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Tim Roda hat etwas, was viele aufstrebende Künstler nicht haben: drei Jungs unter 11 Jahren und eine blühende Ehe. Und weil er diese seit mehr als einem Jahrzehnt zum Inhalt seiner theatralisch inszenierten Fotografien macht, ist Rodas Werk ebenso eine Ausnahme. Es befasst sich mit einem Inhalt, den wir nicht so oft in der zeitgenössischen Kunst sehen – dem Familienleben. Die Banalität, die in der zeitgenössischen Fotografie häufig vorkommt, lehnt er ab. Dafür zeigt er auf seinen Schwarz-Weiß-Bildern durchweg seine Frau und kleinen Jungs, so dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn, Ehefrau und Ehemann, Mutter und Kind in jeder Komposition eine zentrale Rolle spielt. Aber der gebürtige Pennsylvanier hat mehr als nur seine unmittelbare Familie zur Inspirationsquelle. Die verschwiegen schräge Häuslichkeit, die wir in jedem der 35mm Bilder sehen, kombiniert erträumte Erinnerungen der eigenen Kindheit des Künstlers sowohl als auch autobiographische Momente der Gegenwart und die gemeinsame Geschichte der Vergangenheit seiner Großfamilie. Die Fotografien sind Balanceakte zwischen Dokumentation und Täuschung; Familienporträts mehrerer Generationen werden Teil innerhalb Rodas eigener; sind Dokumente einer Familie, die dem Vergangenen ein Denkmal setzen, während sie auch mit den Gegenwärtigen spielen. Und, so wie Rodas Kunst sich direkt in sein Leben mischt, interveniert sein Leben auch innerhalb seiner Kunst. Ein Gefühl von Sehnsucht gepaart mit einer traumhaften Verspieltheit – wieder zu erkennen in selbst gemachten Kostümen und übertriebenen Erzählungen – durchzieht durchgehend Rodas Oeuvre und macht jede Vignette zu einer zeitlosen, virtuellen Realität, welche zum Teil Erinnerung ist, zum Teil Geschichte und zum Teil Echtzeit-Aufnahme von sich entfaltendem Leben. Das ist nirgends besser als in seinen neuesten Arbeiten belegt, in denen Roda ein fremdes häusliches Leben und seine persönliche Vergangenheit untersuchte. Sie entstanden direkt im Anschluss an sein Fulbright Stipendium in Italien und werden in diesem Herbst zum ersten Mal in Rodas Galerien in New York City, Seattle und Berlin zu sehen sein. Nach einiger Zeit in Rom, hatte sich die Familie auf den Weg nach Süden Richtung Pentidatillo begeben - das Dorf, in dem Rodas Großvater aufgewachsen ist. Wissbegierig das Leben seiner Vorfahren so detailgetreu wie möglich zu erforschen, verwischte Roda die Linien zwischen seiner Kunst und seinem Leben mehr als in jeder anderen Serie davor. Die fünf Rodas zogen in ein Ein-Zimmer-Haus, welches zugleich als Wohnraum und Studio diente. Die resultierenden Bilder gleichen Ausschnitten des wahren Lebens, weil sie es auch waren. Die Jungs machten ihre Hausaufgaben oder frühstückten und unterbrachen dies kurz, um an einem von Rodas Sets zu arbeiten. Seitdem Plato die Kunst in seine Höhle sperrte, haben die Kunst und somit auch die Künstler sich damit herumgequält, dass Kunst nur das Zweitbeste neben dem „Echten“ ist. Der Modernismus erreichte eine selbstreferenzielle Autonomie worin die Kunst als ein obskurer, wenngleich auch idealer „platonischer“ Ort existieren konnte, welcher nicht vom wirklichen Leben, sondern von stilistischen Gesetzen verwaltet wurde. Malerei und Bildhauerei waren separiert von den materialistischen, alltäglichen Angelegenheiten normaler Leute. Dies war Kunst um der Kunst willen und das komplette Gegenteil von Rodas verweilendem, performativem Nachstellen eines vergangenen Lebens und dem Dokumentieren eines Lebens im Hier und Jetzt. Obwohl die Fotografien ihre Wurzeln in der Tradition der Familien-Schnappschüsse haben, weist Rodas Werk darüber hinaus. Wenngleich seine Arbeiten eine sich stetig entfaltende Dokumentation seiner Beziehung zur eigenen Vergangenheit und Gegenwart darstellen, sind sie doch vor allem eine faszinierende Erforschung von beidem: dem Lauf der Zeit und die Dynamik menschlicher Beziehungen.

