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Yuki Kimura
COL SPORCAR SI TROVA
14. Mai–31. Juli 2022

COL SPORCAR SI TROVA bringt neu produzierte Arbeiten von Yuki Kimura (geb. 1971 in Kyoto, lebt und arbeitet in Kyoto und Berlin) in einer ortsspezifischen Installation zusammen, die in die Raumwahrnehmung des Kunstvereins eingreift, diese manipuliert und subtil verschiebt. Für ihr institutionelles Solodebüt in Deutschland inszeniert Kimura illusionistische optische Effekte im Raum und knüpft damit an ihre installative Praxis der letzten Jahre an, in der sie verschiedene Ready-Mades halluzinatorisch multipliziert und auf unterschiedliche Größen skaliert, um Fragen zur Mechanik unseres Blicks, zu Präsenz und Physikalität zu stellen.

Stripe (2022), eine Streifen-Wandmalerei, die alle vier Wände des Ausstellungsraums umfasst, ist eine Konfrontation und Anspielung der Künstlerin auf ein architektonisches Kuriosum im brutalistischen Ausstellungsbau von 1967: auf die horizontalen, wuchtigen Balken, die den Raumeindruck entscheidend prägen. Darin ist das Heizungs- und Belüftungssystem des Kunstvereins untergebracht und Luft zirkuliert durch die offenen horizontalen Schlitze. Die ursprüngliche Intention Kimuras, sie in den schwarzen Streifen verschwinden und unsichtbar werden zu lassen, produziert letztlich auch ihr Gegenteil: eine halluzinatorische Vervielfachung und Exponierung dieser architektonischen Form. 1927 entwarf der Wiener Architekt und Polemiker Adolf Loos (1870–1933) einen exzentrischen, jedoch nie realisierten Entwurf für ein privates Wohnhaus der Jazzsängerin Josephine Baker, dessen auffällige Fassade ein Streifenmotiv aufweist. In einer Geste der räumlichen Umkehrung invertieren Kimuras gestreifte Wände im Innenraum des Kunstvereins das Verhältnis von Gebäudehülle und Innenraum sowie von Volumen (Positivraum) und Negativraum.

Mit der Wandmalerei zeigt Kimura neu produzierte Skulpturen, deren Sockel mit Trompe-l’œils von Marmoroberflächen bemalt sind und die das Spiel mit Schwarz-Weiß- und Positiv-Negativ-Kontrasten fortsetzen. Sie demonstrieren die Komplexität hochqualifizierter handwerklicher Arbeit und das verführerische Potential des absolut Artifiziellen, von Illusion und Dekor. Die Künstlerin spielt damit auf die komplexe, politisch umstrittene Rolle von Dekoration und Handwerk in der Kunst und Architektur an – im Bewusstsein, dass Konzepte von Dematerialisierung und Deskilling insbesondere (post-) konzeptuelle künstlerische Praktiken (auch ihre eigene) maßgeblich geprägt haben und handwerkliches Können in diesem Kontext oft devaluiert wird.

Wie ihre früheren Ready-Made-Arbeiten destabilisieren ihre neuen Skulpturen anhand von Multiplizierung und Skalierung die Wahrnehmung und Erscheinung eines Objekts. In Five Mirror Balls (2022) reflektieren Spiegelkugeln den Ausstellungsraum in miniaturisierter und verzerrter Form durch eine Fischaugenperspektive. Diese Sicht enthüllt einen unsichtbaren Raum-im-Raum oder eine Art magisches, erweitertes Sehen. So wie optische Positiv-Negativ-Effekte verschiedene Realitäten eines Objekts zum Vorschein bringen, so setzen Kimuras Modifikationen der Raumwahrnehmung vermeintlich stabile physikalische Parameter wie Größe, Gewicht, Länge/Breite/Höhe/Tiefe, Materialität, Schwerkraft und das Verhältnis von Innen- vs. Außenraum auf profunde Weise in Bewegung.