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Eine Ausstellung des Kupferstich-Kabinetts im Residenzschloss

Timm Rauterts Werkzyklus "Bildanalytische Photographie" darf als ein Hauptwerk der Fotografie in den 1960er und 1970er Jahre gelten. Erstmalig wird die 56 Einzelpositionen umfassende Werkgruppe in Gänze präsentiert, nachdem sie 2014 für die Sammlung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts gewonnen werden konnte. 

Die Arbeiten, jede für sich ein Unikat, entstanden in den Jahren 1968 bis 1974, in einer Zeit radikaler Diskussion über die Rolle von Kunst in der Gesellschaft. Timm Rautert, der 1971 sein Studium bei Otto Steinert an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen beendet, reist in diesen Jahren unter anderem mehrfach nach New York, wo er sich in den Kreisen um Andy Warhols Factory aufhält und mit Konzeptkünstlern wie Franz Erhard Walther, Walter De Maria und James Turrell zusammenarbeitet. Unter dem Einfluss der noch jungen Concept Art widmet er sich in der "Bildanalytischen Photographie" den Bedingungen des eigenen Schaffens, der Frage von Autorenschaft sowie der Rolle des Betrachters – Themen, die gerade im Hinblick auf das technische Bildmittel Fotografie und dessen angenommenen Anspruch, die Welt realistisch und wahrhaftig abzubilden, besondere Bedeutung und Dringlichkeit besaßen und besitzen.

Mit der "Bildanalytischen Photographie" führt Timm Rautert uns die Bedingungen fotografischen Arbeitens vor Augen, von der Aufnahme bis zum Entstehen des Bildes unter dem Vergrößerungsgerät im Labor. Ein planvoll ausgearbeitetes Ensemble analoger Schwarzweiß- und Farbfotografien, Bild-Text-Kompilationen, Bedienungsanleitungen und Versatzstücken fotografischen Materials provoziert grundlegende Fragen, was Fotografie als Medium bedeutet, was von ihr erwartet wird und wie sie die Wahrnehmung von Welt aktiv mitprägt. Obwohl Rauterts Werk von theoretisch-konzeptuellen Fragen durchzogen ist, bleibt es zugänglich – nicht zuletzt durch den subtilen Humor des Künstlers. Bislang unveröffentlichte Notizen und Skizzenmaterial zu der Werkgruppe kommentieren sie begleitend, legen den Blick auf ihre Entstehung frei und beleuchten Rauterts eigene Bezeichnung des Kompendiums als eine "Grammatik" der Fotografie.

Mit dem dauerhaften Eingang in die Sammlung des Kupferstich-Kabinetts und seinen reichen Beständen an Druckgraphik erhält Rauterts fotografisches Werk einen neuen materiellen und diskursiven Kontext. Fragen nach künstlerischer Identität im Medium der Druckgraphik, nach Einzelbild und Serie oder nach Täuschung und Manipulation bei der Wahrnehmung und Reproduktion von Wirklichkeit in vervielfältigten Bildern sind Themen, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der reproduzierenden Medien ziehen. Sie werden in der Ausstellung in Gegenüberstellungen mit exemplarischen Werken von Holbein über Rembrandt und Canaletto bis hin zu Baselitz aufgezeigt. Über die Epochen hinweg eröffnet sich damit ein Dialog der Medien – zu ihren jeweiligen Voraussetzungen, über Fragen von Autorenschaft und Technik, über Original und Reproduktion.