press release only in german

Ort: ZKMax

Finissage: So. 10.09.06, 20 Uhr, im Rahmen der Open Art: Die Ponybar präsentiert »Evil Knievel featuring Super A« und das Kammerflimmer Kollektief [Karlsruhe]

Das Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt videoUNDERground spielt auf zwei Ebenen das Motiv des »Unter-Grund« an. Auf einer ersten Ebene sind die Videos in der Passage des ZMax ganz offensichtlich im Untergrund, unter der Oberfläche des öffentlichen Stadtraums ausgestrahlt. Auf einer zweiten Ebene meint »Unter-Grund« auch »unter der eigenen Oberfläche«. Das ZKMax liegt in unmittelbarer Nähe zur Maximilianstrasse, einer der prunkvollsten Strassen Münchens. Mit ihren Luxusangeboten und Szenepartys wirkt sie als Synonym überspitzten Oberflächen-Scheins und wird zu einer Hintergrundfolie, vor der das eigene ebenso nötige wie unabdingbare Zweifeln und Scheitern, die unsichere und tastende Bewegung im sozialen wie im eigenen psychischen Untiefen keinen Ort zu haben scheint.

Die Arbeiten von videoUNDERground greifen in ihren unterschiedlichen Begegnungen mit den untergründigen, dunkleren Seiten des gesellschaftlich sozialen wie individuellen Bewusstseins auch die historische Situation der Passage in der Maximilianstrasse als Kunstraum auf. In der Verbindung aus Video und Aktion wird Bezug genommen u.a. auf so wichtige und international beachtete Veranstaltungen wie »Performance 79«, in denen in damals entsprechender Form die Rolle von Kunst und Öffentlichkeit in unmittelbarer Konfrontation ausgelotet wurde. Dem dort in zahlreichen Arbeiten zentralen Motiv der Konfrontation von Normen und Tabus, dem Aufdecken des psychologisch und gesellschaftlich Untergründigen, tritt in videoUNDERground eine jüngere Generation von Künstlern mit ihrer Arbeit an diesen Fragen gegenüber. Den gesellschaftlichen und künstlerischen Entwicklungen entsprechend, reagieren sie in neuer Form auf Motive des Scheiterns an Konventionen und gesellschaftlichen Bedingungen. In ironisch aufgeklärter Weise stellen sie Brüche her, die in ihren medialen Inszenierungen ästhetisch aufbereitet sind.

Teil I von videoUNDERground ist ein Programm aus Videos und Videoinstallationen für den 24 Stunden öffentlich zugänglichen Screeningspace des ZKMax. Zu sehen sind Arbeiten von Heike Aumüller, Yvonne Leinfelder, Renata Sas/Claudius Böhm, Wolfgang Stehle, Cornelia Büschbell, Nicole Blaffert/Franz Wamhof und Alexandra Ranner

Teil II ist ein Veranstaltungsabend am 10. September 2006, an dem die Videopositionen durch auf sie bezogene Performances erweitert und in den tatsächlichen Raum des Betrachters hinein transportiert werden. Zur Finissage des Ausstellungsprojektes videoUNDERground und zum Finale der Open Art lädt die Ponybar [Yvonne Leinfelder, Susu Gorth, Heidi Mühlschlegel] im ZKMax zu einem Performance-Abend mit Party ein.

In seiner Performance »Evil Knievel featuring Super A« bringt der weiße Superheld Evil Knievel sein Alter Ego, sein lange verborgenes »zweites ich« und schwarzen Gegenpart »Super A« ans Licht und gibt Einblicke in seine innersten Träume und Wünsche.

Das Kammerflimmer Kollektief ist ein Bandprojekt der Karlsruher Künstlerin Heike Aumüller und einem wechselnden Team von Musikern. Ihre jüngste Produktion »Absence« dreht sich um das [nahezu] Abwesende. Die Absenz ist Bedingung des Präsenten, verhilft der Kunst des Kollektiefs überhaupt erst zur Existenz. Der konsequente Nichtvollzug, das lediglich Mitschwingen lassen, das scheinbar einfach so in den Zusammenhang Geworfene wird zum Wesensmerkmal.

Mit Heike Aumüller, Yvonne Leinfelder, Renata Sas/Claudius Böhm, Wolfgang Stehle, Cornelia Büschbell, Nicole Blaffert/Franz Wamhof und Alexandra Ranner.

Werke [Videoprogramm] :

° Heike Aumüller: »Absence«, 2005 Video, 4:15 Min. In ihrer deutlichen Ironisierung des Splatterkinos und filmischer Gewaltszenen bricht Aumüller die immer noch wirksamen öffentlichen Tabuisierungen der Selbstgewalt auf. Sie löst sie aus der Effekt heischenden Berichterstattung der Printmedien und dem rein an Zuschauerzahlen orientierten Voyeurismus der nachmittäglichen Talk-Show heraus und inszeniert sie mit Wirkung einer künstlerisch unmittelbaren Konfrontation.

