press release only in german

Suchen, spüren, finden, berühren, sehen, ertasten, applizieren, komponieren, zusammenfügen, vernähen, auftrennen. Uli Fischer tritt in seiner vielschichtigen künstlerischen Praxis in Kommunikation mit vorgefundenem Material, das durchdrungen ist von Zeit und Geschichte. Seine Werke spielen mit unseren Sehgewohnheiten und ästhetischen Erfahrungshorizonten – sie führen uns über die Epochen des Abstrakten Expressionismus und der Arte Povera in die Gegenwart. Allerdings geht er dem Bedürfnis nach Abstraktion nicht malerisch, sondern anhand der im Material vorhandenen Spuren des Gebrauchs und des Taktilen nach: Seine Bild-Objekte holen vor allem das bildnerische Wesen von textilem Material auf die Leinwand.

Auf Umwegen ist Fischer 2008 zu dieser künstlerischen Praxis gelangt, die auch konsequentes Resultat seiner Lebenspraxis ist: Uli Fischer kommt vom Taktilen, er lernte Strickmaschineneinrichter, studierte dann in den 1970er Jahren Kunst, erst an der FHS-Gestaltung Textildesign in Hannover, dann an der HBK in Braunschweig. 
Anfang der 1980er-Jahren lebte er in den USA, war Student an der UCLA, Los Angeles, und arbeitete als Kolorist. Mitte der 1980er zieht er nach Berlin und verfolgt weiter seine Studien der Farbfeldmalerei, der Schichtung von Farbe zu Körpern. 
Es ist die Suche nach der Reduktion und dem Wesentlichen, die er mit den Mitteln der Malerei durchdekliniert, parallel beschäftigt er sich mit Siebdruck auf Textilien. Er arbeitet am Theater und für den Film, als Szenenbildner und Ausstatter. Von 1986 bis 1991 betreibt er den Ausstellungsort ›Laden für Nichts‹ in Berlin-Kreuzberg. Anfang der 1990er beginnt er nach Asien zu reisen, zuerst nach Thailand, Indonesien und Burma. Dort entdeckt er den vereinnahmenden Charakter gebrauchter, traditioneller Textilien, die kultischen Zwecken dienen – aufgeladen mit heilender Wirkung, u. a. als Kraftträger oder Grabbeigabe. Er begann zu sammeln und gründete in Berlin die Galerie ›Kunst und Primitives‹ mit einem Ausstellungsprogramm, das zeitgenössische Kunst mit ethnografischen Gebrauchs- und Kultgegenständen in Dialog setzte. Sein frühes Interesse an Farbschichten konzentriert sich hier vor allem auf das ästhetische und affizierende Potenzial von Patina auf Objekten, Bildern und Geweben – der letzten Schicht, der Oberfläche, durch die Zeit und Gebrauch körperlich erfahrbar werden. Als ihm ein Fragment eines mit Indigo gefärbten Futons von 1920 in die Hände fällt, beginnt er nach einem Weg zu suchen, dem Wesen dieses ›Lappens‹ zur Geltung zu verhelfen, ohne es auf die Funktion eines Bildes oder Kunsthandwerkobjektes zu reduzieren. Er erstellt Trägermaterialien, Rahmen, die sich der Form des Stück Gewebes anschmiegen, vernäht und komponiert und verlässt die klassische Malerei. Fischer fügt die verschiedensten Ansätze seiner Beschäftigung zusammen und findet zu seiner künstlerischen Praxis – zu dem, was er ›immer schon sagen wollte‹. Es ist ein Weg der verschobenen Gesten und konsequenterweise verlässt Uli Fischer schließlich den Arbeitgeber Filmindustrie und konzentriert sich seitdem auf eine Verbindung seiner Kunst- und Lebenspraxis in der künstlerischen, aber auch handeltreibenden Beschäftigung mit traditionellen Geweben. Die Hersteller der Stoffe und ihre Vergangenheiten sind in das Material eingeschrieben – Fischer spürt dessen Ausdrucksmöglichkeiten nach und bringt sie mit einfachen Gesten zur Aufführung: Komplexe Bildwelten entstehen aus Reduktion und dem der textilen Physis innewohnenden Potenzial. In einem materiellen Denken bildet sich so nach und nach das Werk heraus, das aus dem Spannungsverhältnis von vorgefundenem Material und Begreifen-Wollen des Künstlers entspringt. 
Die Ausstellung ›Was ich immer schon sagen wollte‹ in der Reihe ›Einzelausstellung: nicht alleine‹ im Heidelberger Kunstverein ist Fischers erste institutionelle Einzelausstellung. Sie führt seinen Werkkomplex der letzten fünf Jahre zusammen und präsentiert diesen gemeinsam mit einem Audio-Guide. Es laufen keine Erklärungen, sondern Musik, die der Künstler beim Arbeiten im Atelier hört. Es ist eine Playlist, die mit Stücken von Karlheinz Stockhausen oder John Cage ebenso Referenzen an die Minimalisten spürbar werden lässt wie die eindrückliche Bildwelt von Uli Fischers Tableaus.