press release only in german

Den Ausgangspunkt in Sven Johnes zyklisch angelegten Arbeiten bilden wahre, zumeist der Lokalpresse entnommene Geschichten. Seine aus dieser Spurensuche entwickelten Fiktionen dokumentarischer Erzählungen kombiniert er ästhetisch mit atmosphärischem Fotomaterial. Mit sparsamen Mitteln entwickelt der Künstler seine Geschichten: häufig aus gefundenen Abbildungen zusammengestellt, bisweilen mit Videoaufnahmen und selten mit eigenem Kameraeinsatz.

Diese Narrative handelt stets von gesellschaftlicher Realität, von kleinen und größeren Katastrophen und Zwischenfällen, die auf einer metaphorischen Ebene gesellschaftliche und psychologische Befindlichkeiten zum Ausdruck bringen.

Fünf Geschichten vom Scheitern erzählt die Serie „Vinta“ (2004) in Anspielung auf die der Legende zufolge versunkene Insel Vineta. Sven Johne entdeckte bei seiner Recherche zur Greifswalder Oie, der kleinen östlichsten deutschen Insel, dass verschiedene Leute versucht haben, an diesem Ort „einen Traum zu verwirklichen“ und dabei scheiterten. Sechs Diptychen zeigen Porträts der Charaktere und siknifikante Objekte aus den gescheiterten Projekten.

Die Arbeit „Ship Cancellation“ (2004) zeigt in unglaublich ruhigen Fotografien nichts als leere Meeresoberflächen, die irgendwo in der Ferne in Himmel übergeht. Der Himmel ist nicht besonders blau, und das Meer ist nicht besonders türkis. Dennoch sind die Bilder auf ihre ereignislose Art schön. Meditativ ist das erste Wort, das dazu einfällt. Bis man das Kleingedruckte liest. Knapp über dem Horizont findet sich der Name eines Schiffes und eine Koordinatenangabe. Aber erst der Text in der recht unteren Bildecke schafft Klarheit: „Der 120-Meter-Frachter verließ Darwin, Australien, am 12. Juni 1918 mit dem Ziel Southampton. Die Empire war eines der ersten Frachtschiffe, die eigene Kräne an Bord hatten, um in Häfen schneller be- und entladen werden zu können. Am zweiten Seetag geriet das Schiff in einen Sturm, in dessen Folge einer der ungesicherten Kräne die Aufbauten und das Achterdeck zertrümmerte. Die Empire sank innerhalb von zehn Minuten.“

Dort, wo auf dem Foto das Meerwasser öde vor sich hinschwappt, hat es also einmal ein Schiff verschlungen. Sofort entspinnt sich im Betrachter eine komplexe Beziehung zwischen Bild und Text: Sie widersprechen und ergänzen sich wechselseitig.

„Menschen, die den Kopf hinhalten“, faszinieren den Leipziger Künstler Sven Johne. So wie die Überlebenden, die in seiner Installation „Ship Cancellation“ davon erzählen, wie ihre Schiffe am eigenen technischen Fortschritt zugrunde gingen. Geschichten wie diese bilden den Ausgangspunkt seiner Arbeit.

„Mir ist aber wichtig, dass ich Erfahrungen selbst mache. Man sollte schon wissen, wovon man spricht.“ Deshalb schiffte sich Johne im Mai 2003 auf einem deutschen Containerfrachter ein und fuhr von Southampton nach New York. Auf der Reise entstand auch seine Videoarbeit „The Flying Dutchman“, in der nichts als menschenleere Frachträume und Korridore bei Nacht zu sehen sind. „Das Erstaunliche ist ja, dass diese Frachter nur eine sehr kleine Besatzung haben. Selten sind mehr als 20 Leute an Bord.“

Johne hat ein ausgeprägtes Gespür fürs Absurde. „Wenn man einen Seemann fragt, weshalb er seinen Beruf gewählt hat, sagen die meisten: ‚Weil ich die Welt sehen wollte und von Technik fasziniert war.’ Dabei hat keines von beidem mit der Realität zu tun“, erzählt er. „Die Technik arbeitet fast von allein. Und die Welt sieht man auch nicht. In den meisten Häfen gehen die Matrosen nicht von Bord. Eigentlich ist der Seemann für mich der Inbegriff des modernen Menschen: bis zur Bindungslosigkeit mobil und nur für die Arbeit da.“

only in german

Sven Johne
Konzeptuelle Fotografie und Video