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Was, wenn ...?
Zum Utopischen in Kunst, Architektur und Design
3. April bis 20. September 2020

Vom 3. April bis 20. September 2020 zeigt das Neue Museum Nürnberg unter dem Titel Was, wenn ...? eine interdisziplinäre Ausstellung zum Utopischen in Kunst, Architektur und Design. Dabei treten Positionen der Gegenwart in Dialog mit ausgewählten Referenzen der 1960er- und 1970er-Jahre. Zum einen verhandeln sie die Utopie als abstrakte Idee oder erheben sie selbst zum Werkprinzip. Zum anderen reflektieren sie bereits existierende Utopien und stoßen Perspektivwechsel sowie alternative Zukunftsmodelle an. Dabei geht es um das Verhältnis des Menschen zur Gesellschaft, zur Umwelt und zu neuen Technologien, aber auch um Modelle für Stadtentwicklung, Bilder von Staaten und Staatsgemeinschaften sowie Potenziale und Grenzen einer globalisierten Welt. Die Ausstellung nimmt die Forderung nach neuen Utopien für das 21. Jahrhundert auf, wie sie beispielsweise der Utopieforscher und Politikwissenschaftler Richard Saage formuliert. Sie möchte dazu anregen, gesellschaftliche Diskussionen und Zukunftsvisionen nicht über dystopische Ansätze zu kreieren, sondern mit einem produktiven Diskurs neue und alternative Denkmodelle zu fördern.

Während die 1960er- und 1970er-Jahre nach den zwei Weltkriegen von zahlreichen utopischen Entwürfen und Visionen der Zukunft geprägt waren, intensivierte sich in der Postmoderne wieder die Diskussion um die Gefahren des Totalitären, die aus ganzheitlichen, kompromisslosen Utopien drohen. Darüber hinaus zeichneten zunehmend dystopische Erzählungen warnende Szenarien einer dunklen Zukunft insbesondere im Hinblick auf Umwelt und Technologien.

Heute dagegen mehren sich die Stimmen aus verschiedensten Disziplinen, die neue Utopien für unsere Gegenwart fordern, um Diskurse wieder offener, positiver und produktiver zu gestalten. Dies bedarf eines aktualisierten Utopiebegriffs, der sich auch aus einer kritischen Reflexion der Geschichte generiert.

Das 20. Jahrhundert hat dafür zwei wesentliche Erkenntnisse gefördert: Zum einen kann es keine ideale oder beste Gesellschaft geben. Heute geht es vielmehr um bessere Gesellschaften. Zum anderen müssen Entwürfe in einer globalisierten Welt, deren gesellschaftliche Fragestellungen und Ziele immer komplexer werden, Teilüberlegungen sein.

Begreift man wie die britische Soziologin Ruth Levitas die „Utopie als eine Methode“ und nicht als ein Ziel, gewinnt das Konzept für die Gegenwart unmittelbare Bedeutung. Die Utopie eröffnet so einen geistigen Freiraum für eine kritische und produktive Reflexion unserer Gegenwart und Zukunft. Damit bildet sie ein großes Potenzial für Kunst und Gestaltung als kreative Motoren der Gesellschaft.

Die Ausstellung Was, wenn ...? präsentiert über 30 internationale Künstler_innen und Gestalter_innen, die das Potenzial des Utopischen verhandeln. Während beispielsweise das belgische Architekturkollektiv Traumnovelle in seiner Installation genau jenen geistigen Freiraum als Grundbedingung von Utopien eröffnet, reflektieren das kubanische Künstlerduo Los Carpinteros (Dagoberto Rodríguez Sánchez und Marco Antonio Castillo Valdés) und das österreichische Designerduo mischer’traxler (Katharina Mischer und Thomas Traxler) die Wirkmacht und Fragilität von Utopien. Die chinesische Künstlerin Cao Fei stellt automatisiertes und kreatives Handeln sowie das Verhältnis von individuellen und gesellschaftlichen Utopien gegenüber. Werke des koreanischen Künstlers Nam June Paik oder der Deutschen Martin Kippenberger und Joseph Beuys widmen sich der globalen Vernetzung und dem Überwinden von realen und geistigen Grenzen.

Richard J. Dietrichs Meta-Stadt tritt als Beispiel modularer Stadtplanung der 1960er-/1970er- Jahre in den Dialog mit der Collage idealer und utopischer Städte des 20. und 21. Jahrhunderts von WAI Architecture Think Tank (Cruz Garcia & Nathalie Frankowski). Das dänische Büro Gehl Architects und das österreichische Designer- und Architekturstudio Wideshot zeigen, wie die Stadt der Zukunft im Einklang mit smarten Technologien, Nachhaltigkeit und lebenswertem öffentlichem Raum aussehen könnte. Projekte wie Roadmap 2050 von OMA in den Niederlanden oder The European Balcony Project des European Democracy Labs aus Berlin stellen einen Bezug zur aktuellen Politik her und initiieren mit ihrem Vorschlag für ein nachhaltiges gemeinsames Energienetz beziehungsweise der Forderung nach einer europäischen Republik zugleich die Frage, wie wir heute Europa überhaupt sehen können und wollen.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung alternative Perspektiven zu unserem Verhältnis zu Technik und Natur auf. Das britische Designerduo Dunne & Raby widmet sich beispielsweise dem potenziellen Zusammenleben von Mensch und Robotern. Der australische spekulative Architekt Liam Young visualisiert die Utopie einer Planet City, in der die gesamte Menschheit lebt und den Rest des Planeten der Natur überlässt. Die britische Designerin Alexandra Daisy Ginsberg kreiert schließlich die Utopie einer Marsbevölkerung durch Pflanzen, bei der nicht der Profit des Menschen durch Ausbeutung an erster Stelle steht. Beteiligte Künstler_innen

Gezeigt werden Beiträge u. a. von Joseph Beuys, Richard J. Dietrich, Dunne & Raby, European Democracy Lab, Cao Fei, Peter Fischli / David Weiss, Gehl Architects, Alexandra Daisy Ginsberg, Mike Kelley, Los Carpinteros, mischer’traxler, OMA, Nam June Paik, Yara Said / The Refugee Nation, Traumnovelle, WAI Architecture Think Tank, Wideshot, und Liam Young.