter wird also im Detail mit dem Vorgang konfrontiert. Doch obwohl Marsyas schon an den Baum gebunden ist und der Schinder sein Messer wetzt, ist der Körper des Silens noch unversehrt. Erst die europäische nachantike Kunst vollzieht den letzten Schritt und zeigt die Schindung selbst. Vor dieser nackten Form der Grausamkeit schreckte die antike Ästhetik noch zurück.

Kurator: Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann, Leiter der Antikensammlung Architektur: Kühn Malvezzi Architekten, Berlin

Katalog: „Launen des Olymp. Der Mythos von Athena, Marsyas und Apoll“. Hrsg. von Vinzenz Brinkmann. Mit Essays von Vinzenz Brinkmann, Jochen Sander, Gabriele Kaminski, Susanne Muth, Stefan Hagel, Egert Pöhlmann und Clemens Schmidlin. 184 Seiten, 106 Abb., dt. Ausgabe, Michael Imhof Verlag, 2008, ISBN 978-3-86568-373-1.

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Launen des Olymp. Der Mythos von Athena, Marsyas und Apoll

Kurator: Vinzenz Brinkmann

Werke von Myron  ...