23. Feb 2021

Lothar Frangenberg

Es wird einem allenthalben zugetragen: In den Malateliers herrscht kein Müßiggang. Gemalt wird, was das Zeug hält. In auch für Künstler*innen schwierigen Zeiten der Pandemie bricht in den Ateliers, geschützten und vertrauten Rückzugsorten, die Malfreude, ja Mallust aus. Leider trifft malerische Überproduktion auf einen Corona geschuldeten Ausstellungsstau. Ein Grund für eine kritische Reflexion. Es steht dem nichts im Wege, sich als Künstler*in malerisch auszudrücken. Aber außer der persönlichen Befindlichkeit besteht auch keine Notwendigkeit, sich auf dieses Medium einzulassen.

Tatsächlich wurde das Ende der Malerei schon im letzten Jahrhundert mehrfach verkündet und wieder abgesagt. Dabei sollte man es belassen. Malerei ist nicht tot. Nur mit wachsender Überproduktion stellt sich der Eindruck ein, viele malerische Schöpfungen laufen sich im Kanon vertrauter und handwerklich verfügbarer Form- und Ausdrucksmittel fest. Auf einschlägigen Webseiten werden immer wieder scheinbar neue, spannende malerische Positionen angepriesen, die davon zeugen – von rekursiven Varianten längst entwickelter, malerischer Strategien.

Malerisches Tun steht oft noch paradigmatisch für echte und fließende Korrelationen zwischen Selbstbespiegelung und äußerer Formfindung. Die Synchronisation leistet gemeinhin das traditionelle Bildfenster als Membran zwischen den inneren und externen „Bildern“. Das Vertrauen in diese behauptete Authentizität wird brüchig, wenn sich zu viele Maler*innen auf handwerklich geschickt vorgeführtes Raffinement verlassen. Das vorausgesetzt Authentische läuft Gefahr, zu der Attitüde eines automatisierten, künstlerischen Selbstverständnisses zu verkümmern – zu vorgeführten, introspektiven Manövern, die sich nach außen als Klischees von Malerei abbilden, ohne großes Wagnis oder Risiko. Schnell steht der Vorwurf im Raum, das Bedürfnis einer auch international wachsenden Käuferschicht nach handwerklich exklusiven, leicht verfügbaren, künstlerischen Produkten zu befriedigen.

So mag das Ende der Malerei lange vorbei sein, ihre augenfällige Ermattung ist es nicht. Sie ist nicht mehr das künstlerische Leitmedium und der fortwährenden Konkurrenz anderer kreativer Praktiken ausgesetzt, die zeitgemäße Relevanz beanspruchen. Die Zeit ihrer schnell wechselnden, vorwärtseilenden Avantgarden ist Malereigeschichte. Diese Fronten sind verlassen. Mit ihnen und der damit einhergehenden, teleologisch geprägten „endgültigen“ Befragung aller malerischen Methoden und Mittel schwand ein wesentlicher, teils auch politisch motivierter, Begründungs- und Orientierungsrahmen. Um sich essentiell zu behaupten, reicht das Aufgreifen malerischer Lösungen nicht, die von kunstgeschichtlich gesicherten Avantgarden erarbeitet wurden. Es zeigt nur die Variationsbreite des von prominenten Vorgänger*innen Geleisteten auf und ist keine künstlerische Legitimation, Malerei zu betreiben. Malerei muss für die Erfahrung des visuell Unvertrauten stehen, um ihren eigenen Stereotypen zu entgehen. Sie darf sich nicht in der Sicherheit einer sich endlos reproduzierenden Postmoderne wiegen, sonst bleibt am Ende nur eine insulare Exklusivität. Erneut: Es gibt keinen Grund, per se Malerei zu betreiben, und dieser Kernpunkt muss spürbar in die Arbeit eingelagert sein.

Was bleibt? Ein Plädoyer für heterogene Malstrategien, für die Skepsis an tradierten Bindungen von Malgrund und Farbauftrag, für den Mut hin zu flüchtigeren, oszillierenden und vagabundierenden Malereiphänomenen. Heute entstehen überall neue Bild- und Wirklichkeitsfabriken mit enormer gesellschaftlicher Wirksamkeit, auf die Kunst reagieren muss. Nur welche künstlerischen Strategien und Methodiken bilden die Komplexität unserer Moderne ausreichend ab? Alle künstlerischen Medien inklusive technischer Innovationen bieten sich an. Es wäre schade, wenn Malerei dieser Entwicklung als traditionelles Medium nicht mehr gerecht und endgültig ins Hintertreffen geraten würde. Die Sorge, dass Malerei auf ein immer begrenzteres, abgesichertes Terrain zusammenschrumpft, ist berechtigt. Je mehr das passieren sollte, desto mehr wird sie Dekor werden.