press release only in german

Von Dada bis Fluxus, von der Konzeptkunst bis zur Generation der 90er Jahre hat Humor als visuelle Strategie und philosophisches Verfahren in der Kunst einen zentralen Platz eingenommen. Dabei geht es in dieser Ausstellung weniger darum, einfach das Komische, die Satire, Ironie oder Groteske zu zeigen, als vielmehr um Kunst, die direkt an den Mechanismen des Humors ansetzt. Wenn wir anfangen, uns zu winden, uns schutzlos ausgeliefert fühlen und angesichts der Schmerzlichkeit der Lage nicht länger wissen, ob wir lachen oder weinen sollen. Wenn uns das Lachen im Hals stecken bleibt, wenn Humor zur Qual wird: When Humour Becomes Painful.

Seit Freud gilt Humor als klarster Ausdruck eines kollektiven Unbewussten, der wieder ans Licht gekehrten Ablagerungen des verdrängten gesellschaftlichen Selbst. Humor und Kunst haben viel gemeinsam, beide fungieren als Brücke zu einer irrationalen Welt, die von Intuition und Instinkt bestimmt wird. Sie teilen auch dieselben sozialen Räume, in denen Normen, Moral und Tabus miteinander konfrontiert werden. Ironie und Humor funktionieren wie ein Ventilator für die Psyche, wie ein frischer Wind für den Geist, der uns Fehlschläge und Existenzängste besser bewältigen und verstehen lässt.

Die subversive Kraft des Humors entzieht sich jeder Definition. Humor hat mit menschlichem Verhalten zu tun. Er ist weder abstraktes Gefühl noch Stimmung, sondern eher eine Methode, mit Letzteren umzugehen, die sich auch nur durch Erfahren begreifen lässt. Die Ausstellung bringt Präzedenzfälle aus der jüngeren Kunstgeschichte wie George Maciunas’ Flux Smile Machine und Joseph Beuys’ Capri Batterie mit zeitgenössischen Arbeiten zusammen. Ihr Thema ist Kunst, die uns zunächst mit ihrem sinnfälligen Humor verführt, um uns dann mit den eher mühsamen oder unbequemen Themen, für deren Erforschung sie sich des Humoristischen bedient, abrupt auszubremsen. Die beteiligten Künstler setzen Humor nie als Selbstzweck ein – weder formal noch inhaltlich. Ihr Ziel ist vielmehr, einen Raum zu schaffen, in dem mittels Kritik, Provokation und Entlarvung anderen Gemütsbewegungen, Beziehungen und Verbindungen auf den Grund gegangen werden kann.

Die Ambivalenz des Humors, seine Fähigkeit, sich zwischen dem Utopischen und dem Destruktiven, zwischen Einsicht und Beschränktheit hin und her zu bewegen, und – vielleicht am wichtigsten – seine Absage an absolute Werte sind zentral für die künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts, die einen fortgesetzten Einfluss auf zeitgenössische Künstler ausüben. Zwischen Anna & Bernhard Blumes absurder Welt zum Leben erweckter Objekte und Boyd Webbs surrealen Universen lassen sich formale Verbindungslinien ziehen. Fluxus und die frühe Performancekunst nutzten Humor provokativ als Mittel, um gesellschaftlich tragfähige Normen aufs Korn zu nehmen und für die Kunst eine neue Funktion zu suchen. Vito Acconcis und Jürgen Klaukes Dekonstruktionen der männlichen Künstler-Persona zielen mit Witz und Einfallsreichtum auf die direkte Konfrontation aggressiver und sexueller Tabus ab und gehen darin Verbindungen zu jüngeren Künstlern wie John Bock oder Klara Liden ein. Wie die anderen Künstler der Ausstellung geben sie dem Zuschauer nicht vor, wie er zu reagieren hat, sondern lassen ihn zwischen Unterhaltung und Unbehagen, Spielerischem und Ernsthaftem, Pessimismus und Optimismus in der Schwebe.

