press release

Rolf Heißler war Mitglied der RAF. In den 22 Jahren seiner Haft von 1979-2001 wurde seine Post überwacht, knapp 2000 Sendungen wurden beschlagnahmt. Anhand ausgewählter Objekte thematisiert die Ausstellung den Kampf um Kontrolle, die Versuche der Kommunikation sowie verschiedene Dimensionen der Projektion unter den Bedingungen der Isolation. Sie wirft damit einen anderen Blick auf die lange Geschichte der Konfrontation von RAF, Staat und politischer Bewegung.

Eine rote Plastiknelke, getrocknete Orangenschalen, zahllose Flugblätter, Muscheln und Trockenblumen, Wunderkerzen, Zeitungsartikel, Plakate, Postkarten, Wollsocken, ein selbst gemaltes Kinderbild, Lavendel. Es sind die unterschiedlichsten Dinge, die Rolf Heißler in den 22 Jahren Haft von 1979-2001 ins Gefängnis geschickt wurden – gemeinsam ist ihnen, dass sie beschlagnahmt wurden. Vieles davon erscheint zunächst unscheinbar. Bei etlichen Sachen stellt sich gleichermaßen die Frage, warum sie geschickt und warum sie „angehalten“ wurden.

Auf den zweiten Blick entdecken sich in den Dingen jedoch die Bedingungen der Isolationshaft ebenso wie die Versuche, sie zu durchbrechen. Die Objekte sind Sedimente der Haftbestimmungen und sichtbare Zeugen eines panoptischen Gefängnisregimes, das auf der Ausgrenzung sinnlicher Wahrnehmung basiert. Sie stehen für die hartnäckigen Versuche, Beziehungen und Kommunikation aufzubauen zwischen „draußen“ und „drinnen“. Sie offenbaren vielfältige Formen der Projektion, etwa des Staates von der Gefährlichkeit banalster Objekte oder der BriefschreiberInnen von den Bedürfnissen des Gefangenen. Gleichsam alltäglich veranschaulichen sie ein jahrelanges, ständiges Ringen um Kontrolle – der Gefängnisleitung über „Sicherheit und Ordnung des Vollzugs“, des Gefangenen über sein Leben. Denn auch die Subjekt-Position Heißlers als aktiver Teil der Auseinandersetzung ist im Zusammenhang mit den Dingen erfahrbar. Zahllose Beschwerdebriefe und ein Ordner, in dem Heißler sämtliche Beschlagnahmen notiert und kommentiert hat, demonstrieren seine Strategie einer „Kontrolle der Kontrolle“.

Schließlich erscheinen in diesen „angehaltenen“ Postsendungen – wie in einem mehrfach gebrochenen Spiegel – die sozialen und politischen Bewegungen der 80er und 90er Jahre mit ihren Themen, Diskussionen und Konjunkturen: internationale Solidaritätsbewegung, Hausbesetzer, Antifa, Anti-Kriegs- und Frauenbewegung, Proteste gegen Volkszählung und soziale Ungleichheit. Die Objekte entfalten so auf ungewohntem Terrain eine komplexe „Dreiecksbeziehung“ zwischen Staat, Bewegung und Gefangenem aus der RAF.

Ausstellung: 27. Oktober - 17. November 2007 geöffnet Do, Fr, Sa 15.00 - 19.00 und nach tel. Vereinbarung +49 (0)179 947 30 40

Sonntag, 28.10.2007, 18.00 Diskussion mit Rolf Heißler Donnerstag 1.11.2007, 19.00 Werkstattgespräch mit Kurator Joachim Baur (in Kooperation mit Schnittpunkt Berlin – Ausstellungstheorie & Praxis)

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Friday October 26, 2007, from 7pm

Confiscated: Rolf Heißler Objects from the Prison curated by Joachim Baur

Rolf Heißler was a member of the German guerilla group Red Army Faction - RAF. During his 22 years imprisonment from 1979-2001 his mail was monitored and about 2000 mails confiscated. With examplary objects this exhibition focus' on the struggle for control, for communication between 'in' and 'out' and the divers projections under the conditions of isolation. The show throws an unusual - at least not the common glance at the long history of confrontation between the RAF, the state and the political movement.

A red plastic clove, dryed orange peel, countless pamphlets, mussels, dryed flowers, sparklers, newspaper cuttings, posters, postcards, socks, a kid's drawing, lavender... There are most different things that were sent to Rolf Heißler during his 22 years into prison but they all shared one thing: confiscation. First many items seem unimpressive, likewise you might wonder 'why was this sent' or 'why was it withheld'? At a second glance the conditions of isolation and solitary confinment can be discovered like the attempts to break through this closed circuit. The objects are sediments of the prison regulations and visible witness of a panoptical / an omnipotent prison regime based on excluding sensual perceptions. They stand for persistent attemps to develop some sorts of relationships and communication between 'in-' and 'outside'. They reveal manifold forms of projection - from the state declaring most banal objects 'dangerous' - from the aquaintants what they think would meet prioner's needs.

Quasi day-to-day they demonstrate a long-lasting permanent struggle for control: from the authorities over "law and order" in jail - from the prisoner over his life. Heißler's position as an acting subject within this conflict of censorship and confiscations is evident. Countless letters of complaint and a file listing and commenting all confiscations show his strategy of a 'control of the control'. Last but not least appear in these withheld mails - like in a multiple broken mirror - the social and political movements of the 80-ties and 90-ties with their themes, discussions and activities: international solidarity movement, squatting, anti-fascism, anti-war- and feminist movement, protest against census and social inequality. On unusual terrain these objects unfold a complex triangular relationship between state, social movement and prisoner of the RAF.

Exhibition: October 27 - November 17, 2007 open Thu, Fr, Sa 3 - 7pm and by appointment +49 (0)179 947 30 40

Sunday October, 28 - 6 pm conversation with Rolf Heißler Thursday November, 1 - 7 pm conversation with curator Joachim Baur (in cooperation with "Schnittpunkt Berlin" – exhibition theory & practice)

only in german

Beschlagnahmt: Rolf Heißler
Objekte aus dem Gefängnis
Ein Ausstellungsprojekt von Joachim Baur