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Der Elektronik.Soundartist Mathias Fuchs entwickelte ausgehend von seinen Erfahrungen und Vorstellungen als Theoretiker und Künstler ein Modell zur zeitgenössischen Medien.Kunst, das er schon 1998 mit dem Schlagwort Toys ‘n’ Noise im O.K zusammenfasste. Die Internet.Künstlerin Margarete Jahrmann erweiterte diesen Ansatzpunkt als kuratorisches Modell im Hinblick auf Pop und die Videogamekultur als allgemein verständliche zeitgenössische gesellschaftliche Codes. Die mit Computergames grossgewordene "Joystick Nation" hat auch in der aktuellen Kunst eigene Verfahrenslogiken entwickelt. Toys ‘n’ Noise-Sounds und visuelle Codes in der Ästhetik und Struktur von Computer- und Videospielen gehören zum kulturellen Gedächtnis der Information Technology Society.

THE ARCADE - Die Spielhölle

Sound und Live-Events mit Publikumsbeteiligung werden zur Eröffnung von Toys ‘n’ Noise in spielerischen Situationen vermischt. Visuelle und akustische Elemente einer Videogame-Arcade werden in das SetUp der Ausstellung übernommen, die persönliche Jugenderinnerungen an Konsolen-Spielhöllen wachruft. Persönliche Involviertheit macht die Anziehungskraft der neuen, alle Aufmerksamkeit und volle Lebenszeit für den Moment des Spiels fordernden PC-Spiele aus. Action ist auch die Attraktion der Künstler-Spiele, die sich in der O.K-Arcade und der Arena befinden. Kritische Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten und Bedingungen der Videospielkultur und ihren Auswirkungen auf Lebensrealität, Lebensstil und wirtschaftliche und arbeitsweltliche Bedingun-gen können im Akt des Spielens mit den künstlerischen Anwendungen an die Oberfläche dringen. Das Eintauchen, Immersion ist das Ziel der Virtuellen Realitäten, ihrer Ausformungen auf Spielkonsolen, im Internet und Web3D.

Toys ‘r us - Toys sind unsere - Wege der Interfaceentwicklung auf symbolischer Ebene. Die Toys ‘n’ Noise Arcade-Installationen sind erfahrungssteigernde Erlebnis-Situationen im Umgang mit Mediensystemen. Die zeitgenössische Lebensrealität, in der sich Gegenwartskunst abspielt, ist die gesellschaftliche Realität neuer Schnittstellen. Die Arcade, die Video-Spielhölle, ist eine solche Interfacesituation. Wir benutzen sie zum symbolischen Transfer von Technologie und ihren sozialen, politischen, emotionalen und psychologischen Spannungen. Das von Industrie und Software-Konsortien kolportierte neue menschliche Interface des elektronischen Netzes etwa fand mit dem blutigen Echtzeit3D-Spiel (Marine-)DOOM seine Etablierung, wohl vor allem deshalb, weil es echte Angst transportieren konnte..

Die emotionale Bindung an eine Medienumgebung entsteht durch das Gefühl der Angst. Videospiele gewöhnen uns an Medienumgebungen, Computer, Interfaces und Benutzermenüs. Wir stellen nahezu unbegrenzt Lebenszeit zur Verfügung, werden zu unbezahlten Beta-TesterInnen der neuen Schittstellen und werden uns bei ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz die notwendige Gerätschaft schon aus Prestigegründen kaufen. Der wirtschaftliche Faktor ist in der Videospielkultur eine nicht zu vernachlässigende Grösse. "...Selbstverständlich nimmt die Elektronik in diesem Prozess eine zentrale Rolle ein: Die Spieleindustrie ist mit der Computerindustrie dicht verkoppelt, PLAYSTATIONS laufen den WORKSTATIONS voraus und musikalische Prozesse werden immer häufiger nach dem Vorbild spielerischer Vorgänge modelliert. Elektroakustische Werkzeuge und Methoden werden deshalb in TOYS ‘N’ NOISE so selbstverständlich verwendet werden wie Kleincomputer bei TOYS ‘R US." Mathias Fuchs, März 1998

REAL LIFE TOYS-Kultur

Das thematische Feld der künstlerischen, theoretischen und spielerischen Auseinandersetzung mit der Gameskultur befindet sich an der Schnittstelle von gesellschaftlichem Wandel zur Freizeitkultur, wirtschaftlichen Utopien von Internet-Anarchokapitalismus und elektronischer Finanzmanipulation sowie technologischen Entwik-klungen in der Simulation von Erlebniswelten. Arbeitsfreie Zeit in Form von Freizeit oder Arbeitslosigkeit findet am Computer ihre Verschmelzung, der produktive Arbeit, Weiterbildung und Spass verwäscht. Die Simulation möglicher Realitäten, Motive des Spiels und der Unterhaltung prägen den Alltag der Informationsgesellschaft und sind sozial und als Metaphern akzeptiert.

