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Eröffnung 26.09.2009, 11:00 Uhr Space01

Wenn wir heute auf Andy Warhol schauen, dann betrachten wir das Werk eines „Jahrhundertkünstlers”. Was Pablo Picasso für die ersten 6 Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts darstellt, gilt bei Warhol nicht nur für den Rest des 20., sondern auch für das 21. Jahrhundert. Warhol ist nun schon 22 Jahre nicht mehr unter uns. Zu Lebzeiten war er bereits ein Mythos und als „celebrity” und öffentliche Person bekannt. Dieser Umstand gehörte zu seiner Strategie. Wie eine Sphinx, als die er oft bezeichnet wurde, verstand er es, seine wahre künstlerische Bedeutung hinter medial inszenierten Camouflagen zu verstecken. Er entwickelte daraus ein komplexes künstlerisches Prinzip, das erst in den letzten Jahren in seinem vollen Umfang lesbar wird. Das bedeutet auch, dass Warhol gerade jetzt zu diesem überragenden Künstler wird und am Markt Preise erzielt, die jenen von Picasso oder den Impressionisten entsprechen. Ebenso ist für die nächsten Jahre eine wahre Flut von Ausstellungen zu seiner Person zu erwarten.

Die Natur des Werks und Warhols Umgang mit seinem Mythos eröffnen ungezählte Möglichkeiten der Interpretation. Ein Aspekt, der seine Bedeutung zusätzlich verstärkt. Klassische und thematische Interpretationen finden wir ebenso wie zeithistorische und solche, die die persönliche Biografie zum Inhalt haben.

Die vorliegende Ausstellung versucht, auf den Kern und die revolutionäre Sprengkraft des Werkes zu stoßen. In der amerikanischen Malerei geschah in den 1950er Jahren mit dem Werk von Barnett Newman ein Sprung in eine neue Welt. Der politisch und gesellschaftlich sehr engagierte Maler entwickelte eine fundamentale, abstrakte Formensprache, die den physischen, mentalen und spirituellen Raum, wie wir heute wissen, gänzlich neu definierte. Seine Radikalität ging viel weiter als die der Kollegen seiner Generation wie Mark Rothko oder Clifford Still. Bei Warhol und der Pop Art verhält es sich ähnlich. Auch er geht mit seinen Ansätzen viel weiter als Maler wie Lichtenstein oder Rosenquist und hinterfragt sowohl die Malerei als Medium, wie er auch die Existenz und die Funktion von Bildern in einer Weise thematisiert, die bislang kaum möglich schien und durch heutige Entwicklungen der Medienwelt in einem ungeahnten Maß bestätigt wird. Diese Aspekte sind für unsere Ausstellung bedeutsam.

Wir gehen davon aus, dass Warhol in einer bestimmten Phase seines Werks in den 1960er Jahren konkret auf Newmans Werk referiert. Die Ausstellung wird prominente Bilder aus diesen Jahren zeigen. Es ist die Zeit, in der Warhol seine „Klassiker” formuliert, sich aber auch sukzessive immer stärker dem Filmschaffen zuwendet. Das bedeutet für uns, dass wir neben der Ausstellung der malerischen Positionen unter dem Titel Screening the Real auch Warhols Filmschaffen mit Film- und Medieninstallationen reflektieren und in einen vergleichbaren Kontext setzen werden.

Für das Kunsthaus Graz ist es aber auch wichtig, diese Überlegungen aus einem aktuellen Blickwinkel anzustellen. Wie wir bei der Ausstellung Die Götter im Exil mit den Augen Albert Oehlens einen Blick auf Salvador Dalí und Arnold Boecklin geworfen haben, so ist für dieses Projekt einer der aktuell bedeutendsten Maler, Christopher Wool, unser Partner. Für jemanden wie ihn ist Kunst und der Umgang mit Bildern ohne Warhol unvorstellbar geworden, denn seit den 1980er-Jahren arbeiten sich Künstler an diesem Phänomen und seinen Folgen in der Kunst- und Medienwelt ab. Bei Wool ist so in der besten Tradition der amerikanischen Malerei ein äußerst radikales Werk entstanden. Zusammen mit dem Künstler haben wir uns entschieden, bei der Auswahl seines Werks verstärkt die sogenannten Word Paintings zu berücksichtigen. Sie stellen einen weiteren Schritt in der Mediatisierung des Bildes dar und verbinden in einer mit Warhol vergleichbaren Radikalität Unmittelbarkeit, Indifferenz und Engagement, eine Mischung von Begriffen, die in herkömmlicher Weise nicht üblich, ja sogar widersprüchlich, aber dafür umso explosiver ist. „Cool” wäre das in einem anderen Jahrzehnt genannt worden.