press release only in german

In Veron Urdarianus Bildern steht die Zeit still. Seine architektonischen Situationen schweben in einem unbestimmten Bildraum, dessen dumpfe Lackfarbe wie trübes Wasser wirkt, in dem keine Bewegung möglich ist. Die Silhouetten von Häusern, Hügeln und kantigen Elementen scheinen in den pastelligen Braun-, Grün- und Ockertönen wie erstickt, die Bewohnbarkeit der Szenarien ist offensichtlich ausgeschlossen. Verlassen und trostlos vermitteln die Orte eine unheimliche Atmosphäre, die aus der Vorstellung unbewohnter Behausungen resultiert.

Der krude, zeichnerische Charakter von Urdarianus Gemälden entstammt der Herkunft des Künstlers aus der architektonisch ambitionierten Bildhauerei. Die Beschäftigung mit dem dreidimensionalen Raum fließt in seine Malerei ein, indem Urdarianu auch auf der Bildfläche ein irritierendes Spiel mit der Perspektive betreibt. Vorder- und Hintergrund lösen sich auf zugunsten eines Nebeneinanders von dichten Farbflächen, die keine eindeutige Zuordnung von Nähe und Ferne zulassen. Zarte Einkerbungen in den dick aufgetragenen Lackschichten deuten bauliche Strukturen an, was den Bildern einen objekthaften Charakter verleiht. Sie gehören damit schon fast der Gattung des Reliefs an, jedoch ohne aus ihrem beengenden Bildraum auszubrechen.

In ihrem Spiel mit der Flächigkeit erinnern die Bilder an die Arbeiten früher abstrakter Künstler wie Cézanne, de Chirico oder Malewitsch, die ebenfalls architektonische Motive für ein Ausloten perspektivischer Möglichkeiten heranzogen. Offenbar eignet sich die Darstellung von Gebautem besonders dafür, Bildelemente als utopische Konstrukte im Raum schweben zu lassen und eine düstere Stimmung heraufzubeschwören. Denn darum geht es Urdarianu: Er will eine gedämpfte, isolierende Atmosphäre schaffen, die keine Eindeutigkeit sondern eine bizarre Melancholie verströmt – vielleicht ein Relikt seiner osteuropäischen Herkunft.

Für den realen Raum schafft Urdarianu Skulpturen, die wie verspielte Architekturmodelle daherkommen. Aus handwerklichen Alltagsmaterialien bastelt er flexible Arrangements, die entweder auf einzelne Bauelemente reduziert sind oder in Puppenhausgröße Gebäude darstellen, die oft multifunktionalen Charakter besitzen: Mithilfe von Scharnieren kann manche Form überraschend verändert werden. Als Hommage an die Bauhaus-Vision vom Gesamtkunstwerk verbindet Urdarianu Skulptur und Architektur zu wohnlichen Einheiten im Miniaturformat, denen er durch die Verwendung von Farbe auch eine malerische Qualität verleiht. Baumarktstoffe wie Sperrholz oder Plastik werden mit vorgefundenen Materialien kombiniert: Bauhaus-Ästhetik und Ready-Made ergeben zusammengesetzt Wohncontainer auf Kniehöhe, die einerseits disparate urbane Situationen wie Slums oder Vororttristesse evozieren, andererseits originelle Beiträge zu Architekturwettbewerben sein könnten. Durch diese spröde, artifizielle Materialität und den Verweis auf soziale Phänomene sind die Skulpturen ganz in der heutigen Zeit angesiedelt.

Hauptmerkmal von Urdarianus Gebäudevisionen ist die Einsamkeit. Ihre Unbehaustheit evoziert eine befremdende Stimmung, wie sie auf halbfertigen Baustellen oder leeren Spielplätzen auftaucht. Der Mensch hat zwar den Raum baulich definiert und ihn für den täglichen Gebrauch konzipiert, doch führt seine Abwesenheit die Funktion solcher Schutzräume ad absurdum. Ein Haus ohne Bewohner ist überflüssig. Da der Betrachter jedoch die Möglichkeit des Lebens hineinprojiziert, erhalten die leeren Räume eine organische Dimension, was ein Gefühl der Unheimlichkeit weckt. Die Bilder und Skulpturen werden dadurch im wahrsten Wortsinn zu Stillleben, denen eine geheimnisvolle Morbidität und zugleich eine harmlose Verspieltheit innewohnt.

Mit dem Haus zitiert Urdarianu ein großes Thema in der Kunst, das besonders seit den 60er Jahren immer wieder heraufbeschworen wird: Von Dan Grahams „Homes for America“, Gordon Matta-Clarks brutalen Dekonstruktionen realer Gebäude über Bernd und Hiller Bechers typisierte Fassadenfotos, Ludgar Gerdes’ Modellbauten, Rachel Whitereads Abguss eines Londoner Vorstadthauses bis hin zu Manfred Pernices Spanplattengebilden, Andrea Zittels Wohnwagenparaden und Gregor Schneiders „Haus UR“ lassen sich daran menschliche Daseinsformen immer wieder neu definieren.

Veron Urdarianu wurde 1951 in Bukarest geboren, wo er in den 60er Jahren zu malen begann. In den 70er Jahren übersiedelte er in die Niederlande. Hier studierte er an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam Bildhauerei. Erstmals ausgestellt wurden seine Arbeiten Anfang der 80er Jahre in den Niederlanden. Die erste bedeutende Ausstellung seines Werks folgte 2005 im Rahmen einer Gruppenschau der Sammlung Goetz, München „Imagination Becomes Reality, Part II: Painting Surface Space". Bei Arndt & Partner Berlin ist nun erstmals eine Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland zu sehen.

Gesine Borcherdt

Pressetext