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Ein abgewrackter Helikopter, überflügelt von einem Bündel braun gefleckter Bananen; das Rund einer antiken Arena neben einer Roten-Beete-Knolle; ein kopfloses Reiterstandbild und ein abgetrennter Eselskopf an einer Wand; zwei runde Lüster, begleitet von zwei Orangen: Thomas Florschuetz schert sich bei der Anordnung seiner Bilder in der Kunsthalle Tübingen nicht um inhaltliche Stringenz. Vielmehr bestimmen visuelle Bezüge und ästhetische Assoziationen die Hängung der großformatigen Arbeiten des Berliner Fotokünstlers. Und doch beherrscht ein Grundtenor die Schau seiner Hauptwerke aus den Jahren zwischen 1997 und 2010. Es ist die Architektur, die den roten Faden durch die Ausstellungsräume spinnt.

So sind Florschuetz' Werkgruppen zu Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp, zu Oscar Niemeyers Bauten in Brasília, zur Deutschen Botschaft in London oder zu seinem Atelierfenster zu sehen, und immer wieder Unvollendetes oder Zerstörtes: David Chipperfields Umbaustelle des Neuen Museums, der Abrisstorso des Palasts der Republik, eine Vandalismusruine im kalifornischen Wonder Valley und die römischen Siedlungsreste im israelischen Bet Sche'an. Zwischendrin treten Variationen, Abweichungen und Störungen des architektonischen Themas in den Vordergrund: duftig zarte Orchideenblüten etwa, ähnlich anmutige Details von ausgedienten Kampfjets und Hubschraubern in einer Wüste in Arizona, oder die Nahaufnahme einer Roten-Beete-Knolle und andere überraschende Kontrapunkte. Die dokumentarische Eindeutigkeit, die dem Medium der Fotografie von jeher zugeschrieben wird, finden die durch die Kunsthalle Tübingen flanierenden Besucher nicht wieder. Stattdessen werden sie beim Gang durch Florschuetz' visuelle Kompositionen eine geradezu musikalische Rhythmizität und eine schillernde Vieldeutigkeit erleben, die jeden Interpretationsspielraum offen lassen.

Schärfe, Unschärfe, Spiegelung und Fragmentierung sowie die Zusammenfügung von Teilansichten zu mehrteiligen Ensembles gehören zu den Verfremdungseffekten, die sich Thomas Florschuetz im Laufe seiner bemerkenswerten Karriere erarbeitet hat. Der international herausragende Vertreter deutscher Fotografie hat sich sein künstlerisches Können autodidaktisch in Zwickau angeeignet, wo er 1957 geboren wurde. Nachdem er sich 1981 der Ostberliner Künstlerszene angeschlossen hatte, experimentierte er mit Selbstakten, die er zu absurden Ensembles fügte. Mit diesen Arbeiten gewann er überraschend 1987 den Preis für junge europäische Fotografie in Frankfurt am Main. Anschließend übersiedelte er nach Westberlin. Ab 1993 schuf er mittels Durchleuchtung von Körperteilen Bilder von abstrakter Qualität. Ab 1997 setzte er sein Atelierfenster als ein die Außenwelt brechendes Kaleidoskop ins Bild. Bis zur Jahrtausendwende entstanden Blumen- und Vorhangbilder. Seitdem befasst er sich mit Architektur. Die Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen vereint erstmals eine Auswahl dieser jüngeren Werkgruppen zu einem umfassenden Überblick.

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Thomas Florschuetz
Imperfekt