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Orte:
Die Großausstellung „Grand Hotel Abyss“ findet an verschiedenen Orten in der Stadt Graz statt.

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steirischer herbst ’19: Grand Hotel Abyss
19.09.2019 – 13.10.2019

Eröffnungstage: 19.–22.9.19
Zahlreiche Veranstaltungsorte in Graz und in der Steiermark, Österreich

Der steirische herbst ist ein interdisziplinäres Festival für zeitgenössische Kunst, das 1968 in einem herausfordernden politischen und geografischen Kontext gegründet wurde; in einem Land, das viele historische Leichen im Keller hatte, und in einer Stadt, die in einer Grenzregion des Kalten Krieges lag. Das neue kuratorische Team des Festivals begann 2018 in seiner ersten Ausgabe unter dem Titel Volksfronten damit, diese Geschichte und das aktuelle politische Klima in Österreich und Europa zu thematisieren. Die Ausgabe 2019 schließt unmittelbar daran an und geht den zerstörerischen Widersprüchen und dem unheimlichen Charme des Habsburgischen Europa sowie seiner Bedeutung für den Rest der Welt tiefer auf den Grund.

Der Titel des diesjährigen Festivalprogramms lautet Grand Hotel Abyss (Grand Hotel Abgrund) – eine schlagende Metapher, die der Philosoph Georg Lukács prägte. Lukács beschrieb die europäische Szene der Intellektuellen und Kulturschaffenden als „ein schönes, mit allem Komfort ausgestattetes modernes Hotel am Rande des Abgrunds, des Nichts, der Sinnlosigkeit. Und der tägliche Anblick des Abgrunds, zwischen behaglich genossenen Mahlzeiten oder Kunstproduktionen, kann die Freude an diesem raffinierten Komfort nur erhöhen.“ Lukács´ Bild entspricht der Selbstdarstellung von Graz und dem umliegenden österreichischen Bundesland Steiermark als Genussregion, als kulinarische und ästhetische Wohlfühlzone. Graz und die Steiermark gehören zu den zahlreichen Blasen aus gehobener Gastronomie, Wellness und Bio-Komfort, die in Zeiten zunehmender Ungleichheit entstehen – Orte, die maßgeschneidert sind für Geschäftsreisende und Kulturtourist*innen, wo das Lob traditioneller Erzeugnisse beängstigende, kryptonationalistische Untertöne hat und der Abgrund der radikalen gesellschaftlichen Exklusion, der Wirtschaftskrise und des entfesselten militärischen Konflikts lauert und in Zeitlupengeschwindigkeit näherkommt.

Grand Hotel Abyss nimmt diese Situation als Ausgangspunkt für eine umfassendere Betrachtung des Hedonismus in Zeiten der nahenden Apokalypse. Das Festival blickt zurück auf seine Vorgeschichte in den turbulenten Tagen des beginnenden Kalten Krieges, als britische Offiziere, darunter auch der junge John le Carré, das Hotel Wiesler – das damals einzige wirkliche Grand Hotel der Stadt – übernahmen und ihr Hauptquartier im Palais Attems aufschlugen, in dem sich heute das Büro des steirischen herbst befindet. Das diesjährige Programm erzählt Geschichten über die Wohlfühlpolitik des Nationalsozialismus, über sexuelle Praktiken der Zukunft, über die unmögliche Entscheidung zwischen Faschismus und Nationalsozialismus, die Tirol in den 1930er-Jahren aufgezwungen wurde, und über Handelssanktionen für landwirtschaftliche Produkte im heutigen Russland – und es spult vor in eine dystopische Zukunft, in der die bestehenden Kulturinstitutionen der Stadt in Cafés umgewandelt werden.

Der steirische herbst ’19 eröffnet am 19. September mit einer Abendveranstaltung voller überraschender Ereignisse und entwickelt sich anschließend in der gesamten Stadt zu einem vierwöchigen, dicht gewobenen kuratorischen Narrativ aus Performances, Bühnenproduktionen, Installationen und Filmen von Künstlerinnen aus aller Welt. Das Kernprogramm wird wie in jedem Jahr begleitet von einem umfangreichen und vielgestaltigen Parallelprogramm, das von Kulturinstitutionen der Steiermark und der Stadt Graz präsentiert wird. Eine vollständige Künstlerinnenliste von Grand Hotel Abyss wird im Juni bekanntgegeben.

Intendantin und Chefkuratorin: Ekaterina Degot
Konzept: Ekaterina Degot und David Riff
Kuratorisches Team: Mirela Baciak, Ekaterina Degot, Henriette Gallus, Dominik Müller, Christoph Platz und David Riff