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Über ein ganzes Jahrhundert reichte das Leben von Anna Elisabeth Angermann und ihr Künstlerleben begann schon sehr früh und es war ihr immer das Wichtigste. Dem Studium in Weimar 1903 ging bereits privater Zeichenunterricht voraus und wenn man bedenkt, dass es damals nur drei Kunstschulen gab, die Frauen zum Studium zuließen, so wird die ungeheure Zeitspanne deutlich, in der sie ihr Leben lebte und sich ihr künstlerisches Wirken entfaltete. Von 1906 an lebte sie in Dresden, seit 1908 in Loschwitz, dessen Atmosphäre sie immer wieder inspirierte. Diether Schmidt schreibt 1983 anlässlich einer Ausstellung zu ihrem 100sten Geburtstag über Anna Elisabeth Angermann und schildert ihren Weg von ihrer frühen Hinwendung zum Impressionismus über den Fauvismus der deutschen Matisse-Schule bis zu einer Kunst, die, wie er es nennt, das Glück des Schauens feiert. Und er fügt hinzu: „Die Feier von Dasein, Ding und Schönheit entstammt der Überwindung der Ängste und Schrecken und hilft so den Lebenswillen zu stärken." Mein berührendes Erlebnis in Vorbereitung dieser Ausstellung war der Nachmittag mit Christine Heitmann, die eine tiefe Freundschaft mit Elisabeth Angermann verband. Umgeben von den Bildern, die im langsam vergehenden Licht aufleuchteten, ehe sich die Dämmerung darüberlegte, erfuhr ich von ihrer unbändigen Lust am Malen und Zeichnen, von den langen, intensiven Gesprächen über Kunst, von ihrer Liebe zu den Gärten und Blumen, aber auch von ihrem kritischen Geist und ihrem schwarzen Humor, und von dem Porträt von Clara Zetkin, die sie sehr verehrte. Anna Elisabeth Angermann, die Humorvolle, die Stille im Hintergrund, die Bescheidene, würde mir hoffentlich nachsehen, wie ich ihre starke, interessante, einfühlsame Persönlichkeit hier in ein paar Sätze presse. Ich denke, diese Ausstellung wird vielleicht ein Anstoß sein, jeder der 3 Künstlerinnen weiteren Raum in dieser Stadt zu geben. Christine und Elisabeth haben sich gegenseitig porträtiert und das Ölbild Christine und der Bronze - Kopf von Elisabeth sind hier in der Ausstellung zu sehen. Jede findet sich in der anderen, jede sieht in der anderen den Gegenpol. Jede legt in das Antlitz der Freundin, was immer seltener wird unter uns Menschen: eine uneigennützige, von Liebe geprägte Zuwendung und achtsames Verständnis. Achtsam schauen, bis es still wird in der Seele, und das Geschaute dann wieder erwecken in der Malerei, wo es sich paart mit dem Anspruch des Geistes, so erscheint mir der Kern des Schaffens von Elisabeth Angermann. Schon in den Zeichnungen der 30er Jahre gibt es neben klassischen Porträts auch großzügige knappe Zeichnungen wie die „Liegende mit Schal" oder jene expressive Lithografie „2 Rehe". Im Laufe der Jahre schafft sie sich wohl eine ganz eigene Freiheit ihrer Formsprache. Sie sieht mit Auge und Herz und ergründet das tiefere Wesen eines Motives. - Und so erscheint im Aquarell eine lichtdurchdrungene Rose auf blauschwarzem Grund still wie ein Gebet oder die Lilien sind alabasterne wesenhafte Blüten, geheimnisvoll schön und doch auch spröde fremd, in denen sich das Dahinwelken schon ankündigt. In ihrer Malerei gibt es eine Richtung, die unspektakulär und schlicht, aber doch von einer ungewöhnlich suggestiven Ausstrahlung ist. Sie mischt die Ölfarbe ins Stumpfe, manchmal legt sie sogar einen kalkig weißen Schleier über das Bild oder sie trägt die Ölfarbe dick mit der Spachtel auf, um