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Die Marke Tempo produziert jährlich 20 Milliarden Taschentücher. Die Deutschen essen jedes Jahr 100.000 Tonnen Nutella. Schon in den 30er Jahren erreichte die Produktion der Penaten Creme - Töpfchen die unglaubliche Stückzahl von 6.019.000.

Statistikzahlen sind beeindruckend, bleiben aber völlig abstrakt. Der Überflussgesellschaft ist das Gefühl für Dimensionen verloren gegangen. Das Marketingsystem steuert diesem Entfremdungsprozess entgegen. Produkte, die zwar längst von international operierenden Multikonzernen millionenfach produziert werden, umgeben sich gerne mit der Aura von Beständigkeit und Tradition. Tempo, Penaten und Nutella sind solche Vertreter.

Thomas Rentmeister benutzt nicht zufällig diese vorfabrizierten, industriellen Markenprodukte für seine Skulpturen. Die Marketingstrategien der Waren werden in seiner Kunst aufgegriffen, indem er die Produkte dekontextualisiert. Es entstehen erstaunliche Wirkungseffekte. Hierbei spielt vor allem eine rein formale Sicht auf die Produkte der Alltagswelt eine Rolle, die den Kontext der Minimal-Art aufruft. Die Materialästhetik und die vorgegebene, komplexe Struktur der Warenverpackung generieren ein ästhetisch, künstlerisches Resultat. Die glänzende, ansprechende Oberfläche gibt dem Werk durch Reflexionen und Lichtbrechung eine verheißungsvolle, glitzernde Aura. Die Massengüter werden nicht mehr sofort als solche erkannt, sondern funktionieren als autonome Kunstwerke. Rentmeister benutzt die Marketingstrategien der Konzerne um seine künstlerischen Ziele zu erreichen, nicht umgekehrt. Damit entsteht auch ein emanzipatorischer Effekt für die Kunst.

Die Skulptur ohne Titel von 2005, die Rentmeister für die Galerie Aurel Scheibler bei der abc art berlin contemporary in einer der Hallen des Alten Postbahnhofs zeigen wird, steckt voller Ironie und Witz. Der Betrachter fühlt sich beim Umgang mit dem Objekt manchmal ertappt, oft überrascht und verwirrt. Thomas Rentmeisters Werk verunsichert und schafft somit eine entscheidende Basis für das Hinterfragen der eigenen Perzeption im Bezug auf Kunst- und Konsumzusammenhänge. Der Eindruck von Kompaktheit und Masse der Skulptur, der seiner kubusartigen Form geschuldet ist, löst sich bei näherem Hinsehen in eine lockere Verbundstruktur aus Einzelteilen auf. Die Massivität mit der die Skulptur dem Betrachter zunächst entgegen tritt steht dem verwendeten Material des federleichten Papiertaschentuchs diametral entgegen. Aber auch die inhaltliche Ebene verwirrt, was eben noch monumental, fast sakral im Raum gewirkt hat, entpuppt sich beim vis-a-vis mit dem Objekt als profaner Wegwerfartikel.

Im vielfachen ironischen Spiel mit der Betrachterwahrnehmung und dem Standpunkt im Raum korreliert Thomas Rentmeisters Werk hervorragend mit dem Konzept der abc art berlin contemporary neue Perspektiven auf den Berliner Kunstbetrieb eröffnen zu wollen.

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Thomas Rentmeister
Im Rahmen der abc art berlin contemporary, Berlin

Ort: Postbahnhof am Gleisdreieck, Kreuzberg Luckenwalderstrasse 4-6, 10963 Berlin