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Tilo Schulz (*1972) ist Künstler, Kurator und Autor und gilt seit Mitte der 1990er Jahre als einer der vitalsten und einflussreichsten Künstler seiner Generation. Gut zwei Jahre nach der von ihm (mit Jörg van den Berg) für die Temporäre Kunsthalle Berlin kuratierten Ausstellung »squatting. erinnern, vergessen, besetzen« zeigt die Galerie Jochen Hempel seine Einzelausstellung »blank«: Zwei neue Werkserien – »pipes« und »ohne Titel (Striche)« – werden erstmals gezeigt und mit drei umfangreichen Werkgruppen, nämlich den beiden Zeichnungsserien »Walking through the fields of history» und »Looking at the mountains of desire« sowie der Serie von Bildobjekten mit dem Titel »Your head is not my prison« räumlich verschränkt.

Der Besucher betritt einen Raum, der ihn mit einer diskreten Zurücknahme und Leere empfängt. Auf den weißen Wänden sind spärlich Arbeiten der Serie »Your head is not my prison« verteilt. Unterschiedlich intensiv geknitterte, dann mit Acryl lackierte und mit einem Polsterstoff hinterlegte Papiere verlieren sich einerseits als eher kleinformatige cremefarbige Malereien auf den weißen Wänden, stehen andererseits aber dem Besucher in ihrer dezidierten Objekthaftigkeit entgegen. Nähert man sich, dann verschiebt sich ihr Objektcharakter hin zu einer abstrakt-physiognomischen Aufladung. Die sehr verschiedenen ,Portraits‘ provozieren Fragen zum Verhältnis des eigenen Selbst zum Gegenüber. Sie sind das Andere und das Eigene, das Subjekt und das Objekt, der Spiegel, in den man schaut, das Gegenüber, dem man sich stellen muss. Die ,Leere‘ verdichtet Schulz schließlich in der Übergangszone der beiden Ausstellungsräume. Hier konzentriert sich die neue Werkgruppe der »pipes«. Holzröhren, unterschiedlich farbig bemalt, bis zu 2 1/2 Meter hoch stehen oder hängen eng beieinander. Durch diese ebenso vehemente wie fragile Verdichtung muss sich der Besucher hindurch bewegen. Der zuvor erfahrenen Weite des Raumes folgt hier eine gefährdende Enge, beinahe eine Intimität. Anders als in der konfrontativen Begegnung mit dem Gegenüber der Portraitobjekte, entziehen sich die Röhren durch die Reduktion ihrer vertikalen Ausdehnung und vor allem durch die kreisförmige Bildentwicklung ihrer Malerei. Das (Röhren)Bild ist nie als ganzes erfassbar, verlangt vom Betrachter ein permanentes Sich-Bewegen. Diese sehr konzentrierte und bewusst leere Situation im Ausstellungsraum wird ergänzt durch drei Inserts, die jeweils eine Auswahl aus den Zeichnungsserien »Walking through the fields of history«, »Looking at the mountains of desire« und »ohne Titel (Striche)« zeigen. ,Verborgen‘ hinter vorgesetzten Wänden werden die Zeichnungen in kleinen Nischen, kurzen Sackgassen oder engen Passagen präsentiert. Anders als ,im‘ Raum, in dem der Besucher große Distanzen bewusst durchgehen muss, um von einem Objekt zum nächsten zu kommen, erzwingt Schulz hier eine Nähe des Sehens. Die Betrachter bewegen sich distanzlos zu den feinen, minimalen Pinselzeichnungen, in denen sich Tilo Schulz als Zeichner mit einer hohen Affinität zur Malerei zeigt.

Allen Arbeiten ist eine dezidierte Ambivalenz eingeschrieben. Sie sind mal Zeichnung und Malerei, mal Malerei und Objekt, mal Einzelbild und Serienelement; mal provozieren sie Nähe, mal fordern sie Distanz; mal stehen sie einem entgegen, mal öffnen sie Räume, in denen sich das Sehen verliert. Immer aber muss sich der Betrachter diesen Werken gegenüber – räumlich wie mental – neu verorten. Sein Stehen (oder Gehen) wie sein Sehen (oder Denken) können dabei im von Tilo Schulz sanft erzwungenen Sich-Verhalten zu einer neuen Gewissheit finden. Selten begegnet man einer derart implizit-politischen Dimension in dieser Nachhaltigkeit.

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Tilo Schulz
blank