Der Scharfsinn im Verhältnis von Bild und Text ist eine der deutlichsten Paarungen von Intellekt und Nonsens. Fischli & Weiss und Jake & Dinos Chapman gebrauchen Werktitel, die eine kritische Spannung mit dem Werk selber entstehen lassen, während bereits in den Videos von Mark Wallinger und Beagles & Ramsay der Manipulation der Sprechweise das Verhältnis von Humor und Unbehagen innewohnt. Von Bruce Naumans angsterfülltem Durchschreiten seines Studios und den ins Groteske gehenden Selbstporträts von Jan Fabre und Mark Wallinger hin zu Alex Bags ironisch gefärbten Selbstinszenierungen oder Peter Lands absurd-narrativen Zeichnungen haben Künstler regelmässig ihren eigenen Körper für die Erforschung künstlerischer Selbstzweifel zum Einsatz gebracht. Die ironische Selbstreflexion gibt ihren Arbeiten eine menschliche Dimension, verschafft den Künstlern aber auch die Freiheit, sowohl ausserhalb der Gesellschaft als auch der Kunstwelt zu stehen – ein Meister dieser ironischen Selbstreflexion ist sicherlich Martin Kippenberger. Obwohl die Künstler immer riskieren, in der Verführung des Zuschauers durch Humor zu scheitern, halten sie mit der Entscheidung, Schwächen mit den Mitteln des Komischen aufzudecken, bewusst an ihrer Weigerung fest, Machtbeziehungen einzugehen. Die Kombination von Humor und Kunst zeigt sich so als politisch aufgeladene Reaktion gegen gegenwärtige Organisations- und Verhaltensmodelle.

Die von den Künstlern beim Einsatz von Materialien und Medien in der Ausstellung eingeschlagenen Wege betonen den Widerspruch, kippen Hierarchien und führen die Welt auf einen menschlichen Massstab zurück. Der Witz in Jake & Dinos Chapmans Interpretationen ethnografischer Bilder verlässt sich auf ein kollektives Verständnis subversiven Humors; Hans-Peter Feldmann und Jean-Frédéric Schnyder bedienen sich bei den tragikomischen Eigenarten des Kitschs – und die Grillstationen von Thomas Zipp verdichten kleinbürgerliche Sehnsüchte in einer einzigen satirischen Gebärde. Das Alltägliche in Zweifel zu ziehen und das Vertraute neben seinem verzerrten Spiegelbild zu zeigen, wirkt in der von zeitgenössischen Künstlern betriebenen Erforschung von Wahrnehmungsprozessen durch die Offenlegung des Bizarren im Banalen oder des in der Ordnung möglichen Chaos weiter nach. In ihrer Entscheidung, die Mechanismen des Humors zu ergründen, treiben sie und andere Künstler der Ausstellung die Tendenz der Kunst, Ambivalenz und Unsicherheit zu erzeugen, bis an die Grenze – genauso aber auch ihr Potenzial, vorhandene Bedeutungen aufzufasern und neuen Sinn zu schaffen.

Pressetext

only in german

When Humour Becomes Painful
Kuratoren: Heike Munder & Felicity Lunn

mit Vito Acconci, Alex Bag, Aidas Bareikis, Beagles & Ramsay, Joseph Beuys, Anna und Bernhard Blume, John Bock, Olaf Breuning, Jake & Dinos Chapman, Jan Fabre, Hans-Peter Feldmann, Knopp Ferro, Fischli / Weiss, Rachel Harrison, Martin Kippenberger, Peter Land, Klara Liden, Lutz / Guggisberg, George Maciunas, Piero Manzoni, John Miller, Bruce Nauman, Martin Parr, Sigmar Polke, Jean-Frederic Schnyder, Jürgen Klauke, Mark Wallinger, Boyd Webb - Bernhard Willhelm / Carles Congost, Thomas Zipp