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In den vergangenen zwanzig Jahren sind die Grenzen zwischen Mode- und Kunstfotografie rapide zerfallen und die streng angewandte Fotografie wandelte sich zum künstlerischen Experimentierfeld. Begleitet und ausgelöst wurde diese Erscheinung durch die zeitgleich entstandenen ‚Crossover-Trend-Medien wie THE FACE, purple, Lodown, Jetzt, Achtung, Quest, Intersection, iD und 032C. In der Kunstszene selbst avancierte die Fotografie in den vergangenen Jahren zu einer der einflussreichsten Ausdrucksformen überhaupt.

Jenseits des poppigen Hochglanzmagazin-Crossovers und doch aus der angewandten Fotokunst kommend arbeiten die Fotografen/Künstler/innen Wolfgang Stahr, Christoph Musiol, Heji Shin und Gregor Hohenberg, deren Ausstellung ‚editorial’ im loop -raum für aktuelle kunst am Samstag, 24. 04. 2004 eröffnet wird.

Der Ausstellungstitel „editorial“ zeigt zum einen die mediale Herkunft der Künstler, zum anderen wird mit dem Begriff des ‚Leitartikels’ zugleich der Wunsch nach autonomer Positionierung jenseits der angewandten Fotokunst formuliert, indem sich der Blick vom Gegenstand löst und Raum, Details, Fragmente fokussiert und die Atmosphäre vor der (Bild-)information positioniert.

Längst hat die Modefotografie die Kunstwelt erreicht, und wird nicht mehr in Frage gestellt. Grenzen verschwimmen zunehmend, der eine bedient sich munter beim anderen und umgekehrt. Die Suche nach visueller Authentizität bleibt eine Triebkraft. Eine inszenierende Bildsprache als Transportmittel in den Fotografien ist eine gemeinsame Schnittstelle für die vier Berliner Fotografen, die mit „editorial“ Bilder zeigen, die den Begriff der angewandten Fotografie erweitern. Durch die Präsentation der

Magazinwelt im Kunstkontext an der Wand formuliert die Galerie loop-raum für aktuelle kunst ihrerseits ihren Anspruch, als ‚Herausgeber’ eine genreübergreifende Position einzunehmen.

Im Zentrum der Arbeit von Wolfgang Stahr, Senatsstipendiat 2002, steht vor allem die Abbildung des urbanen Raums. Die abgebildeten Personen nehmen in seinen Bildern Eigenschaften ihrer Umgebung an, sie wirken statisch, eingebunden. Die Funktion, weniger der Charakter des Individuums im Raum wird hier festgehalten. Die Beiläufigkeit, mit der er Individuum und Umgebung im Raum inszeniert, geht weit über die modetypische Bildsprache hinaus und schafft einen eigenen, konzentrierten, authentischen Code.

Die Künstlerin Heji Shin schafft in Ihren Bildserien eine starke Kontrastwirkung. Die Wechselwirkung von Hell-Dunkel und die Auflösung der Raumgrenzen, spannungsvolle Lichtverhältnisse schaffen eine diffuse Atmosphäre, die sich jenseits der Spotlight-Fotografie bewegt und doch den Blick auf das Individuum lenkt. Shins Bilder lassen Assoziationen mit Filmstills entstehen. Aus dem Zusammenspiel von Atmosphäre und Protagonisten entsteht ein Prinzip von Intimität, Vertrautheit und folglich Authentizität. Der ursprüngliche Aspekt der Produktinszenierung der Modewelt tritt zurück.

Auf den ersten Blick scheinen die Arbeiten von Christoph Musiol am ehesten die Bildsprache der Modefotografie zu bedienen: perfekte Ästhetik, perfekte Models. Dennoch erhalten Musiols Bilder ihre Aura des Authentischen: schon das große Format der Bilder positioniert sie deutlich in den Ausstellungskontext. Zudem wird die selbstverliebte Auto-Stilisierung der Modewelt hier auf den zweiten Blick konterkariert. Musiols Modelle sind mehr als kommerzielle Bedeutungsträger, sie sind Individuen, die für sich selbst wahrgenommen werden

Gregor Hohenbergs Bildreihe um eine Freiburger schlagende Verbindung spielt geschickt mit den möglichen medialen Inszenierungen, die durch die prägnanten Uniformen /Kleidungsstücke (Kneipenjacke, Sektbänder, Tönnchen, Bänder, Stürmer und Mützen) des Corps unterstrichen werden. Hohenberg bildet die traditionell gekleideten, dadurch fast genrehaft anmutenden Personen in klassischen Portraitposen verbunden mit einer beiläufig wirkenden Inszenierung der Modebildersprache ab. Die Reihe hat –ergänzt durch Landschaftsbilder von Burgen und die Abbildung einer Karzer-Wand, verziert mit Studentensprüchen- und Silhouetten aus Jahrzehnten fast zeitgeschichtlich-dokumentarischen Charakter.

loop-raum für aktuelle Kunst wurde 1997 von Rüdiger Lange gegründet und befindet sich seit Sommer 2002 in der am Spreeufer von Kreuzberg gelegenen heeresbäckerei. Das denkmalgeschützte Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert, das zukünftig Büro-Lofts beherbergen wird, ist schon heute mit seinen großzügigen Räumen ein idealer Ort für Kunst- und Kulturprojekte. Dafür wurde eine Bespielung etabliert, die unter dem Namen "heeresbaeckerei-kultur" einen interdisziplinären Ansatz aus Ausstellungsarbeit, Projektkultur und Musik verfolgt. Neben den kontinuierlichen Präsentationen von loop finden auch Aktivitäten von und Kooperationen sowohl mit anderen Kunst- und Kulturprojekten als auch Institutionen statt.