sie an andere Stelle bis zum Malgrund abzunehmen. Oft arbeitet sie mit der Farbe caput mortuum / tote Erde, die sie in unendlichen Nuancen aufträgt. So entsteht eine Malerei, die eine sanfte irrationale Tiefe erzeugt und ganz alltägliche Dinge um ein Weniges verfremdet, so dass sie uns wie entrückt vorkommen. Das „Rote Haus" ist so ein Bild, in dem wir uns verlieren können in den Sinnschichtungen. Jeder Schatten, jede Farbnuance, jedes kleinste Glimmen und Leuchten oder ins Graue, ins Tonige abgleitende wurden wohl lange bedacht. Der helle Baumstamm teilt fast schroff das Bild in eine weite, helle und eine dunkle, verschattete Zone. Der zinnoberrote Giebel des Hauses strahlt Ruhe und Geborgenheit aus, eine leise Sehnsucht weht uns an vom leeren Balkon, eine Sehnsucht nach Einssein mit der Natur, mit der Schöpfung. Für mich sind diese Gemälde eine Offenbarung. Vertiefen Sie sich in die Farbstrukturen, in die Schrunden und Flecken und geschichteten Ebenen und sie werden sich fragen, wie aus diesem scheinbaren Chaos der Farben dieses symbolträchtige wunderbar schlichte an die Seele greifende Bild ersteht. Es ist die große Wahrheit eines Augenblickes und aus dem Gespräch mit Christine Heitmann weiß ich, dass nichts sonst ihr ersehntes Lebensziel war als diese tiefe, schlichte Wahrheit der Kunst.

Elly Schreiter

Elly Schreiter habe ich noch in Erinnerung, wie sie in der Druckwerkstatt schaltete und waltete. Meine Bewunderung wuchs, je mehr ich die uneingeschränkte Achtung und den liebevollen Respekt erfuhr, mit dem sie alle bedachten, die von ihr lernten. Ihr Neffe, Dr. Günther Fuder, der ihr Freund und wie ein Sohn war und ihr helfend zur Seite stand, hütet achtsam ihren Nachlass. In seinem kleinen Katalog finden Sie viele Aussagen von Künstlern, die es sich lohnt zu lesen. Unter anderen schreibt Andreas Dress:" ...Sie konnte das vermitteln, da sie selbst ihre Vorstellungen und Ahnungen mit dem Handwerk ins Bild verwandelte, und — wieder eine Kunst für sich — dieses gleichmäßig zu vervielfältigen zu verstand, und — sie ging mit Liebe auf uns ein. Dieter Schmidt bescheinigt ihr im Faltblatt zur Ausstellung 1978 einmalige technische Versiertheit in allen Raffinessen der Lithografie und zählt sie zu den Künstlern und Künstlerinnen einer neuen Empfindsamkeit. Ihr halbes Leben widmete sie der Arbeit als Druckerin, anfangs als Gehilfin, deren Rat allen immer wichtiger wurde, später an der Seite ihres Mannes in der Druckwerkstatt, die sie nach seinem Tod übernahm und bis zu ihrem 71. Lebensjahr führte. Da arbeitete sie schon fast 2 Jahrzehnte selbst künstlerisch. Sie können im hier ausliegenden Dresdner Geschichtsbuch Nr. 14 einen liebevoll und klug recherchierten Beitrag von Caroline Quermann finden, der Elly Schreiter als Künstlerin und Druckerin würdigt. Die Steindrucke von Elly haben keine Konturen. Das Motiv entsteht durch den Auftrag verdünnter Lithotusche, die sie mit dem Pinsel auf den eingewässerten Stein aufträgt. So entsteht eine spannungsvolle Ordnung von hell und dunkel, kraftvoll gegeneinander stehend und in feinen Nuancen. Bäume, Gebüsch, Sandsteinfelsen, Wiesen und Blumen, Licht und Nebelverhangenes bilden sich bei der Berührung der Farbe mit dem Stein gezielt und lassen dem Zufall beim Drucken Raum. Und so liegt in einem Farbsteindruck rosig glimmendes Licht über einer Gebirgslandschaft, die aus feinkörnigen Flecken von Grau bis Schwarz ersteht. Man kann sehen, wie die sich fast zur Linie