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Eröffnung: DONNERSTAG, 13. SEPTEMBER, 20.30 Uhr

Die Teezeremonie wurde im Schwarzwald gefilmt. Die japanischen Inneneinrichtungen sind aus zerlegten Möbeln deutscher Zimmer gebaut. Mit einer Videoprojektion und einer Rauminstallation bringt Tobias Rehberger (geboren 1966 in Esslingen) japanische Ästhetik made in Germany in die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden. Entsprechend der für seine Kunst konstituierenden Perspektivwechsel und Transformationen des Gegebenen ist der Künstler dabei nicht daran interessiert, (Schein-)Authentizität herzustellen, sondern lenkt die Aufmerksamkeit vielmehr auf die spezifische Anverwandlung des Fremden.

Am Eröffnungsabend findet im Anschluss (ca. 21.30 Uhr) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Freunde junger Kunst e.V. ein Konzert mit der Gruppe "Vivienne" aus Frankfurt statt.

REHBERGERS KUNSTPRODUKTION

Die Objekte, Installationen und Interventionen von Tobias Rehberger sind meist situations- oder ortsbezogen, wobei dem Menschen als Ausgangspunkt wie auch als Adressat stets grundlegende Bedeutung zukommt. Die Anlässe für die Arbeiten sind häufig persönlicher Natur. Individuelle Äußerungen, Wünsche oder Ideen einer bestimmten, konkret benennbaren Person dienen dem Künstler dabei ebenso als Aufgabenstellung wie Alltagserfahrungen oder aus einem persönlichen Erlebnis resultierende Fragestellungen. Zur Problemlösung entwickelt Rehberger ein Konzept, das dann häufig durch Dritte, Fachleute in ganz spezifischem Sinn, umgesetzt wird. Dieses Delegieren, etwa der Auftrag, ein bestimmtes Möbelstück zu bauen, ist ein zentraler Bestandteil der künstlerischen Strategie Rehbergers, denn es schließt einen Eigenanteil jedes am Produktionsprozess Beteiligten ein. Das Kunstwerk ist damit nicht nur realisierte Idee des Künstlers, sondern Ergebnis einer Produktion, in deren Verlauf immer wieder Entscheidungen getroffen werden müssen.

EIN TEEHAUS IM SCHWARZWALD

Für die Ausstellung "Do Not Eat Industrially Produced Eggs" in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden hat Tobias Rehberger zwei neue Arbeiten konzipiert, die als persönlicher Blick auf die Vermischung kultureller Eigenarten im Gobal Village verstanden werden können. So macht eine raumgreifende Videoinstallation (die erste Rehbergers überhaupt) die Besucher zu Zeugen der ritualisierten Abläufe einer japanischen Teezeremonie. In einem nach Entwürfen des Künstlers gebauten Teehaus auf einer Wiese im Schwarzwald aufgenommen, reflektiert die Arbeit aufgrund der geographischen Verschiebung die Dekontextualisierung tradierter Rituale und bindet diese Transformierung durch die Wahl der Protagonisten zugleich eng in den Kontext des künstlerischen Schaffens Rehbergers ein. So sehen wir den Künstler selbst als Schüler, der die präzis eingeübten Handlungen des Meisters, Thomas Grässlin, Mitglied der Sammlerfamilie Grässlin, aufmerksam verfolgt. Dem Sammler wird damit indirekt die Rolle des Regisseurs übertragen, nach dessen Anweisungen sich der Schüler zu verhalten hat, und damit – wie bereits in früheren Arbeiten – das Verhältnis zwischen zeitgenössischem Künstler und Sammler thematisiert. Zugleich aber befinden sich beide in einer für sie ungewohnten Situation, die noch dazu durch äußere Einflüsse immer wieder gestört wird. Im Nebeneinander der Bilder kann der Betrachter die Unterschiede in den separat aufgezeichneten Videosequenzen erkennen, ohne jedoch beurteilen zu können, was nach japanischen Maßstäben richtig oder falsch ist. Der Glaube an eine mögliche Authentizität wird so als Illusion entlarvt und zugleich die Idee des Kunstwerks als originäre Schöpfung in Frage gestellt.

KULTURTRANSFER: DEUTSCH-JAPANISCHE INTERIEURS

Auf anderer Ebene formuliert Tobias Rehberger den Kulturtransfer in der zweiten Arbeit für Baden-Baden. Bei Wohnungsauflösungen kaufte er komplette deutsche Zimmereinrichtungen und ließ dann einen Schreiner die Möbel zerlegen. Aus den teilweise noch identifizierbaren Fragmenten wurden dann neue Möbel gebaut, und zwar dieses Mal entsprechend japanischen Designvorstellungen und Nutzungsbedingungen. Die Zimmer (ein Bad, ein Eingangsbereich, ein Wandschrank für Rollenbilder und ein Raum mit im Boden versenkbarem Tisch), die wie Inseln im großen Saal der Staatlichen Kunsthalle aufgebaut sind, verbinden damit zwei antipodische Traditionen und erweisen sich für den Betrachter als Konglomerate von Geschichte, Geschichten und Umwandlungsprozessen.

INTERNATIONALER PREIS DES LANDES BADEN-WÜRTTEMBERG

Seit der Eröffnung der Staatsgalerie Stuttgart im Jahre 1984 wird in zweijährigem Rhythmus der "Internationale Preis des Landes Baden-Württemberg” zusammen mit zwei Förderpreisen verliehen, die mit einer Ausstellung in einer Landesinstitution verknüpft sind. Tobias Rehberger (geboren 1966 in Esslingen), unter den aus Baden-Württemberg stammenden Künstlern einer der international erfolgreichsten der jüngeren Generation, erhielt den Förderpreis für Bildende Kunst des Landes Baden-Württemberg 1999. In der Jury waren: Dr. Margrit Brehm (Staatliche Kunsthalle Baden-Baden), Chris Dercon (Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam), Ida Gianelli (Castello di Rivoli, Turin), Prof. Dr. Christian von Holst (Staatsgalerie Stuttgart), Dr. Britta Schmitz (Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin), Jonas Storsve (Centre Georges Pompidou, Paris), Harald Szeemann (Kunsthaus Zürich)

Die Ausstellung wurde durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg großzügig unterstützt.

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Tobias Rehberger
DO NOT EAT INDUSTRIALLY PRODUCED EGGS
Föderpreis zum Internationalen Preis des Landes Baden-Württemberg