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Die künstlerische Strategie dieses Projekts besteht in einem Verfahren von Fragmentierung und Isolation singulärer Einheiten. Die Arbeit erlaubt einen Blick auf die symbolische Gewalt, die dem Feld zeitgenössischer Riten und Rituale angehört.

Durch Wiederholung und Vereinzelung werden die hier festgehaltenen profanen Ereignisse “larger than life”, überlebensgroß. Man könnte sie als “rituelle Moleküle” bezeichnen, in denen das kollektive Unterbewusste sichtbar wird. Es handelt sich um eine Untersuchung der verborgenen Zusammenhänge, die von Scham und Verführung diktiert werden - Regeln, die die Vernunft nicht kennt. Über eben solche Zwischenräume, “Löcher” in unserer Vorstellung und unserem Wissen von der Welt, spürt das Projekt den Mechanismen unbewusster Projektionen nach, die von unseren gewöhnlichen Ängsten ins Spiel gebracht werden.

“Beyond material abundance, the forces of the economy promised two distinct freedoms to those who lived behind the city’s walls. Today the visitor can see above the city gates, in cities which belonged to a medieval trade network, the Hanseatic League or Hanse, the motto: Stadtluft macht frei. In Paris, as in the hanseatic cities, the economy promised people to set them free from the inherited dependence embodied in the feudal labor contract. More, the city promised people new individual rights of property. Medieval economic and religious developments pushed the sense of place in opposite directions, a dissonance, which echoes down in our times. The economy of the city gave people a freedom of individual action they could not have in other places; the religion of the city made places where people cared for each other.”

Richard Sennett, Flesh and Stone

“Stadtluft” konzentriert sich auf ein Gruppe von Menschen, die die Stadt durchstreifen, und auf ihr Leben. Der Ort der Aufnahme ist eine öffentliche Toilette, die sich am Rand eines Sees in einem städtischen Park befindet. Dieser kleine Pavillon wird von den Mitgliedern einer Gruppe als Treffpunkt benützt, die in dieser abgesonderten Gemeinschaft miteinander in einem losen Zusammenhang stehen, und deren öffentliches und privates Leben sich sichtbar vermischt – sichtbar, da sie ihre Tage im Freien verbringen, und dort ist es auch, wo sie ihre persönlichen Beziehungen austragen. Es handelt sich dabei um Aspekte, die von den meisten Menschen zu Hause erfahren und gelebt werden. Unter dem Einfluß von Alkohol, der im Leben der meisten Angehörigen dieser Gruppe eine prominente Rolle spielt, werden die Formen des Ausdrucks intimer und “physischer”.

Das Gebäude selbst verkörpert nahezu perfekt bestimmte Themen, die von dieser Arbeit in den Vordergrund gerückt werden: Der Außenraum der Veranda wird wie ein Innenraum benützt, da ein Dach vorhanden ist, und die Veranda sich außerdem ein wenig über das umgebende Areal erhebt. Sie erinnert auch eine Bühne, und hebt so die öffentliche Natur der expressiven Gesten, die hier stattfinden, hervor. Sogar die vergitterten Fenster, die Assoziationen ans Gefängnisdasein erwecken, und das Geländer, das an manchen Stellen der Filmaufnahmen zwischen uns und die Szene gerät, sind gegebene Elemente, die für das Verständnis der Arbeit eine Rolle spielen.

Nachdem die Filmaufnahmen zunächst aus der Position einer Außenseiterin entstanden, wurde mit den Menschen, die diesen Raum temporär bewohnen, Kontakt hergestellt. Drei von ihnen erklärten sich zu einer Zusammenarbeit bereit, und so entstand der nächste Teil des Projekts, das unter anderem Fragen der Authentizität und Inszenierung thematisiert, und auf die problematische Rolle des/der Zusehers/Zuseherin verweist. Mit Hilfe eines Theaterschauspielers/Regisseurs und einer zweiten Kamera wurde eine Situation hergestellt, in welcher der spielerische Akt der Darstellung, der Akt des Filmens und die “authentische” Situation alle im Augenblick der Aufnahme zusammenfallen.

Pressetext

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Wendelien van Oldenborgh
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