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PARA SITES präsentiert neun Projekte internationaler KünstlerInnen, die Raum als aktive und veränderbare Dimension thematisieren. Im Aufbrechen von räumlichen Bezugssystemen und architektonischen Zweckwidmungen konfrontiert PARA SITES die BesucherInnen mit außergewöhnlichen Ausstellungssituationen, die Alternativen zu vertrauten musealen Inszenierungen bieten. Ein Großteil der gezeigten Arbeiten wird eigens für das MUMOK realisiert.

Michael Rakowitz Bush vs. Kerry. Wählen Sie den 44. Präsidenten der USA! Text Ballot: Examining the faulty machinery of Democracy Dienstag, 2. November 2004, 10.00 – 18.00 Uhr

Michael Rakowitz fordert anlässlich der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl die österreichischen BürgerInnen am 2. November zur – symbolischen – Stimmabgabe im MUMOK auf. Der amerikanische Künstler exportiert 15 Exemplare der umstrittenen Votomatic Voting Machines, die 2000 im US-Bundesstaat Florida im Zuge der Wahl George W. Bush vs. Al Gore eingesetzt wurden, u. a. nach Wien, Innsbruck, Graz, Mailand und Paris. Mit diesem Transfer verweist Rakowitz nachdrücklich auf die globale Verantwortung einer Nation, welche der Rolle der letzten verbliebenen Weltmacht gerecht werden möchte. Darüber hinaus adressiert er die problematische Funktionalität jener Maschinerien, die eingesetzt werden, um demokratisches Mitspracherecht zu ermöglichen.

Das Projekt wird anlässlich einer Einzelausstellung des Künstlers in der Stadtturmgalerie der Tiroler Künstlerschaft in Kooperation mit dem Kunstraum Innsbruck und medien.kunst.tirol realisiert. "Der soziographische Blick 4 - Michael Rakowitz (USA) - Greetings from Stowe, Vermont" wird am 2. November um 19.00 Uhr eröffnet.

Michael Rakowitz lebt und arbeitet in Brooklyn/New York. Seine Projekte thematisieren Beispiele gesellschaftlicher oder institutioneller Mängel. Rakowitz’ Arbeiten wurden u.a. in Ausstellungen am P.S.1 Contemporary Art Center und am Mass MoCA gezeigt. In PARA SITES regt der Künstler mit (P)LOT – zu transportablen Zelten umfunktionierte Autoabdeckungen – eine alternative Nutzung öffentlicher Parkplätze an.

Das Odradek-Kollektiv zeigt Diong Baby – ein Odradek-Hologramm Sonntag, 7. November 2004, 18.00 – 20.00 Uhr

Als Schlusspunkt von PARA SITES wird am Sonntag, den 7. November, von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr im MUMOK Auditorium der „Hidden Track“ der Ausstellung präsentiert. In Anbindung an die Performanceinstallation level zer0 von kozek hörlonski eröffnet das Odradek-Kollektiv den MuseumsbesucherInnen für zwei Stunden die Möglichkeit, eine Para-Zone zu betreten, die im Geheimen entstanden ist: ein Hybrid aus Installation, akustischem Raum und Tableau Vivant. Das MUMOK Auditorium wird zur Nachtbühne einer fiktiven Late-Night-Show umfunktioniert und u. a. mit einem 15 Meter langen schimmernden Schriftzug, hunderten Leuchtdioden und anderen Lichtelementen ausgestattet. Innerhalb dieses Settings operiert in nachtschwarzen Overalls die rätselhafte „Diong Baby“-Organisation mit dem Ziel, die Geschwister Odradek am Lichttisch als Hologramm zum Leben zu erwecken. Zu diesem Zweck kreieren zwei Haubenköche in einem separierten Küchenset eine spezielle Speisenfolge. Das folgende Ritual eines surrealen Diners ist auch als Echo auf die Frage zu sehen, die Franz Kafka in seiner Odradek-Erzählung „Die Sorge des Hausvaters“ gestellt hat: „Kann er denn sterben? Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt und daran hat es sich zerrieben.“

Mitte der Neunzigerjahre verschwand das Wiener Performancekollektiv Geschwister-Odradek im Inneren ihres „Mountain“-Projektes spurlos. Am 7. November 2004 wird sich zeigen, ob die Geschwister ihre Rückkehr feiern oder doch nur Erinnerungsbilder aus der Vergangenheit heraufbeschwören.

Die Ausstellung

Raum ist kein Zustand. Er ist Ware, Verhandlungs- und Streitsache. Er wird markiert, besetzt und aufgeteilt. Er repräsentiert soziale Widersprüche wie individuelle Sehnsüchte und Lebensmodelle. Im Rahmen von PARA SITES werden die institutionelle und urbane Infrastruktur des Museums zur Austragungsstätte künstlerischer Praktiken, die die Verortung von Individuum und Gesellschaft auf Alternativen hin befragen. Von der MUMOK Factory aus werden etwa die Wüste besiedelt (eteam), Museumsräumlichkeiten zu Studios und Produktionsstätten umfunktioniert (Gil & Moti, Visible Art Activity) und Teile der Wiener Aktionismus-Sammlung „besetzt“ (Carola Dertnig & Stefanie Seibold). Darüber hinaus wird ein sich unter unseren Füßen auflösender „Dance Floor“ installiert (Jennifer Allora & Guillermo Calzadilla), das Museum als „Spielfeld“ genutzt (kozek körlonski) und der Schacht der Eingangshalle „kolonisiert“ (Ward Shelley & Douglas Paulson).

Dem Ausstellungstitel entsprechend präsentiert PARA SITES auch Projekte, die „neben“ dem MUMOK als (Ausstellungs-)Ort stattfinden. So können BesucherInnen Autoabdeckungen zum Kampieren auf Parkplätzen mieten (Michael Rakowitz) und im Hof des MuseumsQuartiers die Anatomie eines Wohnhauses besichtigen (Tea Mäkipää).

Raum als (ver)handelbare Variable Diskussionen um Globalisierung, Urbanismus und Postkolonialismus haben zu einem Raumverständnis beigetragen, das über physikalische Gegebenheiten weit hinausgeht und den in Bewegung geratenen Weltbildern Rechnung trägt. Räumliche Strukturen werden als Ausdruck ökonomischer, politischer und kultureller Verhältnisse verstanden, als Träger und Multiplikatoren gesellschaftlicher Codes und Gebrauchanweisungen. Wenn wir (Stadt-) Raum als stark reguliert empfinden, so ist dies weniger eine Eigenschaft der Architektur selbst als vielmehr eine Folge der Ideologien, die sie besetzen.

PARA SITES zeigt auf, dass diese Ideologien nicht gegeben oder unabänderlich, sondern die ihnen zugrunde liegenden Vereinbarungen dynamisch und verschiebbar sind. So gesehen ist Raum eine durch Handlung gestaltete Dimension. Entsprechend wird ein Großteil der Arbeiten über die Dauer der Ausstellung von den KünstlerInnen weiterentwickelt bzw. unterliegt im Austausch mit BesucherInnen einem fortlaufenden Prozess der Veränderung und Adaptierung.

Mit diesem Ausstellungsprojekt setzt das MUMOK seine Aktivitäten im Performance-Bereich (Öffentliche Angelegenheiten – Performance als politisches Handeln, 2002; Mothers of Invention – where is performance coming from, 2003) fort und unterstreicht damit seine Ambitionen in der Präsentation und Vermittlung performativer Kunst in Sammlungs- und Sonderausstellungen.