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Wunschbilder und Naturbetrachtung sind traditionelle Sujets in der Kunst Japans. Welche Rolle diese Themen für Künstler heute spielen, fragt die Gruppenausstellung, die auch im Garten des Palais für aktuelle Kunst stattfindet. Die acht Künstler, die sowohl in Japan als auch andernorts leben, beteiligen sich mit teilweise neuen, eigens für den Kunstverein entstandenen Arbeiten.

Der Titel „Wenn sich kein Blatt regt..“ zitiert ein Haiku des Dichters Buson aus dem 18. Jahrhundert: Wenn sich kein Blatt regt/Sind sie doch so unheimlich/Die Sommerbäume. Diese Gedichtform ist bis heute in Japan populär. Sie beschreibt,„die flüchtige Stimmung eines Augenblicks und gibt sich der unmittelbaren Sinneswahrnehmung ganz hin.“ Es gilt die Regel, ein Haiku soll in die Grundstimmung einer Jahreszeit versetzen.

Diese Qualitäten finden und fanden sich auch stets in der bildenden Kunst wieder. Während sich in der Vergangenheit die Kalligraphie und Malerei der stillen Hingabe an die Natur widmeten, arbeiten die acht ausgewählten Künstler der jüngeren und mittleren Generation mit modernen Medien: Video und Installation, Malerei und Zeichnung, Performance und Fotografie. Dabei geht es etwa ihnen um die besondere Atmosphäre in der Natur und ihre Erscheinungen, den Übergang vom Innenraum in den Außenraum, die Wahrnehmung von Natur unter den Bedingungen der Verstädterung oder um die Frage mit welchen Mitteln sich Naturphänomene und Träume in die Kunst transportieren und übersetzen lassen. Allen Arbeiten gemeinsam ist die reduzierte Form - und damit die Konzentration auf Wesentliches-, die sinnliche Komponente der Annäherung sowie eine präzise formale Umsetzung.

So wird Yoshiaki Kaihatsu ( geb. 1966, lebt in Tokyo), der auf der Architekturbiennale in Venedig 2004 Japan vertrat, aus den Styroporverpackungen technischer Geräte neue Räume bauen. Für den barocken Garten erstellt er daraus ein Teehaus in traditioneller Form und gleichzeitig im futuristisch anmutendem Gewand. Dort wird zur Eröffnung Tee, Sake und Bier serviert. Im oberen Saal des Palais wird das weiße Material so installiert, dass es mit einem Wald und Bäumen assoziiert werden kann. Im ehemals barocken Raum werden sich die Licht- und Schattenverhältnisse ändern. Genauso nimmt das schalldämmende Material auch Einfluss auf die Geräuschkulisse. Neben diesen ästhetischen und sinnlichen Wirkungen, spricht die Arbeit auch Gegensätze zwischen Vergangenheit und Zukunft, das Thema Recycling wie die Folgen materiellen Konsums an.

Yoshihiro Suda (geb. 1969, Yamanashi, lebt in Tokyo), zeigt filigrane Blüten einer „Morning Glory“, die auf seine Anweisung hin an ganz besonderen Stellen des Ausstellungshauses installiert sind. Dafür hatte der Künstler in diesem Frühjahr den Kunstverein besucht und das Treppenhaus ausgewählt. Die Wahl dieses Ortes, der normalerweise nicht für die Präsentation von Kunst genutzt wird, ist für Suda bezeichnend. Seine Arbeiten sollen erst mit einem zweiten, oft überraschten Blick erkannt werden. Das entspricht ihrer Wahrnehmung in der Wirklichkeit. Es sind Unkräuter oder Blumen, wie sie in Städten zwischen Asphalt und Beton an Straßenrändern und Brachen wild wachsen. Suda schnitzt sie aus Magnolienholz und fasst sie farbig. Ihre Schönheit bleibt erhalten, ihre Empfindlichkeit wie ihre Kraft betont.

Takehito Koganezawa, (geb. 1974, lebt und arbeitet in Berlin) zeigt seinen neuesten Videofilm "Snowing", der diesen Winter während eines Schneesturms entstanden ist und die Lichter der Metropole reflektiert. Das natürliche Phänomen Schnee ist in der urbanen Umgebung „außerhalb der Natur“ fast bis zur Unkenntlichkeit wiedergegeben und trotzdem von starker Anziehungskraft und großer Schönheit. In den flimmernd wirkenden Filmbildern liegt eine große Ruhe, die sich gleichzeitig in steter Veränderung befindet. In einem zweiten Raum zeigt der Künstler eine Auswahl von Zeichnungen, die traumgleich Szenen andeuten und dabei Anfang und Ende offen lassen.