° Nicole Blaffert/Franz Wamhof: »Your World Is So Far From The World I Know«, 2006 Video, 10:37 Min. Die Arbeit verbindet die Ansicht einer anonymen nächtlichen Stadt mit einem Audioausschnitt aus dem Actionfilm »Bullitt« [USA 1968, R: Peter Yates]. Parallel zu der ungeschnittene Ansicht einer nicht allzu stark befahrenen Strasse, von beleuchteten Wohnblocks und Bürogebäuden ist in voller Länge der Ton einer rund 10 minütigen Verfolgungsjagd per Auto zu hören, die durch ihre Dramaturgie und Konzentriertheit stilbildend wurde. Charakteristisch für diese legendäre Filmszene ist auch, dass auf Dialoge gänzlich verzichtet wurde und die akustische Dramaturgie rein über anfängliche Musik und später dann nur noch über die Geräusche der Verfolgungsjagd gestaltet wird. Ebenso wie die Totale der Stadtansicht nicht bearbeitet wurde, so wird auch der Ton in Echtzeit und ohne Schnitte eingesetzt. Verbunden über das Motiv der Autofahrt und sich ähnlich in ihrer Reduziertheit und Faktizität sowie durch die formale Stringenz der Verwendung des Materials, [De-]Codieren sich die divergente Bild- und Tonebene gegenseitig. Das dokumentarische, kontextlose, banale Bildmaterial und der fiktionalen Filmton treten in ein vielschichtiges Wechselspiel ein, das Gestaltungsparameter und Bedeutungsgeneration des Medium des bewegten Bildes sichtbar macht und reflektiert. Nicole Blaffert [1973] und Franz Wamhof [1963] studierten Medienkunst/Fotografie an der HfG Karlsruhe. Aktuell sind sie Gastkünstler am ZKM | Institut für Bildmedien.

° Cornelia Büschbell: »Von einem Ende zum Anderen«, 2001 Video, 4:20 Min. Die in heiter bunten Farben und entspannter Stimmung vorgetragene Leere des Videos wirkt ambivalent: Die Seiten der Bücher sind ebenso unbeschrieben und rein, wie inhaltslos. Die vorgetragene Dauer ohne Handlung wird zur Konfrontation mit dem Nichts, ganz entgegen dem Prinzip der »Durée« im Bergsonschen Sinne - man stößt auf nichts, verändert aber auch nichts. Nur die leeren Bücher haben schließlich eine andere Position.

° Yvonne Leinfelder: »Yoma«, 2005 Video, 7:21 Min. »Yoma« ist der Titel eines japanischen Animes, der hier auf einem Fernsehmonitor vor einem weißen Kaninchen läuft. Das Licht der Filmszenen beleuchtet das Tier indirekt, und spiegelt seine Bilder in der Pupille des Tieres. Der Sound des Films bestimmt die Szenerie. In seiner Verbindung von Naturwesen und überzüchtetem Haustier ist das Tier ebenso Reflexions- und Projektionsfläche, wie es selbst Akteur bleibt, da sich seine Reaktionen vom indirekten Bildgeschehen nicht ableiten lassen.

° Renata Sas/Claudius Böhm: »Learning to be a tourist«, 2004 Video/Animation, 13 Min. Mit ihrer Arbeit reflektieren die in Karlsruhe lebenden Künstler Claudius Böhm [1966] und Renata Sas [1972] den heutigen Tourismus als eine »Virtualisierung« des Reisens. Ansatzpunkte sind dabei die dem Tourismus zugrunde liegenden globalen ökonomischen und technologischen Strukturen, die mittels Webcambildern und den zugehörigen Computerdaten sowie visualisierten Wirtschaftsdaten thematisiert werden. Bilder von über den ganzen Globus verteilten Webcams, die entfernteste Orte für den Digital-Reisenden stets verfügbar machen, werden verbunden mit Programmdaten zur Standortbestimmung von Computern, die diese virtuelle Reise ermöglichen. Distanzen werden so aufgehoben und Wege sind nur noch Rechenoperationen, digitale Routen, deren Verlauf und geografische Verortung für den Nutzer sonst unsichtbar sind und die durch die Flexibilität von Informationsinfrastrukturen arbiträr sind. Aber auch die Zielorte selbst scheinen zu verschwinden: Die nur einen Mausklick entfernten Städte und Landschaften oder Klischeebilder der Ferne, die man bereisen möchte, erscheinen austauschbar. Sehnsuchtsziel ist die lokale Uniformität, sind global angeglichene Freizeitumwelten, deren Infrastrukturen überall gleiche Unorte aus Verkehrs- und Handelswegen entstehen lassen. Gegenübergestellt werden diesem Verlust der Ferne grafisch aufbereitete Daten über die Entwicklung der Tourismusbranche zu einem der stärksten den Globus umspannenden Wirtschaftszweige.

° Wolfgang Stehle: »Comicline«, 2003 Animation, 2:26 Min Als Selbstportrait im Stil eines Manga Comics blickt Stehles gezeichnetes Alter Ego aus dem Bild. Beharrlich scheint die Figur den gleichgültigen und beschönigenden Ablehnungen der eingespielten Sätze standzuhalten. Lediglich die zitternden Lichtreflexe in den Augen des tragischen Helden signalisieren Emotion. Statt mit einer Starpose konfrontiert Stehle den Betrachter mit einer künstlichen Darstellung eines unerfolgreichen Modells. Dem psychologischen Disaster der assoziierten sozialen Situationen kommt er eben in der Künstlichkeit nahe.