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03. September – 04. Dezember 2022
Vernissage: 02. September 2022, 18.30 Uhr

The Other Kabul. Remains of the Garden

Afghanische und nicht-afghanische Künstler:innen präsentieren in The Other Kabul. Remains of the Gar- den Werke mit poetischer Kraft, die sich den westlichen Klischees zu Afghanistan entziehen. Vielmehr widmet sich die Ausstellung der Sinnlichkeit und Schönheit, die sich symbolisch im Mikrokosmos des Gartens spiegelt, und beharrt darauf, dass ein anderes Leben möglich sein kann, möglich sein wird. Viele der ausgestellten Werke wurden eigens für die Ausstellung in Thun geschaffen.

Vier der beteiligten afghanischen Künstler:innen lebten bis August 2021 noch in Kabul. Ihre Werke sind je- doch nicht auf Armut, Krieg und Unterdrückung beschränkt. Stattdessen legen sie den Funken der Schön- heit in die Welt Kabuls. Selbst, wenn dieser - wie alles Schöne - flüchtig und zerbrechlich ist. Der Fragilität dieser Vorstellung schliessen sich weitere Künstler:innen an, die im Iran, in den Niederlanden, in der Schweiz oder in der Türkei leben und arbeiten. Auch ihre künstlerischen Arbeiten tragen dazu bei, der Schönheit Sorge zu tragen, ohne dabei die vielfältigen und ineinander verschränkten Krisen der Welt unter den Teppich zu kehren.

The Other Kabul ist eine Gastausstellung des Vereins Treibsand, kuratiert von Susann Wintsch in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Thun.

Positionen in der Übersicht.

Die Künstlerin Arshi Irshad Ahmadzai (Neu-Delhi und Weimar) portraitiert mit Stoff und Papiermaché die berühmteste Gartenanlage Kabuls, Bagh-e Babur (2021/22). Sie lässt die Architektur mit dem Wasser ver- schmelzen und verschlüsselt sie dadurch. Darüber hinaus chiffriert sie die auf Leinwand notierten Texte, welche unter anderem den Wind und Gesprächsfetzen der Parkbesucher:innen wiedergeben.

Latifa Zafar Attaii (Teheran) hat während eines Jahres eintausend Passfotos mit leuchtenden sowie mit dunklen Wollfäden bestickt. Diese sind so dünn, dass die Gesichter der Menschen durch sie hindurch schimmern. Auf diese Weise schafft die Künstlerin eine eindrucksvolle Erzählung über helle und dunkle Mo- mente im menschlichen Dasein.

Auch die Künstlerin Jeanno Gaussi (Berlin) denkt über die Unterschiede zwischen Menschen nach. In ihrer Installation einer festlichen Tafel lässt sie deshalb auf Geschirr die Stimme eines afghanischen Tellerwä- schers erkennbar werden.

In seiner Videoarbeit wird der Künstler Baqer Ahmadi (Zürich) mit Mehl berieselt und mit flüssigem Honig übergossen - eine ambivalente Situation, die endlos zwischen Verführung, Strafe und Selbstkontrolle kreist.

Auch die Künstlerin Parastou Forouhar (Frankfurt) zeigt, wie das Schöne und das Grausame miteinander verflochten sind. In ihren digitalen Zeichnungen, die an persische Miniaturen erinnern, verknüpft sie deshalb mit dem Leben junger Frauen von heute.

Der Künstler Pieter Paul Pothoven (Amsterdam) führt uns in eine zauberhafte blaue Steinhöhle, die mit dem Licht durch geschnittene Plättchen des kostbaren Lapis Lazuli-Steins projiziert. Die grösste Lapis Lazuli Mi- nen liegt in Afghanistan, und wird immer wieder von den Kriegstreibern besetzt.

Ursula Palla (Zürich) zeigt in Bronze wiederum die zarte Pflanze eines Weideröschens, das auch Trümmer- blume genannt wird, welches sie deshalb mit eingeschmolzenen Waffen gegossen hat.

Die Künstlerin Almagul Menlibayeva (Berlin) wiederum lässt die kasachische Steppe, die von der Sowjet- union als Experimentierfeld missbraucht wurde, von weiblichen Figuren zurückerobern.

Necla Rüzgar (Ankara) löst in ihren Aquarellen und Skulpturen sowohl den körperlichen Unterschied wie auch die Gefühlswelt zwischen Tieren und Menschen vollends auf.

Das Wandbild aus Pflanzen von Monica Ursina Jäger (Zürich) ist aus Chlorophyll gemalt, verblasst deswe- gen Tag für Tag und wird, wie ein Garten, während der Dauer der Ausstellung erneuert.

Die aus armem, auf den Strassen Kabuls und Zürichs gefundenem Material gestalteten Figuren von Shahida Shaygan (Zürich) wurden auf ihrer Reise aus Kabul teilweise beschädigt und stehen nun den in der Schweiz vollendeten Objekten gegenüber.

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Publikation zur Ausstellung The Other Kabul. Remains of the Garden.
In der begleitenden Publikation wird der Garten als Resonanzraum, als Sehnsuchtsort und als Kraftraum durch literarische Texte begleitet. Der Schriftsteller Taqi Akhlaqi (Berlin} und die Künstlerin Haleh Anvari (Teheran) sind mit ihren Gärten sowohl historisch als auch biografisch verflochten und geben ihre Erinne- rungen wieder. Der Literaturwissenschaftler Robert Pogue Harrison (Stanford) hat uns das Originalmanu- skript eines Kapitels aus seinem Buch Gardens. Essay on the Human Condition gegeben und verbindet den Garten mit der Sorge um die Freundschaft, um Staaten und um Institutionen.
Die französische Künstlerin Oriane Zerah fotografiert bis in die jüngste Zeit die Beziehung von Männern und Rosen in Afghanistan, während die Künstlerin Latifa Zafar Attaii Landschaftsfotografien aus Afghanistan zum Katalog beiträgt.