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Tobias Hantmann (*1976 Kempten) fordert die visuelle Wahrnehmung heraus und reflektiert in der Ausstellung Staying with the Pictures den Bildbegriff. Den in Düsseldorf und Berlin lebenden Künstler treibt die Frage um, was wichtig genug ist, um gemalt zu werden? Sollen oder müssen Bilder etwas repräsentieren? Wie verhält es sich mit der Beziehung zwischen Form und Inhalt? Ist die Wahl des Mediums bereits ein unausgesprochenes Versprechen an das Darzustellende?
Ausgehend von diesen Fragen entwickelt sich das Werk Hantmanns, der sich selbst als Maler bezeichnet. Dennoch finden sich in der Ausstellung nicht die klassischen, bemalten Lein-wände. Stattdessen hängen gerahmte Veloursteppiche – mit denen er große Aufmerksamkeit erlangt hat – in unterschiedlichen Formaten an den Wänden der Kunsthalle Gießen. Auf den ersten Blick erscheinen die Velours-Bilder wie monochrome Malerei. Lediglich durch das Auf-stellen und Niederdrücken des Teppich-Flors zeichnet er komplexe, meist figurative Motive, die irritieren und verblüffen. Im Gegensatz zur Malerei, bei der sich die Farbe mit dem Unter-grund dauerhaft verbindet, sind seine Arbeiten stets vom Verschwinden bedroht. Hantmanns Motive sind jederzeit wieder herausnehmbar, mit nur einer Handbewegung können sie ge-löscht werden. Wie stabil ist eine Formulierung, die vollständig zurückgenommen werden kann? Oder schafft gerade diese lose Einschreibung neuen Freiraum für scheinbar festge-schriebene Motive? Als Beispiel nimmt er eine Reihe vergrößerter Krippenmotive1, die für ihn als Veloursbild funktionieren, jedoch als klassisches Ölgemälde von ihm nicht akzeptiert werden würden. Als Grund nennt er die Omnipräsenz der Bilder – bereits auf unzähligen Gemälden dargestellte Szenen der Geburt Christi erscheinen durch den häufigen Gebrauch fast schon abgenutzt. Als fragile, im Licht changierende Zeichnung im Teppich gelten sie für Hantmann, nicht aber als eine weitere malerische Manifestation.

Was soll, was kann ein Bild also darstellen? Inspiriert von den Werken des US-amerikanischen Konzeptkünstlers Robert Barry, dessen Ziel es war, die immaterielle Wirklichkeit zu thematisieren, stellt sich Hantmann die Frage nach der Erwartung an und die Möglichkeit von Bildern. Barry fotografierte in seinen Werkserien Inert Gas Series und Radiation Pieces aus dem Jahr 1969 entweichende Gase oder radioaktives Material in freier Natur. Das Bildresultat war u.a. die fotografische Aufnahme von nichts als einem Busch, während die Gase unsichtbar blieben. Sind die Aufnahmen damit an ihrer Intention gescheitert? Der Busch in Barrys Aufnahme wird bei Hantmanns Velours-Arbeit Inertgas zum motivischen Hauptakteur, während das Ephemere des Gases sich in der Materialbeschaffenheit des Teppichs wiederfindet.
Die Wahl des Mediums und des Ausschnitts generiert eine Erwartung. Potenziert durch die Präsentation, durch das Aufhängen eines Bildes, entsteht bereits ein Bildversprechen und die Behauptung, dass es eines ist. Dies birgt gleichermaßen eine Enttäuschung, sobald die Erwartung nicht erfüllt wird. Zurück bleibt die Frage.
Die sich daran anschließende Medienreflexion über das Flüchtige, das dem Material selbst innewohnt, verarbeitet Hantmann in seinem Schaffen vielfältig.

Trotz des theoretischen Diskurses, welcher die Arbeit Hantmanns maßgeblich begleitet, feiern seine Setzungen offensiv die Schönheit, das Einfache und das Handwerk.

Neuer Werkkomplex des Künstlers: Das Licht der Welt Ausgangspunkt der Installation Das Licht der Welt, die in der Kunsthalle Gießen erstmals zu sehen sein wird, ist eine fotografische Diaprojektion, die das Innere eines Raumes offenbart, durch dessen Fenster Licht auf Boden und Wandfläche fällt. Dieser analog anmutende ‚Schnappschuss‘ zeigt die mit der Grafiksoftware Cinema 4D erstellte Rekonstruktion des Kreißsaals im Moment der Geburt des Künstlers. Am Beginn dieser Rekonstruktion stand eine umfangreiche Recherche zu verschiedenen Bedingungen, die am 31.12.1976 um 13.41 Uhr in der Frauenklinik Robert-Weixler-Straße 50 in Kempten im Allgäu herrschten. Sie umfasst meteorologische Daten wie Wetter- und Lichtgegebenheiten, den Sonnenstand sowie architektonische Daten beispielsweise aus detaillierten Bauplänen, die Ausrichtung des Gebäudes und Bestimmung der verwendeten Materialien der Inneneinrichtung. Tobias Hantmann inszeniert die im Prinzip willkürliche Kombination von Zeit und Ort als „prototypische Situation“, wobei er auf Licht und Stofflichkeit fokussiert