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Ausstellungsort Japanisches Palais

Sprachlosigkeit — Das laute Verstummen
16.04.2021—01.08.2021

Wie lässt sich über scheinbar Unaussprechliches sprechen? Wie überwinden Gesellschaften Zustände der Sprachlosigkeit nach Verlust- und Gewalterfahrungen? Kollektive Traumata – Krieg, Genozid, Verfolgung und Vertreibung – hinterlassen tiefe Spuren im Gedächtnis von Gemeinschaften. Sie prägen das Fühlen, Denken und soziale Handeln der Menschen. Gemeinsam ist ihnen die Suche nach Sprache, die Erlebtes in Worte fasst.

Die Ausstellung nimmt sich verschiedener Gewalterfahrungen in globaler und zugleich differenzierter Perspektive an. Literatur und Poesie, Arbeiten von Künstlerinnen und Aktivistinnen und die Geschichten hinter den Sammlungsobjekten der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen ergeben ein Gewebe, das diese Erfahrungen zueinander in Beziehung setzt.

Ausgehend von der poetischen Widerstandskraft von Literatur fragt die Ausstellung nach Möglichkeiten der Überwindung eines Schweigens, das bis heute unsere Gegenwart prägt. Doch sie ist auch von dem bestimmt, was Hannah Arendt als “dichterisches Denken” bezeichnete: in der Poesie wird Unsichtbares sichtbar. Sie besitzt die Kraft, Begriffe neu zu besetzen, und Aufmerksamkeit für andere traumatische Erfahrungen zu schaffen. In der Gedichtspur wird dieser Ansatz deutlich: Sie begleitet und kommentiert die Ausstellung. In der Betrachtung der jeweils eigenen historischen und gesellschaftlichen Ursachen wird Sprache zum Weg und zur Methode des empathischen Erinnerns.

"Erreichbar, nah, und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache. […] Aber Sie musste hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede."
Paul Celan, 1958, Gesammelte Werke in fünf Bänden. Dritter Band. Gedichte III. Prosa. Dabei steht

Mit ihrem Eingang ins Museum wurden Dinge des Alltags, Kunstwerke, rituelle Objekte oder Werke politischer Repräsentation in eine museale Ordnung eingefügt. Sie wurden zu „ethnologischen Objekten“. Die Provenienzen und Erwerbskontexte der Sammlungen der Museen für Völkerkunde in Dresden und Leipzig zeigen die geteilten, jedoch ungleichen Geschichten von Kolonialismus, struktureller Gewalt und Rassismus auf. Ein zentrales Anliegen der Ausstellung ist die Sichtbarmachung des kolonialen Erbes, von Unrecht und Raub ebenso wie die Bemühungen um Wiedergutmachung gegenüber den Herkunftsgemeinschaften.

m Japanischen Palais treten diese Objekte mit Arbeiten von Künstlerinnen und Aktivistinnen in Dialog. So entsteht ein Geflecht an Beziehungen, in dem Fragen nach Verbindungen und (Un-)Übersetzbarkeiten von Erlebnissen in ihrer Ambivalenz fühl- und hörbar werden.

Die Besucherinnen sind eingeladen dieses Projekt aktiv mitzugestalten: Mit einem performativen Begleitprogramm und der Begleitpublikation, dem Diskursbuch Sprachlosigkeit, schafft die Ausstellung einen Raum zum Handeln und Sprechen – gemeinsam verfolgen sie die Utopie einer Zukunft jenseits der Sprachlosigkeit und entwerfen Möglichkeitsräume, in denen empathisches Erinnern und gemeinsames Sprechen möglich ist.