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Toulu Hassani prüft mit präzisem Feingefühl und einem Konzept des Widerstands die Wesentlichkeiten sowie Parameter von Malerei und ihren Requisiten. Ihr Interesse liegt zunächst im Ausloten und Erfassen von Strukturen und Ordnungen, in einem zweiten Schritt wiederum bricht sie mit den gegebenen Dispositionen und Kriterien und nutzt das Ausgangsmaterial, um Umwege, Wendepunkte und Normabweichungen zu generieren: Anordnungen, Relationen und Bemessungen bedienen sich regelmäßig eines Schemas, sie organisieren sich in Bezug auf die Norm. Eine Kritik an Normierungen setzt auf das Unbestimmte und auf das potenziell Mögliche, das noch nicht Verwirklichte, das Unerwartete, das, was von der Norm nicht vorgesehen ist. Ganz so agiert auch Hassani, indem sie dem Unangepassten, dem Eigenwilligen und der Kontingenz in ihren bildnerischen Arbeiten Ausdruck verleiht und so auf subtile Weise das Thema der Unberechenbarkeit und Zufälligkeit behandelt.

Dabei sind wie auch beim Schaffensprozess persischer Miniaturmalereien Geduld, Inspiration, Zeichentalent und Farbgefühl bedeutende Eigenschaften, die Toulu Hassani für ihre Werke aufbringen muss. Ihre unbefangene Begegnung mit den Musterungen und Stoffeigenheiten einer bespannten Leinwand kombiniert die Künstlerin mit einer sensiblen Farbgebung und verleiht somit ihren Materialanalysen stets eine individuelle Note.

In der iranischen Miniaturmalerei erlebte eine poetische Symbiose aus Text, Bild und Schrift ab dem 13. Jahrhundert ihre Blüte. Die Bilder strebten nach einer idealen Harmonie von Raumgestaltung, Pinselstrich und Farbgebung. Auch an diese Programmatik knüpfen die abstrakten Arbeiten von Hassani an. So taucht etwa die scheinbar bis ins Unendliche auslaufende Linienführung der Malerei der Timuriden bei Hassani auf und einige ihrer Werke erinnern an grenzenlos wirkende Darstellungen von Erde und Kosmos. Die zarten Interpretationen von Rastern und Strukturen lassen zudem immer wieder an frühe Arten von Schriften, wie beispielsweise die sumerische Keilschrift, denken.

Toulu Hassani wurde in Iran geboren und studierte an der Hochschule für bildende Künste Braunschweig unter anderem als Meisterschülerin von Walter Dahn. 2014 war sie als Stipendiatin des International Studio & Curatorial Program (ISCP) in New York und war 2016 unter den „New Positions“ auf der Art Cologne vertreten. Ende 2016 wird ihr im Rahmen einer Einzelausstellung im Sprengel Museum Hannover der Sprengel-Preis für Bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung verliehen.