In der digitalen Kultur sind Games Laboratorien neuer Darstellungsformen und Handlungsszenarien. Spielkonsolen dienen als Mittel zur Steigerung der sozialen Akzeptanz der kolportierten Medien, zur Schnittstellen-Etablierung. Die Prägung des kulturellen Verhaltens-Gedächtnis wurde und wird im Umgang mit Video-Spiel-Interfaces geprägt. Die Nobilitierung medialer Kriegsbilder erfolgte durch PC und sog. ShootThemUp-Games. General Schwarzkopf fand es schon beim Golfkrieg notwendig, darauf hinzuweisen: "This is not a videogame!".

Georg Weckwerth ICH WEISS, WAS SIE LETZTEN SOMMER GETAN HABEN - ODER: VON TEDDYBÄREN UND ANDEREN KLINGENDEN DINGEN.

Das sanft-sonore Brummen eines mehr oder minder antiquierten Teddybären ist wohl eines der nachhaltigsten Geräusche, das die Klangtüfteler der Spielzeugindustrie, heute Sounddesigner genannt, je hervorgebracht haben. Ein Klassiker sozusagen. Wie die kultigen Plüschtiere an sich seit Jahrzehnten der Renner sind. Aber noch kurz zu einem anderen tierischen Laut aus der Retorte. Sein Zuhause ist weniger flauschig, aber dafür viel intelligenter. "Quack! Quack, Quack!" Dieses Entchen quietscht unübertroffen. Zu finden bei MAC, und nicht bei STEIFF, unter Apple, Control Panels, Sound! Ich will hier nicht weiter über Psychoakustik und ihre vielfältigen Anwendungsbereiche referieren, doch soviel ist sicher: Brummen und Quacken hinterlassen mächtig Eindruck. Die ganze Bandbreite von Emotionen wird geweckt. Oder etwa nicht? Dazu scheint beiden, auf den ersten Blick so verschiedenen Spielobjekten eines gemein: An der Schwelle zum 21. Jahrhundert sind sie den Menschen der industria-lisierten Länder, ob groß, ob klein, derart ans Herz gewachsen, daß sich "Brumm" und "Quack" ihren Fans und Usern wohl für alle Zeiten unverzichtbar gemacht haben. Die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist in ihren innovativen und avantgardistischen Strömungen geprägt von Ansätzen, die traditionellen Grenzen der Gattungen zu überschreiten, die Künste und ihre spezifischen Medien zu verzahnen und sie unter Einbeziehung von Wissenschaft und technologischer Entwicklung zusammenzuführen. [1] Längst ist die sogenannte Intermedia-Kunst - diesen Begriff prägte der 1998 verstorbene Fluxuskünstler Dick Higgins bereits 1961 - zum Normalfall geworden. Derweil spricht man modisch vom Crossover und versucht so einen neuen Trend zu betiteln, der doch keiner ist (Zitat: "Alles ist erlaubt - das ist doch kein Trend!" - Da stimme ich Karlheinz Schmid, dem Mitherausgeber der trendigen Kunstzeitung ausnahmsweise zu). [2] Ob nun TOYS'N'NOISE ein Crossover ist oder nicht, eines trifft ganz sicher auf die spezifischen Musik- und Akustikprojekte der Ausstellung zu: Im Reich der Töne und Geräusche ist schon seit geraumer Zeit technisch wirklich vieles möglich und eigentlich alles erlaubt; oder, um die Worte des Schweizer Klangkünstlers Andres Bosshard zu gebrauchen: "Noises are Toys for us!". Dieses Motto böte ausreichenden Anlaß zu einem Diskurs über Kunst- und Klanggeschichte in diesem Jahrhundert, über eine nachhaltige und nachklingende Entwicklung, an deren Ende sich mit der Klangkunst oder sound art - übrigens einer Intermedia-Kunst par excellence - eine eigenständige Kunstform neben die herkömmlichen Gattungen gesetzt hat. [3] Die genauere Untersuchung der geschichtlichen Zusammenhänge würde hier den Rahmen sprengen, doch seien einige Namen und Programme genannt, die für diesen Entwicklungsprozeß stehen: Filippo Tommaso Marinetti und Luigi Russolo: italienischer und russischer Futurismus (Maschinenmusik, Geräuschverherrlichung) - Charles Ives (und sein Vater George): raummusikalische und andere kompositorische Experimente - Dada: Collage, Aktion, Lautpoesie - Marcel Duchamp: "ready made", "sculpture musicale" - Eric Satie: Vordenker der Klanginstallation, funktionaler Musik, Minimalismus, musikalischer Grafik - Wassily Kandinsky, Paul Klee, Robert Delaunay u.a.: Musikalisierung der Bilder - Bauhaus: Integrationsmodell der künstlerischen Sparten - Edgar Varese: Verräumlichung der Musik - John Cage: Zentralfigur, Drehscheibe, Integrator, Anreger von Happening-, Event-, Performance-Kunst, auch von "minimal music" - Andy Warhol und Pop Art: u.a. "sound pop art", die in "techno" und "ambient" ihre aktuellen Spielarten hat. [4]

