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Für ihre Installation Situation Comedy lieβ sich Suzanne Lafont von der Broschüre Manipulating the Self: A Borderline Case [Selbstmanipulation: ein Grenzfall] inspirieren, einem vom kanadischen Künstlertrio General Idea 1971 herausgegebenen kleinen Schwarz-Weiß-Druck. Für Manipulating the Self hatte General Idea einen Aufruf an Fotografen veröffentlicht, bei dem diese gebeten wurden, sich selbst zu fotografieren und dabei folgende Anweisungen zu beachten: „Die Hand ist ein Spiegel für den Geist - legen Sie den Arm um den Kopf, halten Sie den Ellbogen dabei hinter dem Nacken und fassen Sie ihr Kinn mit der Hand.”

Dem Anzeigentext zufolge wurde das Modell bei dieser Körperverbiegung zugleich „Objekt und Subjekt, Betrachteter und Betrachter”. In der Broschüre sind 115 „Bildsituationen” mit der beschriebenen Haltung zu sehen, 99 davon zeigen zugleich das Bild der Person sowie deren Namen. Im Jahre 1973 wurde im Zusammenhang mit dem Projekt auch ein Plakat hergestellt, für das ein anderer Titel vorgeschlagen wurde - Manipulating the Scene [Bühnenmanipulation] - General Idea stimmte zu.

Mit Situation Comedy beleuchtet Suzanne Lafont diesen Übergang von der „Selbstmanipulation” zur „Bühnenmanipulation” neu, indem sie eine Reihe von Verlagerungen vornimmt. Dabei eignet sie sich Manipulating the Self an, indem sie sich zunächst für die Spannung zwischen dem Spiegelbildlichen und dem Spektakulären interessiert. Während das Projekt von General Idea mit der Idee der Hand als „Spiegel des Geistes” spielte, ist Situation Comedy hingegen ist eine Art Inszenierung von Manipulating the Self, das so in die Welt des Theaterhaften transponiert wird, wobei das Ich nur noch eine Nebenrolle spielt. Die 99 Drucke in Situation Comedy übernehmen die 99 in der Broschüre von General Idea mit Namen versehenen Fotografien. Bei 23 Abzügen wurden die ursprünglichen Haltungen von einer Gruppe von Kunststudenten, mit denen die Künstlerin an diesem Projekt gearbeitet hatte, nachgestellt. Die restlichen 76 Bilder hingegen sind leer: es sind einfarbige Bildhintergründe ohne Personen, die nur mit „(not performed)” [„(nicht dargestellt)”] beschriftet sind, womit sie die symmetrische, in den ursprünglichen Fotografien zwischen „Objekt und Subjekt, Betrachtetem und Betrachter” bestehende Beziehung aufheben.

Um die Rolle des Theaterhaften in der Broschüre von General Idea zu betonen, übersetzt Situation Comedy die gesamte Publikation in die unmittelbarste Form visuellen Ausdrucks, in eine farbliche Abstufung von Lila über Rot, Blau und Gelb bis hin zu Grün. Situation Comedy wirkt deshalb spektakulär, weil die formellen Charakteristika des Projekts von General Idea - die Schwarz-Weiß-Bilder, die Formulierung der Anzeige, die Kombination von Text und Bild - nunmehr auf visuelle Codes der Unterhaltungsindustrie anspielen. Im Gegensatz zur amateurhaften Ästhetik der Selbstporträts in Manipulating the Self erinnern in Lafonts Abzügen die glatten Flächen und makellosen Erscheinungen an Fernsehsprecher, während die intensiven Farben an Fernsehshows und an die perfekte Umgebung von Fotostudios denken lassen.

Suzanne Lafont unternimmt indessen in Situation Comedy noch eine weitere Verschiebung, bei der die Bedeutung des Theaterhaften wiederum in Frage gestellt wird: sie zielt auf die Kraft der Sprache, genauer gesagt auf die der Namen, um die Leere zu reaktivieren, die durch die abwesenden Darsteller entstanden ist. Jeder Abzug zeigt nämlich außer der in der Broschüre angegebenen entsprechenden Seitennummer auch die Namen der Studenten sowie diejenigen der ursprünglichen Akteure, deren Haltung er oder sie jeweils übernommen hat. Die Tatsache, dass auch die leeren Bilder die Namen der beiden Gruppen enthalten, weist auf die zentrale Rolle der Namen in Suzanne Lafonts Installation hin.

Einen Namen zu haben bedeutet für Lafont ebenso viel wie ein Kleidungsstück anzuziehen oder es zu wechseln: alles hängt von der Situation und der gesuchten Wirkung ab. Der performative Aspekt von Situation Comedy liegt genau hier: im Unterschied, den das Werk zwischen den szenischen Regeln - im Fernsehen oder bei Performances - und einem sprachlichen System macht. Wenn nämlich nichts auf der Bühne dargestellt wird, kann der Name als performativer Vektor ins Licht rücken. Die bei Situation Comedy gespielte Komödie wäre somit mit einer Aufzeichnung, nicht jedoch mit einer Liveübertragung, gleichzusetzen. Die Namen und die dargestellten Personen (der Jahre 1971 und 2009) spielen sich gegenseitig die Bälle zu, ganz gleich, ob sie physisch präsent sind oder nicht. Hier handelt es sich sehr wohl um ein Spiel: genauso wie Theaterrequisiten oder wie beim Kartenspiel bleiben die Bilder der Situation Comedy eine Weile abseits, sind aber jederzeit bereit, bei Bedarf wieder eingesetzt zu werden bzw. auf der Bühne zu erscheinen.

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Suzanne Lafont
Situation Comedy
Kurator: Paul di Felice