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Im Zentrum der Ausstellung stehen unterschiedliche künstlerische Strategien, die sich mit dem vielfältigen Phänomen des urbanen Raumes auseinandersetzen. In Videoarbeiten, Collagen und Fotografien untersuchen die Künstlerinnen und Künstler, die alle in München zum ersten Mal ihre Arbeiten vorstellen, die Produktion von Urbanität und die damit einhergehenden Wahrnehmungscodes. Aber auch zwischenmenschliches Verhalten und Kommunikation im öffentlichen Raum wird reflektiert. Nicht zuletzt wird dabei auch der unbewusste oder symbolische Gehalt städtischer Strukturen enthüllt.

FILIPA CÉSAR (*1975) ist mit ihren jüngsten Arbeiten zu einer der vielversprechendsten jungen Videokünstlerinnen avanciert. Die in Berlin lebende Portugiesin nähert sich in ihren Video- und Fotoarbeiten mit dokumentarischen Mitteln den alltäglichen Eindrücken des Stadtlebens: im Mittelpunkt steht dabei der Mensch im großstädtischen Raum und seine sozialen Verhaltensmuster. Die Protagonisten in Berlin Zoo (2001-2003) sind Passanten und Reisende, die sie unbemerkt in dem Moment gefilmt hat, in dem sie ungläubig, schockiert oder verärgert auf die Anzeigetafel mit Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Bahnhof blicken. Im Close-Up fixiert die Künstlerin die Gesichter dieser anonym bleibenden Menschen im täglichen Großstadtdschungel. Durch die voyeuristische Zurschaustellung ihrer intimen Reaktionen im öffentlichen Raum führt sie uns auf irritierende Weise das Bild unserer eigenen Existenz vor.

Aura (2004) stellt einen weiteren Außenblick auf unser tägliches Verhalten dar. Wir sehen, wie Personen mit Fotoapparaten wie bei einer Jagd das Objekt ihrer Begierde einkreisen. Das fotografierte Objekt, der Berliner Reichstag, bleibt dem Betrachter jedoch vorenthalten. Auch hier findet eine Inversion des Blicks statt °© das im öffentlichen Raum fotografierende Subjekt wird zum gefilmten Objekt. Die Künstlerin entlarvt dabei das Ritual des Fotografierens als typisches Verhalten des modernen Großstadt-Touristen. F for Fake (2005) hingegen ist ein Videofilm über Wahrheit und Fiktion, Kunst und Fälschung. Ausgehend vom letzten Dokumentarfilm des berühmten Schauspielers und Regisseurs Orson Welles mit seiner geschickten Montage von Film-Ausschnitten und Scheindokumentationen dekonstruiert Filipa César die Meta-Erzählung, indem sie weitere, das Geschehen analysierende Charaktere hinzufügt. Die Fotoarbeit The Viewer exemplifiziert sinnbildhaft diese Charaktere, die dem Betrachter im Close-Up als Gegenüber vorgeführt werden.

TINE BENZ (*1969) aus Berlin verwandelt einen Raum der Galerie in ein speziell für den Ort geschaffenes, begehbares "Raum-Bild", das die Illusion einer dynamisch-utopischen Urbanität konkretisiert. Aus unterschiedlichen Materialien wie Klebeband, Aluminium, Folie sowie Versatzstücken von architektonischen Elementen, die sie meist im Internet findet und einer vielfältigen Bearbeitung unterzieht, setzt sie eine großstädtische Skyline zusammen. Verdichtet zur raumgreifenden Collage dringen die Motive über Wand und Boden in den Ausstellungsraum vor.

Dominierend scheint der Rhythmus einer dezentral ausufernden, haltlos wuchernden Metropole. Bedrohlich stürzende Perspektiven im vibrierenden Neben- und Ineinander dynamisieren das Bildgeschehen und akzentuieren den visionären Charakter des Stadtpanoramas, in dem man jedoch immer wieder einzelne Gebäude zu erkennen glaubt. Die Strukturen dieser fiktiven Stadtlandschaften greift Tine Benz auch im Medium Malerei und in kleinformatigen Collagen auf Papier auf. In ihren Kompositionen vereint sie verschiedene Bilder vom Topos Stadt, um eine vielschichtige und mehrdeutige Wahrnehmung zu erzielen. Gleich der visionären Architekturentwürfe der revolutionären Avantgarden des 20. Jahrhunderts verlässt sie die klare Perspektive zugunsten eines Ineinanderwirkens unterschiedlicher raumzeitlicher Strukturen, die mit dem realen Raum interagieren.

Die 1998 gegründete Künstlergruppe TERCERUNQUINTO aus Monterrey bzw. Mexiko City verspricht einen authentischen Blick auf die aktuelle mexikanische Kunstproduktion. Das Trio, bestehend aus Julio Castro Carreón (1976), Gabriel Cázares Salas (1978) und Rolando Flores Tovar (geb. 1975), erhielt 2004 auf Wunsch von Francis Alÿs einen Teil des ihm verliehenen Kunstpreises blueOrange. Bekannt wurden sie mit im öffentlichen Raum angesiedelten Arbeiten und Aktionen. Mit ihren Interventionen im Stadtraum, die bestehende architektonische Strukturen hinterfragen, stellen sie gewohnte Sehweisen in Frage. Sie untersuchen, wie das Verhalten der Menschen von der sie umgebenden Architektur bestimmt wird und wie andersherum die Menschen in ihrem Tun die Architektur formen. So verwandelten sie ein mexikanisches Museum in eine Lagerhalle für fliegende Händler oder befestigten in einer Aufsehen erregenden Aktion über Nacht in einem Stadtviertel von Monterrey einen Platz, der in der Folge zum zentralen Treffpunkt für seine Bewohner wurde. In der Galerie zeigen wir die Animation "enlargement of a green space" (2004), eine fiktive Aktion, die einen öden Parkplatz im Centro Historico von Mexiko City provokativ durch Grünflächen ersetzt.

Dr. Patricia Drück

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Urban Spaces
Stadt - Mensch - Raum
Kurator: Patricia Drück

Künstler: Tine Benz, Filipa Cesar, Tercerunquinto