Doch zurück zum Ausgangspunkt: In der konzeptionellen Planung des Musik- und Akustikprogramms von TOYS‘N‘NOISE war mir wichtig, vielen verschiedenen künstlerischen Spielarten Raum zu geben. Dadurch sollte sich, ganz crossover-like, ein Spiel ohne Grenzen entwickeln, trotzdem aber der formal zielgerichtete musikalische Diskurs nicht leichtfertig sich selbst überlassen bleiben. Entstanden ist so eine österreichisch-schweizerisch-deutsche Mixtur aus Klang- und Medienkünstlern, der man länderspezifisch, auch untereinander, zumindest nicht auf den ersten Tropfen einen allzu humorigen Geschmack zutraut. Natürlich: Sehr viel an Game- und Spielkultur (STEIFF und "Mensch ärgere Dich nicht!" einmal ausgenommen) ist aus dem gelobten Land zu uns herübergeschwappt, aber das heißt doch noch lange nicht, daß man in unseren Breiten nicht versteht mit einem Auge zu zwinkern - oder sogar auch mal mit beiden! Und doch konnte der neue LEVI´S-Spot, und damit wären wir wieder beim Teddybären, wohl nur jenseits des atlantischen Ozeans entstehen: TOYS‘N‘NOISE vom Feinsten! Aber wir setzen zum Konter an: Und Leo Schatzl wirft mit "Bearing" einige wirklich ernstzunehmende Konkurrenten ins Feld der Plüschpfoten-Lieblinge. Viele Spielarten der Kunst sind eng verknüpft mit der Miniaturisierung oder Vergrößerung der Welt. Denken wir an Chris Burdens "Pizza City", ein acht Meter langes, keilförmiges Stück einer Miniaturstadt und ihrer Umgebung, gefertigt aus diversen Spielzeugen und Modellgebäuden, oder an Jeff Koons monumentale Blumenskulptur eines Schoßhündchens. In dieser Tradition stehen die interaktive Klanginstallation "Piz Salü" von Patrick Baumüller und die Klangobjekte "Mobile Sonoro" und "Mobile der Bilder" von Robert Jacobsen. Während Baumüller mit dem akustischen Phänomen des Widerhalls spielt und dabei das O.K-Gebäude für seine Pendelseilbahn im Maßstab 1:12 zum Bergmassiv werden läßt, erinnern Jacobsens Mobiles an vertraute Kinderzimmer-Accessoires, die in seiner XXL-Version selbstspielend immer neue Hörstücke und bebilderte Geschichten erzählen. Einen Sonderstatus nimmt die Arbeit von Andres Bosshard ein, dessen Klanginstallation "Noises are Toys for us!" Resultat eines gleichnamigen, mehrtägigen Workshops in Kooperation mit dem Linzer Bruckner-Konservatorium sein wird. Wem nur zuhören zu wenig ist, dem seien zusätzlich die von Bosshard und dem Duo Cargnelli/Szely gemeinsam realisierten Klangschaukeln als bewegendes akustisches Erlebnis empfohlen. Und um gleich bei Cargnelli/Szely zu bleiben, wie sagt man so schön: Große Ereignisse - und ein solches ist die Eröffnung des Platzes vor dem O.K am 30. April 1999 ganz gewiß - werfen ihre Schatten voraus. Und so stand bei Redaktionsschluß nicht endgültig fest, in welcher räumlichen Konstellation das Künstler-Duo das klangarchitektonische Environment "Acoustic Laboratories 1,5" als circa 90minütige Live-Performance präsentieren wird. Doch gleich eine beabsichtigte Überraschung hinterher: Ähnlich den zauberhaften Miniaturen in Kinderüberraschungseiern bleiben die "Walking Acts" von Katja Rusch alias Catcha bis zu ihrem Ausgepacktwerden unverraten. Wie auch das Rätsel um die Performance "Die Schnecke hüpft durchs Gras" der Elektro-Pioniere Andy Guhl und Norbert Möslang der Gruppe Voice Crack hier nicht gelüftet werden soll. Soviel aber sei verraten: Gemeinsam bürsten beide alltagselektronische Geräte so gegen deren Bedienungsanleitung, daß es, gemäß der Übersetzung des Wortes NOISE mit "Lärm", auch mal richtig laut werden kann. Kein Geheimnis machen muß man hingegen um die schlagzeugerische Virtuosität eines Peter Hollinger. Dessen 50minütiges Perkussion-Solo "Koffersuite" wird nach vielen Jahren erstmals wieder in Linz zu hören sein. Last but not least die auf eine permanente Spieldauer von zwei Monaten angelegte Klanginstallation "Überwurf" von Ulrich Eller. "Überwurf" ist eigens für die Loggia konzipiert, einen den neugeschaffenen Vorplatz zur Hauptverkehrsachse von Linz abgrenzenden 60 Meter langen Bogengang. Wesentliches Klangmaterial im Sinne von TOYS‘N‘NOISE bilden bei diesem Eller-Stück Richtmikrofonaufnahmen unkontrolliert herumspringender Hartgummibälle verschiedener Größe und Materialdichte (Sammlung: Eller & Söhne) auf einem sehr alten, zum Teil maroden Stabparkett. "So let´s make noise toys!" Mit dieser unmittelbaren und hoffentlich adäquaten Antwort auf Bosshards "Noises are Toys for us!" möchte ich mich an dieser Stelle für die sehr angenehme und jederzeit konstruktive Zusammenarbeit, stellvertretend für alle, die das Projekt und meinen Beitrag dazu unterstützt haben, bei dem Direktor des O.K, Mag. Martin Sturm, sowie bei Rainer Jessl, dem Produktionsleiter der Ausstellung, ganz herzlich bedanken. Darüber hinaus gilt mein letzter, aber keineswegs geringster Dank allen Künstlern für ihre Mitwirkung.

