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Eröffnung: Freitag, den 18.07.2008, 19.00 h

Der 1954 in Galesburg/Illinois geborene und in Los Angeles lebende Künstler Stephen Prina greift in seinen Werken gezielt Verfahrensweisen der Minimal Art und Konzeptkunst auf. So werden einflussreiche Aspekte künstlerischer und gesellschaftlicher Entwicklungen der vergangenen Jahre gespiegelt und in die Gegenwart hinein aktualisiert. Jedes seiner Projekte kennzeichnet ein vielschichtiges Referenzsystem, das Motive und Themen aus Bildender Kunst, Literatur, Film und Philosophie aufnimmt. Prina bindet diese Motive in neue Zusammenhänge ein, rekonstruiert und variiert deren zugrunde liegenden Strukturen. Die Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ist die erste umfangreiche Retrospektive Stephen Prina’s in Europa. Neben Malerei und Fotografie werden raumgreifende Installationen gezeigt, die die Besonderheiten des Ortes berück-sichtigen und ein spannungsreiches Wechselverhältnis zur Architektur der Kunsthalle eingehen.

Stephen Prina bezieht sich in seinen Werken auf ein Spektrum so bedeutender Theoretiker und Künstler wie Theodor W. Adorno, Roland Barthes, Heinrich Böll, Marcel Broodthaers, Dan Flavin, Joseph Kosuth, Edouard Manet, Andy Warhol und Lawrence Weiner. Neben motivischen und strukturellen Bezügen heben Prina’s Werke besonders die Platzierung von Kunst in Ausstellungs-räumen hervor: Seine Projekte thematisieren den Entstehungskontext von Kunst und stellen einen speziellen Zusammenhang zwischen historischen und aktuellen Ausstellungsorten her. Durch die offene, sich stets weiter entwickelnde Werkstruktur legt Prina in fast allen seinen Arbeiten einen Akzent auf den Charakter der Vorläufigkeit von Kunst.

Prina arbeitet häufig in Langzeitprojekten an Werken, die den jeweiligen Ausstellungskontext reflektieren. Eine solche künstlerische Strategie verfolgt die Sound-Installation The Second Sentence of Everything I Read Is you, die erstmals 2006 in der Galerie Friedrich Petzel, New York, gezeigt wurde. Im Sommer 2007 entstand eine weitere Version in der Galerie Gisela Capitain in Köln, bei der sich die Dimensionen und die Farbnuancierung änderten. Die Installation lässt sich mit einem temporär aufgebauten „fahrenden Bühnenspektakel“ assoziieren: Transportkisten, die die technischen Versatzstücke der Installation enthielten, sind in der Mitte des Raumes am Boden aufgestellt und werden durch Polster zu Sitzbänken umfunktioniert, Kabel und elektronische Soundelemente werden sichtbar ausgestellt. An den Ausstellungswänden erscheint der Schriftzug „…Things Felix forgot to tell us…“, der mit der von Prina eigens für die Installation komponierten Musik korrespondiert. Musik und Text stammen aus dem von Julie Ault 2006 herausgegebenen Buch Felix Gonzalez-Torres und geben verstreute Gedanken und Erinnerungen an den 1996 verstorbenen kubanisch-amerikanischen Künstler wieder. Durch den suggestiven Klang von Prina’s Songs wird der Betrachter angeregt, sich durch den Ausstellungsraum zu bewegen und die unterschiedlichen Komponenten wie Schrift, Sound und skulpturale Elemente in eine neue, subjektive Beziehung zueinander zu setzen. Prina’s Verfahren der De- und Rekomposition künstlerischen Materials ist weder als Hommage noch als Kritik aufzufassen, sondern begründet einen lebendigen und gegenwärtigen Austausch zwischen künstlerischen Praktiken.

Der Einsatz von Klangelementen und Musik ist in Prina’s Werk mit dem Thema Zeit verbunden. Zum einen verdeutlicht dies der Prozesscharakter vieler seiner Werke, zum anderen transportiert die Musik selbst eine bestimmte Zeitgebundenheit. In der Installation The Top Thirteen Singles From Billboard’s Hot Singles Chart For The Week Ending September 11, 1993 (1993) spielt eine Uhr zu jeder vollen Stunde eine der dreizehn Hitsingles der amerikanischen Billboard-Charts. Die Musik wurde hierfür gecovert und als Glockenklang umarrangiert. Da das konzeptuelle Verfahren im Vordergrund steht, kann die Wahl auf Lieder fallen, deren Melodie sich mehr oder weniger gut für die Umsetzung eignet. Tatsächlich reicht die Auswahl der Stücke vom Soundtrack des Königs der Löwen bis zu einer Rap-Version des Songs Nothin’ But a G Thang. Die Pop-Songs erweisen sich in ihrer Wiederauflage als vergängliches Material, das kurz nach dem Erscheinen der Hit-Single schon wieder in Vergessenheit gerät. So hinterfragt Prina’s Werk die Billboard-Hitparade als institutionalisierten Maßstab für kulturästhetische Qualität.

Für die Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden wird Prina eine Version der Soundinstallation The Second Sentence of Everything I Read Is you realisieren, bei der sich das Werk erneut transformiert. Prina’s künstlerische Arbeitsweise, die gesellschaftlichen, historischen und medialen Kontextbedingungen von Kunst zu hinterfragen, entspricht dem Ausstellungsprogramm der Kunsthalle, das einen Schwerpunkt auf zeitgenössische minimalistische und konzeptuelle Positionen legt.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog, der einen Überblick über Stephen Prina’s Schaffen gibt und die ortsbezogenen Installationen in der Kunsthalle dokumentiert, mit einer Einführung von Karola Grässlin, einem Gespräch zwischen Stephen Prina und Bennett Simpson und einer Werkanalyse von Astrid Wege. Der Katalog erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.

Im Rahmen der Ausstellung findet am Sonntag, den 27. Juli 2008, um 11 Uhr in der Orangerie des Brenner’s Park-Hotel & Spa eine Performance von Stephen Prina statt, bei der er Lieder über Liebe, Sex und Tod singt. Stephen Prina ist der diesjährige „Brenner’s artist in residence“. Unser herzlicher Dank gilt dem Brenner’s Park-Hotel & Spa. Ein Begleitprogramm mit Vorträgen, Filmabenden und Führungen wird die Ausstellung auf einer weiteren Ebene reflektieren und ergänzen.