verdichtende Farbe die Gestalt formt oder verschwimmende Stellen einen geheimnisvollen Raum bilden, der oft in irrationale Tiefe geht. In Blättern mit starken Kontrasten leuchtet der Himmel tief hinter der Silhouette der Sandsteinformation um oben wieder ins Dunkle zu gehen. Feinste Punkte und flirrend geäderte Strukturen schaffen ein geheimnisvolles Zwischenreich unter dem Himmel. In anderen Blättern hingegen nimmt sie die Kontraste so weit zurück, dass eine weiche, friedvolle Stimmung entsteht. Und es gibt einige Arbeiten, die mich an japanische Drucke erinnern. Elly konnte genießen, sie konnte aus sich selbst heraus schöpferisch tätig sein ohne von ihrem Ego geplagt zu werden und so entsteht wohl auch in der westlichen Kultur manchmal jene asiatische Gelassenheit. In einem Text von Claus Weidensdorfer heißt es: „Sie kannte die Landschaften in den verschiedensten Tageszeiten und Beleuchtungen. Sparsam aber genau konnte sie darüber Rechenschaft geben, so genau, dass man glaubte Ort und Stunde zu erkennen. Und doch denke ich, dass sie nicht vor der Natur gearbeitet hat Sie konnte Geschautes und Empfundenes so lebendig bewahren, dass es ihr auch im Atelier gegenwärtig blieb." Auch ihre Aquarelle haben diese Eigenheiten, aber in ihnen löst sie die Form noch stärker auf, lässt die Farbe ungehindert verfließen und zauberische Licht – und Schattenräume betören unsere Sinne. Es ist als hätte sich im Verlaufe ihres Lebens das Erlebnis der Farben unablässig vertieft und verstärkt und Kräfte gespeichert, um in jedem Steindruck, in jedem Aquarell mit neuer Intensität auszubrechen. Wunderbar beschreibt das Ernst Hassebrauk in einem Brief anlässlich ihrer Ausstellung in „Kunst der Zeit" 1973: "..Ich bin von Ihrer Arbeit nicht nur sehr angetan, sondern vor allem, und das muss ich Ihnen mitteilen, wirkte ihre Farbe wie ein Ausbreiten von Juwelen und Diamanten auf meinen optischen Sinn. ...Hinter dieser Leichtigkeit und schmetterlingshaften Tupfen-Verteilung steht ein ganzes Leben, und darauf kommt es an. Es ist ein großes Glück, dass es bei uns noch so etwas gibt."

Maria Teichmann

Maria Teichmann habe ich leider nicht persönlich gekannt, aber ich durfte einen alten Film sehen, der sie vor der Staffelei am Strand der Ostsee zeigt und später mit ihren Kindern an der Elbe und im Zoo, und ich sah Fotos aus den späten Lebensjahren mit Blumen im Arm. Sie strahlt eine gütige Gelassenheit aus und Stärke. Nur so konnte sie wohl ihren Alltag ausleben, mit dem Dresdner Künstler Alfred Teichmann an der Seite, den sie 1935 in ihrer Heimat, im heutigen Litauen, kennen lernte als Mutter von zwei Kindern, und über lange Zeit als Führungskraft der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Im Haus ihres Sohnes Jürgen Teichmann hängen viele ihrer Bilder, liegen Teppiche, und befinden sich wundersame oder alltägliche Gegenstände, die sie immer wieder in ihren Stillleben malte. In den Gesprächen und beim Schauen fand ich eine Künstlerin mit der Gabe, unkompliziert und klar die Welt ihrer Seele auszudrücken: leicht und frohsinnig, träumerisch „mit einer unbeschwerten Sicherheit" wie Maria Schade in ihrem Text feststellt. Auch sie hatte sich, wie Elly Schreiter und Elisabeth Angermann, ganz der Kunst verschrieben. Landschaften, Blumenstillleben und Porträts, standen im Mittelpunkt ihrer Arbeiten, aber immer reizte sie auch das Handwerkliche, das Sticken und Färben und das Binden von Büchern für die Kinder. Und sicher waren die Führungen in Museen und Ausstellungen neben dem Broterwerb auch Anregung für ihr künstlerisches Schaffen. 