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Togetherhold - Gruppenausstellung mit Gemeinschaftsarbeiten von Künstlern, die auch ihre individuellen künstlerischen Entwürfe verfolgen. Einige arbeiten regelmäßig zusammen, andere haben lediglich vereinzelt kooperiert oder realisieren extra für die Ausstellung ein gemeinsames Projekt.

"We two are one" lautet der Titel des ersten Songs auf dem 1989 erschienenen Album und zugehörigen Videoclip We too are one des britischen Pop-Duos Eurythmics, mit dem Annie Lennox und Dave Stewart ihre 10-jährige Partnerschaft feiern und sich als Künstler und Künstlerpaar inszenieren. In den späten 1980er bis frühen 90er Jahren entwickeln sich in der bildenden Kunst zahlreiche verschiedene Formen der Partizipation und Kooperation, künstlerischer Zusammenarbeiten als Künstlergruppen und Künstlerpaare, denen das Kunstforum 1990 einen eigenen zusammenfassenden Band widmet, herausgegeben von dem Schweizer Ausstellungsmacher und Autor Paolo Bianchi (Künstlerpaare, Bd. 106, März/April 1990). Die Strategie der kollektiven Autorschaft unterläuft das Prinzip der personengebundenen Urheberschaft und gängige Individualismen und thematisiert außerdem ihr eigenes künstlerisches Schaffen. Zugleich stehen die künstlerischen Zusammenarbeiten in der langen Tradition kollektiven Arbeitens sowie anderer Kooperationen in der Kunstgeschichte sowohl der vergangenen Jahrhunderte als auch der letzten Dekade. Die Maler der losen Gruppierung der Mülheimer Freiheit in Köln haben vor allem in ihrer Anfangszeit, etwa Anfang der 1980er Jahre, immer wieder in verschiedenen Konstellationen an einzelnen Bildern gemeinsam gearbeitet und versammeln oder vereinigen in kollektiven Bildproduktionen auf großen Formaten die verschiedenste Stile und Maltechniken. Bei diesen Gemeinschaftsarbeiten, vor allem denen, die der kontinuierlichsten und systematischsten Zusammenarbeit der Mülheimer Freiheit entstammen, die sich zwischen Jiri Georg Dokoupil und Walter Dahn entwickelte, werden die einzelnen Positionen immer noch benannt und bleiben künstlerische Handschriften erkennbar. Andere Modelle der Zusammenarbeit, vor allem langjährige Kooperationen oder Partnerschaften, wie auch größere Künstlergruppen, bei denen der Einzelne nicht mehr namentlich benannt wird, überwinden die individuelle Handschrift zugunsten einer gemeinsamen Urheberschaft, die sie manchmal bis zur Grenze von Simulation und Täuschung steigern, wenn Gruppennamen individuelle Zuordnungen verhindern oder sogar die Benennung und fehlende oder fiktive Biographien eine neue Künstlerpersönlichkeit suggerieren. Die kollektive Autorschaft unterläuft den kunsthistorischen Eifer der Zuschreibung, indem sie die fundamentale Zuordnungsmöglichkeit verweigert. Sie negiert die ästhetische Theorie des Genies, die den Künstler als individuellen genialen Schöpfer entwirft. Seine ‚invenzone’, die innovative künstlerische Erfindung, gilt spätestens seit der Renaissance als Hauptmerkmal der Kunst. Aus ihr folgt die unmittelbare Einheit des schöpferischen Erfinders mit dem von ihm geschaffenen Werk. Allen kollektiven Strategien ist die Auflösung dieser Einheit des Künstlers mit seinem Werk gemeinsam. Obwohl die Zusammenarbeit zunächst eine Verdoppelung des Künstlers bewirkt, tritt der einzelne Autor in der kollektiven Praxis hinter die Arbeit zurück oder verschwindet vollends. In Kooperationen können Künstler und Werk auch in eins fallen, so beispielsweise bei dem Künstlerpaar Gilbert und George, die zugleich Kunstwerk und Künstler sind. Sie führen dieses Künstlersein vor wenn sie sagen: „Wir sind ungesund, mittleren Alters, zotiger Gesinnung, exzentrisch, lüstern, depressiv, zynisch, leer, ausgebrannt, schäbig, hundsgemein, verträumt, ungehobelt, unmanierlich, arrogant, intellektuell, wehleidig, ehrlich, erfolgreich, tüchtig, zuvorkommend, künstlerisch, religiös, faschistisch, blutrünstig, neckisch, destruktiv, ehrgeizig, farbenprächtig, verdammt, stur, pervertiert und gut. Wir sind Künstler.“ Es eröffnet sich dadurch ein ambivalentes und selbstreflexives Verhältnis zwischen Künstler und Kunstwerk, denn einerseits gewinnt das Werk durch die kollektive Urheberschaft an Bedeutung, andererseits hinterfragen zahlreiche Gemeinschaftsarbeiten mit der individualistischen Konzeption des künstlerischen Schöpfers zugleich den traditionellen materiellen Werkbegriff. In ihrer Auseinandersetzung mit der Rolle des Künstlers lassen zahlreiche Gemeinschaftsarbeiten das Objekt in den Hintergrund treten und realisieren Arbeiten performativen Charakters, sie erweitern in gegenseitiger Ergänzung das Feld ihrer Möglichkeiten, oft auch durch Zusammenarbeiten über vermeintliche Gattungsgrenzen hinweg. Die Selbstreflexion der Bedingungen des künstlerischen Schaffens setzt sich mit ihrem Kontext auseinander. Die Kooperationen treten aus dem Ausstellungsraum und seinen Bedingungen heraus, sie beziehen den Betrachter mit ein, vielleicht unwissend oder direkt angesprochen hat er gestaltend Anteil und erweitert die Gruppenarbeit durch seine Partizipation. Die kollektive künstlerische Praxis ist auch eine Ausweichmöglichkeit, ein Versuch das bestehende System zu stören, eine subversive Strategie, mit der auch schon ein anderes Duo gearbeitet hat: Eine Bubengeschichte in sieben Streichen.

Deborah Bürgel

Künstler: Julia Bünnagel und Sonja Engelhardt, Dan Dryer, Charlotte Desaga und Thorsten Schneider, Katja Diallo/Jens Hölmer/Jan Kryscons, Marc Hartmann und Christian Heilig, Andreas Hirsch und Lucas Mancione, Tamara Lorenz und Robert Vater, POISON IDEA, TMD (Sascha Blume, Franziska Cordes, Florian Kuhlmann, Oliver Kunkel, Georg Schütz, Sebastian Selbach, Timothy Shearer, Benjamin Tillig)

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Togetherhold

Künstler: Julia Bünnagel, Sonja Engelhardt, Dan Dryer, Charlotte Desaga, Thorsten Schneider, Katja Diallo, Jens Hölmer, Jan Kryscons, Marc Hartmann, Christian Heilig, Andreas Oskar Hirsch, Lucas Mancione, Tamara Lorenz, Robert Vater, POISON IDEA  (Baldur Burwitz, Christof Zwiener), TMD  (Sascha Blume, Franziska Cordes, Florian Kuhlmann, Oliver Kunkel, Georg Schütz, Sebastian Selbach, Timothy Shearer, Benjamin Tillig)