1 Christian Kneisel, Matthias Osterwold, Georg Weckwerth, Zur Einführung, in Klangkunst, Katalog zur Ausstellung Sonambiente - Festival für Hören und Sehen, Akademie der Künste, Berlin 1996, S. 6-9. 2 Karlheinz Schmid, Crossover und querbeet, in Kunstzeitung, Nr. 31, März 1999, S. 1. 3 Helga de la Motte-Haber, Klangkunst - Eine neue Gattung?, in Klangkunst, (ibid.), S. 12-17. 4 Christian Kneisel, Matthias Osterwold, Georg Weckwerth, Zur Einführung, in Klangkunst, (ibid.), S. 6-9.

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Toys’n’Noise
Kunst zur Videogamekultur und exemplarische Klangarbeiten.
Kuratoren: Margarethe Jahrmann, Georg Weckwerth

Künstler:
Patrick Baumüller, Konrad Becker / Public Netbase, Andres Bosshard, Cargnelli / Szely, Catcha, Shu Lea Cheang, Jennifer & Kevin McCoy, Ulrich Eller, Peter Hollinger, Robert Jacobsen, Kristin Lucas, David Moises, Max Moswitzer, Bunko Owatari feat. by Mana Furayama, Merja Puustinen & Andy Best, Kathleen Ruiz, Leo Schatzl, Voice Crack