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Bilder und Selbstbilder

Der Maler Urban Grünfelder selbst hätte einem Text über seine Malerei diesen schlichten Titel gegeben, meine ich. „Entschlacken“ ist das erste Wort, das mir zu seinen Arbeiten einfällt, deren Entwicklung ich als Betrachterin seit rund zehn Jahren nun mitverfolgen darf; weglassen, verdichten, konzentrieren - bis auf seine Leinwände nur mehr findet, was der Malerei unverzichtbar ist: Pigment und Fiktion.

Hintergründe in Acrylfarben, Figuren in altmeisterlichen Ölfarben, beides häufig in „signalistischen“ Farbtönen, recht nah am Allgemeingut der Farbwirkungen, nur stets die paar Nuancen verschoben, welche aus dem Allgemeinen das Individuelle machen und aus bloss Gemachtem Kunstwerke - nicht wenig. Vielleicht beginnt die Fiktion bei der Art seines Farbauftrages. Grünfelder vermeidet akribisch jeden Gestus, jeden individuellen „Strich“; die Energie, die ich in den opak monochromen Flächen sehe, nimmt der Maler selbst von ihren Oberflächen. Er verheimlicht uns Betrachtern gleichsam gerade das, was wir an vielen anderen Gemälden anderer Zeiten und Maler schätzen, auch ein Desiderat der akademischen Kunstgeschichte. Zugleich weiss Grünfelder nur zu gut um den Objektcharakter jedes Bildes, also um eine grundsätzliche Unverheimlichbarkeit dieses Tuns. Kurzum, er fordert uns heraus.

Offenkundige Geheimnisse - wir Betrachter hätten schon beim Stichwort Ölfarbe zu denken beginnen können. Für mich erstaunlich oft verwendet der Maler zu seinen Arbeiten das Wort „Kommunikation“. Aus diesem Bereich wissen wir, dass sich weniger Konkretes begegnet und interagiert, sondern viel mehr Wünsche, Sehnsüchte, Träume, Albträume, Projektionen, Phantasien - in Mythen, Metaphern, Symbolen. Ecce homo - und vielleicht ist dieses Sein nicht mehr als die umfassendste all unserer Fiktionen.

In der Regel ist auf den Bildern ein Mensch zu sehen, selten zwei. Nein, viel mehr etwas, was wir als „Logo“, als Signet, Symbol oder Metapher eines Menschen bezeichnen können: dessen abstrahierte Umrisse, stets ohne Gesicht, ohne individuelle Wiedererkennbarkeit, meistens ohne Geschlechtsmerkmale. Viele von Grünfelders Figuren könnten Frauen sein, freilich keine „lieblichen“, „runden“, vordergründig sinnlichen, sie bedienen keine Schemata. Urban Grünfelder sagt, im Grunde male er warscheinlich immer nur sich, ecce homo. Die Geschichten, die Zustände, wie gepresst und schockgefroren, kleben sie nun da, bewegungsunfähige Hüllen, gefangen in ihren Posen. Bewegen kann sich körperlich und geistig nur der Betrachter, die Betrachterin - dazu lädt uns der Maler ein.

Beispiele: eine dunkelblaue Figur hockt wie frierend in einem kaltblauen Wintermorgen, sie schützt ihre Extremitäten, ist physisch und psychisch einsam. Oder: ein grotesk verrenkter Körper, schützt seinen Kopf, verstopft seine Ohren, will agressiv nichts mehr hören an grausamen Schlagzeilen, hat genug seit der Kreuzigung, ist zusammengezuckt. Es liegt an uns. Wie weit wir die Essenz dieser Bilder hören und sehen wollen. Wie weit wir uns gestatten, aus unseren sozialen Hüllen, aus unseren Gesellschaftsmasken zu steigen und den nackten Anblick des anderen wie unserer selbst ertragen können.

Ein anderer Hockender aus diesem Panoptikum, Helmkopf, fast militärisch dunkelgrau, mit lustvoll aufgedrehten Zehen macht er sich breit am Bild und schießt, wie er meint, in die Welt - und erscheint uns doch wie ein aufgespiesster, sprichwörtlich dummer Affe, der seinen roten Käfig nicht verlassen wird. Ich möchte nicht entscheiden müssen, ob ich schieße, auch ohne Hoden. Die Dualität unserer Blicke, des Betrachtet-Werdens wie des Betrachtens ist immer ein Mit-Geteiltes.

Ein seltenes Bild mit zwei Figuren, identen frontalen Halbakten, mit leerem Hellblau zu einem Triptychon gruppiert, der Blick findet keinen Halt darin. Bedrohen sie uns? Wollen sie sich in die Leere der Nachbarbilder vereinzeln, brutaler vielleicht, als etwas unter Mehreren, Vielen, gemeinsam auszufechten, durchzustehen? Oder sind sie doch wieder nur ein „Ich“, soziale oder psychische Konflikte zwischen Dreien, Zweien, Einem.

Monika Gentner Pressetext

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Urban Grünfelder "Schockgefroren"