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We love animals. 400 Jahre Tier und Mensch in der Kunst
1. Juli bis 15. Oktober 2017
Vernissage: 30. Juni 2017, 19 Uhr

Unsere Beziehung zum Tier ist ambivalent. Zum einen lieben wir Tiere zum anderen produzieren wir sie in Massen und essen sie. Nie zuvor hatte das Thema eine solche ökologische, ökonomische wie philosophische Relevanz. Unter dem Titel We love Animals widmet das Kunstmuseum Ravensburg dem Tier jetzt seine große Sommerausstellung. Angeregt von dem Werk Eine Cobra-Gruppe (1964), aus der hauseigenen Sammlung Peter und Gudrun Selinka, nimmt die Schau aus kunst- und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Mensch-Tier-Beziehung vom 16. Jahrhundert bis heute in den Blick und zeichnet erstmals mit über 100 Werken aus öffentlichen und privaten Sammlungen die Entwicklung einer empathischen Tier-Mensch-Beziehung bis in die Gegenwartskunst nach.

Den Auftakt der umfassenden Schau macht das Rhinozeros von Albrecht Dürer. Dieses kam 1515 als Geschenk für den portugiesischen König im Hafen von Lissabon aus Indien an. Der Künstler selbst hat es nie zu Gesicht bekommen, sondern aufgrund eines Augenzeugenberichtes seinen berühmten Holzschnitt angefertigt. Aus naturwissenschaftlichem Interesse an der Tierwelt entstanden in der Neuzeit zahllose Stiche von wilden und exotischen Tieren wie Bären, Elefanten und Löwen, die ihr kurzes Leben für die Nachwelt so naturgetreu wie möglich festhalten sollten.

Im 19. Jahrhundert wandelte sich mit der Domestizierung des Tieres auch dessen gesell-schaftliche Stellung, das Nutztier wurde zum Haustier. Tiere stiegen zu „Familienmitgliedern“ auf und wurden Teil der bürgerlichen Lebenskultur. Hunde, Hasen und Katzen wurden zur éducation sentimentale, zur Gefühlskultivierung als Erziehungsgehilfen für pädagogische Zwecke eingesetzt. Demzufolge sind sie nicht mehr Staffage, sondern finden sich, wie die Katze auf dem Gemälde Nini mit der Katze (1897) bei dem Maler Max Slevogt, als Spielpartner auf den Kinderporträts des Adels und des Bürgertums wieder.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vergrößerte sich die Kluft zwischen Mensch und Tier durch die zunehmende Verstädterung. Während die Pferde zunehmend aus unserem Alltag verschwanden, wurden sie im Gegenzug in der Kunst als Träger von vitalen Naturkräften idealisiert. Expressionisten wie Franz Marc und Renée Sintenis versenkten sich in das Seelenleben der Tiere und schufen Tierbilder und Plastiken, die das Wesen des Tieres und die zunehmende Gefühlssymbiose von Mensch und Tier veranschaulichen. Mit der Performancekunst der 1970er Jahre fanden erstmals tote und lebende Tiere Eingang in die Kunst. Ziel der Künstler war es, Tiere nicht nur zu instrumentalisieren, sondern als Lebewesen in Erscheinung treten zu lassen und für sie auch politisch Partei zu ergreifen. 1967 gründete Beuys eine Partei für Tiere und Harald Naegeli rebellierte als Sprayer von Zürich gegen die Ausgrenzung des Animalischen mit seinen Tier-Graffiti im öffentlichen Raum.

Mit der beschleunigten Ausrottung der Arten und neuen Erkenntnissen der Tierforschung, die belegen, dass Tiere denken und Gefühle haben, ist unsere anthropozentrische Sichtweise der Tiere heute in Frage gestellt. Unter dem Stichwort Animal Turn etablieren die Wissenschaften einen Tier-Mensch-Dialog auf Augenhöhe. Stellvertretend für diese neue Hinwendung zum Tier in der Kunst stehen beispielsweise Krõõt Juurak und Alex Bailey. Unter dem Label Performances for Pets hat das Künstlerpaar Aufführungen speziell für Haustiere entwickelt. In ihren Performances, die sie im Rahmen unserer Ausstellung erstmals im Museum durchführten, wenden sich die beiden durch Mimik, Geräusche und Bewegung speziell an die Tiere und setzen diese damit als Akteure ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Performances mit regionalen Hunden wurden gefilmt und werden im Rahmen von We love Animals als ortspezifisches Projekt der Öffentlichkeit präsentiert.