Toshia Kobayashi (lebt in Tokyo) fertigt Bilder, die auf den ersten Blick wie monochrome Malereien aussehen. Sie entstehen meist in kleinen Serien und sind doch mehr als nur die abstrakte Bilder. Die vier Arbeiten der Serie „Landscape in the mist“ hatte der Künstler ursprünglich mit Landschaften bemalt und sie anschließend abgeschliffen. Dennoch bergen sie in ihrer Leere die Erinnerung an die Natur, sind Sehnsuchtsbilder und Imaginationsflächen in einem.

Satoshi Otsuka (geb. 1970 in Fukushima, lebt in Tokyo) verwendet in seinen Installationen häufig Licht, um Dimensionen von Unendlichkeit anzudeuten. Lichtpunkte verlieren sich in der Weite des Raumes oder Spiegel holen Fernes in die Nähe. Seine im Palais aufgestellte Spiegelskulptur „Mirror Piece for a Corner“ reflektiert gebrochen den Innen- wie Außenraum und die dort möglicherweise sichtbare Stadt oder Landschaft. Diese Arbeit ist wie es lange Zeit für die westliche Malerei galt „ein Stück Fenster in die Welt“ und in seiner strengen Form dem Minimalismus verbunden.

Miwa Yanagi (geb 1967 in Kobe, lebt in Kyoto) zeigt zwei großformatige Fotoarbeiten, welche die Themen Träume und Kontemplation bebildern und aus der Serie "My Grandmothers" stammen. In diesen Werken setzt die Künstlerin sowohl Vergangenes, Gegenwärtiges wie Zukünftiges theatralisch in Szene. Die erzählstarken Bilder basieren auf den Erinnerungen, Überlieferungen und Wunschbildern von realen Personen mit denen Yanagi sprach. Sie umfassen den Zeitraum von 1850 bis 2050. Erträumtes und Wirkliches gehen ineinander über. Die Arbeit „Geisha“ verweist in die Tradition japanischer Gesellschaftsdamen. Diese Frauen wurden etwa von Teegesellschaften angemietet und dafür seit ihrer Kindheit im Tanz, Gesang und in der Konversation ausgebildet. Die Arbeit „Ryuen“ zeigt einen Mönch in tiefer Versenkung.

Rikuo Ueda (geb. 1950 in Osaka) präsentiert Zeichnungen, die mit den Kräften des Windes entstanden sind und dessen Bewegungen unmittelbar einfangen. Der Künstler befestigt dafür Pinsel oder Stifte etwa an Ästen, die vom Wind bewegt werden, und nimmt keinen Einfluss auf die entstehenden Bilder. Ueda geht mit seinen Arbeiten, die wie informelle Kunst anmuten über diese hinaus: er stellt nicht das künstlerische Ich, sondern die nicht kontrollierbaren Kräfte der Natur in den Mittelpunkt. An buddhistischer Tradition interessiert, schätzt Ueda die Substanzlosigkeit wie die Unendlichkeit des Windes als Teil des kosmischen Geschehens. Ein Film dokumentiert die Entstehung seiner Arbeiten, die auf der ganzen Welt entstanden sind.

Die ausgestellten Fotoarbeiten von Hiroyuki Masuyama (geb in Tukuba, lebt in Düsseldorf und Tokyo) dokumentieren poetisch den Verlauf eines gesamten Monats in einem Stück Wald. Dafür hat der Künstler jeden Tag im „Mai“ und „April“ eine Waldlichtung fotografiert und die Kamera um eine paar Grad verschoben. Die 31 bzw. 30 entstandenen Bilder hat er anschließend digital zu zwei großen Panoramafotografien zusammengesetzt. Mit modernen Medien gibt Masuyama die subtilen Veränderungen, die sich in jedem Augenblick in der Natur ereignen, wieder. Dabei vertraut er ganz der Tradition des feststehenden Bildes, dem sich der Blick des Betrachters langsam annähren kann, um immer tiefer in die Geheimnisse des Bildes und der Natur einzutauchen.

Pressetext

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Wenn sich kein Blatt regt...
Natur und Träume in der japanischen Kunst

mit Yoshiaki Kaihatsu, Yoshihiro Suda, Takehito Koganezawa, Toshiya Kobayashi, Satoshi Otsuka, Miwa Yanagi, Rikuo Ueda, Hiroyuki Masuyama