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Stadt – Land – Fluss. Ein Kinderspiel und doch die Herausforderung der heutigen Gesellschaft. Unsere Umwelt, die Landschaft, die uns umgibt, die uns ernährt und ohne die unser Leben nicht möglich wäre, ist gefährdet. Besser gesagt nicht unsere Umwelt ist bedroht, sondern vielmehr unser Leben in ihr. Die Unterwerfung der Landschaft, der Umwelt, der Naturkräfte hat eine lange abendländische Tradition. Ob der biblische Imperativ der Genesis „Mache Dir die Erde untertan“ die Ursache hierfür ist oder einfach nur der Egoismus jedes Einzelnen, sei dahingestellt.

Auch in der Kunst hat die Unterwerfung der Natur, der Landschaft, eine lange Tradition, sowohl in der Gartenkunst wie in der Malerei. Pompejanische Villen waren mit Wandmalereien blühender geometrisch geordneter Gartenillusionen ausgestattet. Eine Illusion, die sich noch heute in manchen Fotowänden mit Wald- oder Strandmotiven fortsetzt. Die Sehnsucht nach einem befriedeten, unentfremdeten Leben im Landschaftsraum wird in beiden künstlich konstruierten Innenräumen deutlich. Der Gegenentwurf zur Zerstörung des Lebensraumes ist noch immer die Sehnsucht nach dem Paradies. Doch bei aller Schönheit kann auch ein Aufenthalt an südlichen Stränden oder in der Einsamkeit der Bergwelt diese Sehnsucht nicht stillen. Eine Sehnsucht, die auch das idealste Landschaftsgemälde nicht erfüllen kann.

Im Barock zählte die Landschaftsmalerei zu den niederen Gattungen, da in ihr keine historisch oder literarisch erzählte Geschichte dargestellt wurde. Dennoch war sie keine blosse Abbildung der äusseren Realität, sondern zeigte stets ein konstruiertes Landschaftsideal. Dieses Ideal wandelte sich erst im 19. Jahrhundert mit den späten Landschaftsdarstellungen William Turners, in denen sich das Sujet in eine atmosphärische Wiedergabe von Licht und Farbe auflöste. Auch die Pleinairmalerei der Impressionisten versuchte weniger die Landschaft, sondern vielmehr die Lichtreflexe auf der Netzhaut wiederzugeben.

Die Expressionisten hingegen lehnten eine solche Wiedergabe der flüchtigen Sinneseindrücke ab. Sie wollten vielmehr durch Steigerung von Farbe und Form ihr Innerstes zum Ausdruck bringen. Die Künstler der 1905 gegründeten „Brücke“, Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff und Pechstein, nutzten gerade die Landschaftsmalerei zur Darstellung ihrer inneren Verfasstheit. An den Moritzburger Teichen entstanden zudem Inszenierungen einer paradiesisch unentfremdeten Einheit von Mensch und Natur. Wild und ungebärdig wollten sie sein und sich so in freier Natur bewegen und darstellen. Doch schon bald, 1913, brach das Idyll der Gruppe auseinander, kurz bevor ein viel bedrohlicheres Ereignis nicht nur die künstlerische Wahrnehmung der „Brücke“-Künstler auseinanderdriften liess.

Die Erschütterungen des Ersten Weltkrieges führten bei Ernst Ludwig Kirchner zum totalen nervlichen Zusammenbruch, nach dem er sich im schweizerischen Davos wieder fand. Hier wurde das Berg- und Alpenleben sein zentrales Thema, aus dem er auch seinen flächigen „Neuen Stil“ entwickelte. Trotz der Abgeschiedenheit der Schweizer Bergwelt gelang es Kirchner, parallel zur internationalen Entwicklung der Kunst, seinen eigenen Weg zwischen Abstraktion und Figuration zu finden. Das fast surreale, traumwandlerische Gemälde „Nächtliche Phantasielandschaft“ von 1930-32 ist hierfür ein ebensolches Beispiel wie seine späte „Szene aus dem Sommernachtstraum“ von 1937.

Einen ganz anderen Weg schlug sein ehemaliger „Brücke“–Weggefährte Erich Heckel ein. Während Kirchner seinen Davoser Wohnort so gut wie nie verliess, war Heckel ein rastloser Reisender, mit dem Skizzenblock als ständigem Begleiter. Akribisch hielt Heckel seine Berg- und Seeimpressionen als Skizzen mit genauen Angaben zur jeweiligen Farbigkeit fest. Im Atelier oder auch im Hotelzimmer schuf er hieraus topographisch präzise Aquarelle. In all diesen Aquarellen und auch in den daraus entstanden Gemälden bleibt jedoch immer eine neusachliche Distanz zu den Dingen spürbar.

Mit Lust am expressiven Gestalten hielt dagegen der ehemalige Bauhausschüler Max Peiffer Watenphul auf einer Reise durch Mexiko 1924 die Eindrücke des südamerikanischen Landes in farbenfrohen Stadt- und Strassenansichten fest. Auch bei späteren Italienreisen bewahrte sich Peiffer Watenphul sein Einfühlungsvermögen in die Stimmung des jeweiligen Ortes, ebenso wie seine poetische Naivität des Blicks. Italien wurde für Peiffer Watenphul ebenso wie für Eduard Bargheer und Hans Purrmann nach 1933 Zuflucht und Exil. Während aber Purrmann und Peiffer Watenphul in ihren Bildern auch nach 1945 ein antikisch idealisiertes Italien feiern, überführte Bargheer seine lichtdurchfluteten Landschaftsansichten in kristalline Gitterstrukturen an die Grenze zur Abstraktion.

Nach den unfassbaren Schrecken des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges war eine ungebrochene Darstellung der Landschaft nur noch schwer möglich. Dennoch spielt die Landschaft gerade in der zeitgenössischen Kunst eine zentrale Rolle. Allerdings erscheint sie heute zumeist ironisch gebrochen, verfremdet oder fragmentiert. So nutzt Daniel Spoerri gemalte Landschaften des 19. Jahrhunderts als Ausgangsmaterial für seine morbid skurrilen Assemblagen. Nakis Panayotidis versinnlicht Zerfall und Zerstörung durch die Kombination von fotografierten Industrieruinen mit Blei und Neon. Und während Robert Klümpen ganz bewusst Unorte, wie Bahnunterführungen, abgestellte Wohnwagen und Müllcontainer, als Motiv seiner Malerei wählt, sind es bei Giovanni Manfredini verschattete Monde in fernen Galaxien.

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Stadt - Land - Fluss
Die Landschaft vom Expressionismus bis heute
Kuratorin: Andrea Schmidt

Künstler:Eduard Bargheer, Georg Baselitz, Theo Eble, Conrad Felixmüller, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Robert Klümpen, Giovanni Manfredini, Berthold Mueller, Gabriele Münter, Emil Nolde, Nakis Panayotidis, Max Pechstein, Max Peiffer Watenphul, Hans Purrmann, Christian Rohlfs, Karl Schmidt-Rottluff, Daniel Spoerri, Bernd Zimmer