Peter Zimmermann bespielt in seiner ersten Einzelausstellung in Berlin zwei Räume der Galerie Michael Janssen. Im ersten Raum treten dem Besucher zwei seiner neuen Plastiken entgegen. Die aktuelle Ausstellung zeigt erstmalig diese besondere Werkgruppe einem breiteren Publikum. Für seine Bilder arbeitet Zimmermann schon seit zwei Jahrzehnten mit Epoxidharz, doch erst seit ein paar Jahren hat er aus dem Material auch dreidimensionale Arbeiten entwickelt. Sie zeichnen sich durch ihre intensiven Farben unmissverständlich vom grauen Boden und den weißen Wänden ab. Gleichzeitig nehmen sie eine organische Form an, die an überdimensionierte Tropfen einer irrtümlich ausgeschütteten Flüssigkeit erinnern. Bei genauerem Hinsehen aber erkennt man die komplexe Struktur der Skulpturen. Ihre glänzende, verlaufene Oberfläche lässt den Eindruck entstehen, es handle sich um weiche, gepolsterte Objekte. Daher kann es schwer fallen, das Bedürfnis zu unterdrücken, sie mit dem Fuß abzutasten oder mit den Fingern hineinzugreifen. Dies liegt am Material, aus dem sie bestehen. Das Epoxidharz ist in seinem Rohzustand farblos und flüssig. Zimmermann mischt ihm Farbpigmente bei und formt daraus Schichten. Trocknet der Harz, entstehen harte, stabile und schwere Gebilde. Parallele Effekte können bei den Bildern im zweiten Raum beobachtet werden. Diese Produktionsweise wird hier auf großformatige Leinwände übertragen. Als Ausgangspunkt benutzt Zimmermann digitalisierte Ausschnitte früherer Arbeiten oder im Internet, Fernsehen oder sonstigen Informationsquellen gefundene Bildmotive. Er bearbeitet sie mit Photoshop, fügt Details verschiedener Vorlagen zusammen und entwickelt eine 1-zu-1-Vorlage, die ihm dann ermöglicht, die Umrisse der verschiedenen Flächen auf die Leinwand zu übertragen. Mit zusätzlicher Hilfe von Schablonen wird das farbige Epoxidharz auf den Bildträger gegossen; dies geschieht schichtweise, wobei die hellen Farben zuerst aufgetragen werden. Die Besonderheit des Materials liegt unter anderem darin, dass trotz einer klaren Skizze das Endbild davon abweichen kann. Ein unvermeidlicher Anteil an Zufall prägt den Arbeitsprozess immer mit. Die verschiedenfarbigen Harzschichten interagieren nämlich untereinander und bestimmen die letztendlich wahrgenommenen Abstufungen. Die daraus entstehenden glatten und transparenten Oberflächen entwickeln eine fesselnde Leuchtkraft, die den Betrachter magisch anzieht. Einerseits besitzen die Werke eine Leichtigkeit, die an eingetrocknete Seifenblasen erinnert. Andererseits ist die Malsubstanz flächendeckend auf die Leinwände aufgetragen. Jede Farbe besitzt aber eine reliefartige Erhöhung und die Bilder gewinnen dadurch eine plastische Präsenz und eine räumliche Wirkung. Es scheint, als wolle sich die Farbe über die Grenzen der Leinwand fortsetzen und als sei sie nur sehr schwer zu bändigen gewesen. Die glänzenden, unregelmäßigen Oberflächen nehmen den Umraum reflektierend auf und verzerren ihn. Steht man also im Ausstellungsraum, dessen Wände beinahe nahtlos die großformatigen Arbeiten aufnehmen, wird man mit einer Fülle konfrontiert, die einen nahezu überwältigt. Peter Zimmermanns Malerei entzieht sich jeglichem Kategorisierungswunsch, doch eine klare Beeinflussung durch das Action-Painting und dessen bekanntesten Vertreter Jackson Pollock ist unbestreitbar.

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Tim Roda - Make Believe // Peter Zimmermann - Neue Bilder und Skulpturen

Künstler:
Tim Roda, Peter Zimmermann