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Vernissage: Sonntag, 7. September 2014, 11 Uhr, Rathaus

Als der Jenaer Kunstverein vom 16. Mai bis 13. Juni 1926 die Ausstellung „Die neue Sachlichkeit“ im Prinzessinenschlößchen zeigte, lag die begriffsbildende Ausstellung, die Gustav Friedrich Hartlaub 1925 für die Kunsthalle Mannheim organisiert hatte, erst wenige Monate zurück. Dass es überhaupt gelang, eine der bedeutendsten Ausstellungen der Weimarer Republik kurz darauf in Jena zeigen zu können, belegt einmal mehr den großen kunsthistorischen Weitblick des früheren Jenaer Kunstvereins und seiner Leitung, die zu dieser Zeit von Walter Dexel getragen wurde. In der Jenaer Ausstellung wurden Werke von Heinrich Maria Davringhausen, Otto Dix, Adolf Erbslöh, Ernst Fritsch, Alexander Kanoldt, Georges Kars, Carlo Mense, Kay Heinrich Nebel, Anton Räderscheidt, Karl Rössing, Gustav Schaffer, Rudolf Schlichter, Georg Scholz, Georg Schrimpf und Anderen gezeigt. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung war in der Jenaischen Zeitung vom 22. Mai 1926 die treffende Bemerkung zu lesen: „Die Neue Sachlichkeit ist in jeder Hinsicht eine Reaktionserscheinung des sich selbst überlebten Expressionismus, aber wie jede Reaktion enger mit dem Bekämpften verknüpft, als sie selber ahnt.“ Die Neue Sachlichkeit ist eine Kunstrichtung, die alle Bereiche der Kunst erfasste und in der Regel mit der Zeit der Weimarer Republik verknüpft wird. Es waren vor allem die Verheerungen und die politischen und sozialen Erschütterungen, die der Erste Weltkrieg in allen Bereichen angerichtet hatte, die viele Künstler zu einer neuen Sicht auf die Zeit führte. Viele der Künstler fanden zu einer sozialkritischen Betrachtung und solidarisierten sich mit linken Zielen. Die Darstellungen wurden oft bis ins Groteske übersteigert und in altmeisterlicher Genauigkeit ausgeführt. Die Bilder waren provokant und zeugen von einer geistigen Verfasstheit, die, mit dem Rücken zur Wand, aggressiv nach vorn zielten. Die wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit waren Otto Dix, Christian Schad, George Grosz, Conrad Felixmüller, Bernhard Kretzschmar, Georg Schrimpf, Karl Hubbuch und Rudolf Schlichter. Neben dieser sehr politisch orientierten veristischen Fraktion, gab es die Klassizisten und die magischen Realisten, deren bekanntester Vertreter Franz Radziwill ist. Die Klassizisten waren deutlich weniger an politischen Inhalten interessiert und malten an einer akademisch geprägten Idylle, die sich deutlich von der aktuellen Realität abhob. Die wichtigsten Vertreter waren Georg Schrimpf und Alexander Kanoldt. Es war bereits Hartlaub, der die Künstler der Neuen Sachlichkeit in Veristen und Klassizisten unterschied. Der Begriff des Magischen Realismus wurde erst später von Franz Roh eingeführt. In der Rezension der Jenaer Ausstellung von 1926 hieß es weiter: „Sicherlich ist das sehende Auge überrascht, angenehm überrascht, nach all der vielen nervösen Unruhe, in der die Bilder des Impressionismus sich schon gut taten und die dann beispielsweise in einem Meidner oder Kokoschka zur völligen Auflösung der Formen führen sollte, hier wieder festumrissene Konturen, sichtlich Greifbares zu erblicken. Alle ausgesprochenen Bilder dieser Richtung besitzen einen ungemein sympathisch herben Zug, der aber ebenso wie die Form und bis in den letzten Farbton hinein eine starke Abhängigkeit von den frühen Quatrocentisten verrät.“

Die aktuelle Ausstellung lehnt sich thematisch der 1926 in Jena gezeigten Ausstellung an, unternimmt jedoch nicht den Versuch einer Rekonstruktion. Ausgestellt sind 150 Werke von 50 Künstlern, die uns aus mehr als 20 öffentlichen und privaten Sammlungen zur Verfügung gestellt werden. Neben singulären Werken international bekannter Künstler, über deren Arbeit Inhalt und Form der Neuen Sachlichkeit definiert werden, widmet sich die Ausstellung bewusst auch jenen Künstlern, die in Mitteldeutschland arbeiteten oder künstlerisch geprägt wurden.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit 232 Seiten und Abbildungen aller ausgestellten Werke.