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Wie kann man die zeitliche und räumliche Unmittelbarkeit einer Performance dokumentieren? Laut der Theoretikerin Peggy Phelan ist dies nicht möglich. Ihre spezifische Form nimmt eine Performance erst durch ihr Verschwinden an, ihre Dokumentation ist lediglich eine Erinnerungsstütze. „Für die Ewigkeit“ hinterfragt diese hierarchische Struktur, in der das Dokument der Performance untergeordnet bleibt. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten entfalten sich zwischen der Geste des Präsentierens und des Repräsentierens, zwischen Präsenz und Vermittlung, zwischen Widerholung und dem einzigartigen Moment.

Simon Dybbroe Møller untergräbt spielerisch die nostalgischen Konnotationen des Dia-Projezierens und thematisiert mit seiner Arbeit, dass seine eigene Generation frühe Arbeiten der Performance-Art hauptsächlich durch die kunsthistorische Repräsentation kennt. Diese Tatsache ist auch in den Bildern von Hayley Newman zentral. Zunächst muten ihre Bilder wie eine visuelle Aufzeichnung der Performances der Künstlerin an, tatsächlich haben die Performances aber nur für die Foto-Session selbst existiert. Eine ähnliche Unsicherheit bezüglich der Frage, ob der Künstler tatsächlich eine Aktion aufgeführt hat, finden wir in einem Foto von David Lamelas von 1974, das den Künstler als Rock-Star auf einer Bühne zeigt. Das Foto führt vor, wie die Art der Darstellung unsere Einschätzung und Wahrnehmung von Identität bestimmt.

Jede Performance braucht ein Publikum, und wenn niemand da ist, um zuzusehen, ist eine Videoaufzeichnung eine angemessene Lösung. Yorgos Sapountzis ließ eine Webcam an einem historischen Gebäude in Berlin seine einsame nächtliche Performance aufzeichnen und lud sich später die Bilder aus dem Internet herunter: eine Arbeit, die ein gleichzeitig exklusives und unkalkulierbares Publikum einbezog, da potentiell jeder mit einem Internet-Anschluss zuschauen konnte. Auch Pernille Kapper Williams thematisiert die Un/Zugänglichkeit ihres Publikums: indem sie ein Tonband mit einer Lesung aus einem Dänisch-Deutsch Wörterbuch präsentiert, schließt sie die performativen Aspekte von Sprache kurz, da das Hörstück nur visuell zugänglich ist. Das Projekt von Mandla Reuter und Alexander Wolff ist auf einer anderen Art subversiv, indem es den Anfang eines Ereignisses darstellt, das letztes Jahr stattfand und das von einem großen Personenkreis „aufgeführt“ wurde, die alle einen Schlüssel und eine Einladung zu einer Wohnung in Warschau erhalten haben. Von dem Projekt existiert keine Dokumentation, lediglich die Geschichten die (hauptsächlich in der Kunstwelt) im Umlauf sind. Die Arbeit von Danh Vo ist das Ergebnis von mehreren performativen Aktionen, zu denen von vornherein kein Publikum eingeladen war: Heiratsurkunden oder offizielle Diebstahls-Anzeigen werden gerahmt und als Selbstportraits ausgestellt. Sie sind ein einfaches Zeugnis mit einem hohen Grad an „Authentizität“ gegenüber der in den Arbeiten von Newman und Lamelas bewiesenen Unzuverlässigkeit der Photographie.

Die gezeigten Objekte – ob Videos, Dias, offizielle Dokumente, ein Tonband oder ein Schlüssel – sind vielleicht für die Ewigkeit bestimmt; dennoch besitzen sie performative Qualitäten.

„Für die Ewigkeit“ ist die letzte Ausstellung einer sechsteiligen Serie mit dem Titel „Was Wäre Wenn“. Am Ende der Ausstellung erscheint über die gesamte Ausstellungsreihe eine umfassende Publikation.

Das Projekt wurde gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

Presestext

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Was Wäre Wenn #6
Für die Ewigkeit
Kuratiert von Henrikke Nielsen

mit David Lamelas, Simon Dybbroe Moller, Hayley Newman, Mandla Reuter/Alexander Wolff, Yorgos Sapountzis, Pernille Kapper Williams, Danh Vo