1948 kam Alfred Teichmann zurück aus der Gefangenschaft und für beide begann eine intensive Zeit künstlerischer Arbeit. 1952 wurde Maria in den gerade gegründeten Verband Bildender Künstler aufgenommen. Ihr Alltag war verflochten mit Pflichten und schöpferischer Arbeit, Begegnungen in Ateliers und Malaufenthalten in Ahrenshoop, die sie ein wenig ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat vergessen ließen. Ihre Lebenswerk in seiner eigenwilligen Verknüpfung der Genres und wie eines das andere wechselseitig befruchtet, muss wohl noch zusammengebracht werden. Und so erscheint sie mir hier in der Ausstellung wichtig und bereichernd. Sie schuf ein umfassendes Werk in der Batik, dass sie damals bekannter machte als die Malerei. Gerd Clausnitzer würdigte es in seinem Text wie folgt: „Maria Teichmann hat es verstanden, dank einer persönlichen Formensicht und der Empfindung für Vollkommenheit die Batik zu einem Gestaltungsmittel mit selbständiger Bildfunktion herauszuführen." Und obwohl die gebatikten Arbeiten hier nicht ausgestellt sind, möchte ich doch kurz darauf Bezug nehmen, weil sie einen archaischen Umgang mit Farbe und Form wiederspiegeln und von ursprünglicher Sinnlichkeit geprägt sind. In der formvollendeten Harmonie der Gestaltung erspüren wir die Vorbilder alter Kulturen und gleichzeitig den Einfluss der erlebten Natur. Es sind eigenständige Kunstwerke von großer Ausstrahlung. Diese stilisierten Blumen, Ranken und Muster von kraftvoller Schönheit und meditativer Stille finden sich auf andere Art auch in ihrer Malerei. Hier in der Ausstellung sehen wir Blumen, Stilleben und eine Landschaft, wobei auch die Porträts ausgespart bleiben. Raum, Farbe und Muster erscheinen spielerisch leicht vereint in ihrer Malerei und je nach Motiv erlebt der Betrachter überquellende Pracht oder stille, träumerische Momente. Da stehen Teerosen in plastischer Fülle in einer grünschimmernder Vase auf einem kleinen achteckigen Tischchen, dessen Ornamente das Spiel der Formen und Farben aufnehmen und eben jene schwingende Harmonie hervorrufen, die auch ihre Batik kennzeichnet. Ein üppiger Feldblumenstrauß füllt auf dem schattenhaft reich nuancierten Grund des Bildes das Format und vor dem warmen Rot und Schwarz des Teppichornamentes schimmert das kühle Glas der Vase. Sie liebt es, die Sträuße kraftstrotzend voll, manchmal wild sich drehend und windend, manchmal zart filigran zu malen, so dass man sich diese herrliche Symphonie in Farbe und Form in die Natur zurückdenken kann. Dort, wo sie im Garten, am Feldrain oder auf der Wiese im Verlaufe der Jahreszeiten kommt und vergeht. Ihre Lust am Farbklang der Blumen und Gräser, am Zusammenspiel von Ornament und alltäglichem Gegenstand, von Früchten und einer Plastik auf dem Tisch, - ihre Freude an der wohlgeordneten Fülle der Natur, ihre Erinnerung an das Meer in der kurischen Nehrung und die Geschichten und Märchen ihrer Kindheit, die sie an ihre Kinder und Enkel in selbstgebundenen, illustrierten und zum Teil selbst geschriebenen Texten weitergibt, lassen sie bis zum Ende ihres reichen Lebens künstlerisch tätig sein. Sie suchte nach jener Schönheit, die aus dem Maßvollen geboren wird, nach einer Stille, die Kraft gibt.

(Regina Niemann)

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Anna Elisabeth Angermann / Maria Teichmann / Elly Schreiter