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Die Galerie Nordenhake zeigt ihre erste Einzelausstellung mit dem amerikanischen Künstler Spencer Finch. Für seine erste Berliner Ausstellung hat er neue Arbeiten entwickelt, die sich mit der Farbe Preußischblau auseinandersetzen. Finchs Arbeiten zeigen deutliche Referenzen zur Wahrnehmungspsychologie und Philosophischen Phänomenologie und er hat im Laufe seiner künstlerischen Karriere konsequent Fragen aus diesen Bereichen bearbeitet, wie etwa: Was heißt es eigentlich, eine Farbe wahrzunehmen? Was ist Sehen überhaupt? Wie teilen wir Erfahrungen mit? Wie kann ein Sinneseindruck einen persönlich bedeutsamen kulturellen Zusammenhang wiederbeleben und wie kann er mit anderen geteilt werden?

Die Ausstellung „Preußischblau“ ist eine weitere Stufe der Entwicklung einer ganz persönlichen „Cultural Colour Doctrin“ (Lehre kulturell signifikanter Farben). Sie umfaßt Phänomene wie die rosa Farbe von Jacqueline Kennedys Hut, den sie an dem Tag trug, als ihr Ehemann Präsident Kennedy erschossen wurde, die Deckenfarbe über dem Sofa von Sigmund Freuds Arbeitszimmer oder das Blau des Himmels in der Wüste von Los Alamos, wo 1945 die erste Atombombe getestet wurde. Preußischblau ist das erste künstliche Pigment und wurde vor 300 Jahren von Heinrich Diesbach in Berlin erfunden und fand sehr schnell breite Verwendung. Damit war zum ersten Mal für künstlerische und kommerzielle Zwecke ein günstiges Blau erhältlich. Bekannt wurde es etwa durch die Textilindustrie, die das Blau zum Färben der preußischen Armeeuniformen nutzte. Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten die Pioniere der Photographie Preußischblau für sich und stellten damit Cyanotopien (Positiventwicklung in Eisenblaudruck) und Blaupausen her.

Die Arbeit Prussian Blue,2005 ist ein dreidimensionales Model der Molekühlstruktur des benannten Pigments, das aus verschieden großen Glühbirnen zusammengesetzt ist. Wie bei allen seiner Arbeiten handelt es sich auch bei diesem Kronleuchter um eine Abbildung; sie gibt in der Tat das Aussehen des Pigments auf Mirkoebene wieder.

Direkt auf einer Galeriewand hat Finch eine große Cyanotopie mit dem Titel Self Portrait as Crazy Horse, 1995-2005 ausgeführt; eine Arbeit die sich zwischen Malerei, Photographie und Performance bewegt. Mit ihr referiert Finch abermals auf Preußischblau, aber auch auf die deutsche Begeisterung für Indianer, wie sie im großen Erfolg von Karl Mays Geschichten deutlich wird. Cyanotopien enthalten die gleichen chemischen Bestandteile, die sich auch im Pigment Preußischblau finden. Finch nutzte den Galerieraum mit seinen großen Fenstern als Kamera. Eine mit Gesso grundierte und photosensibilisierte Wand diente ihm als „Papier“, vor der er einen ganzen Tag stehend verbrachte. Vom Sonnenaufgang bis Untergang belichtet, entsteht auf blauem Grund in Weiß das Selbstportrait des Künstlers als berühmter Indianerhäuptling Crazy Horse. Zumindest scheinen wir einen weißen Schatten auf der Wand ausmachen zu können — oder ist es dies nur eine Einbildung? Crazy Horse war ein Oglala-Lakota Kriegshäuptling und Mystiker, der erfolgreich den Indianeraufstand anführte, der in die berühmte Schlacht von Little Big Horn mündetet, in der die US-Armee unter George Custers ihre größte Niederlage erlitt. Obwohl Crazy Horse einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis einnimmt und einer Ära entstammt, in der die Photographie eine entscheidende Rolle in der Definition historischer Persönlichkeiten und Schauplätze spielte, ließt er sich niemals photographieren: „Warum willst du mein Leben verkürzen, indem du mir meinen Schatten wegnimmst?“

Die Hauptarbeit, die Finch extra für diese Ausstellung konzipiert hat, ist die Installation Two Examples of Molecular Orbital Theory (Prussian Blue). Dem Eingang gegenüber befinden sich zwei große Türöffnungen, aus denen blaues Licht strahlt. Sie führen in zwei große Räume, die in das gleiche blaue Licht getaucht zu sein scheinen, obwohl die Farbe auf ganz unterschiedliche Weise erzeugt wird. Finch stellt in dieser Installation abermals unser Wahrnehmungsvermögen in Frage und versucht etwas Unerreichbares abzubilden, sei es die Farbe von Jackies Hut oder die unklare Position der Elektronen im Molekül. Ähnlichen Ideen begegnet man auch in seiner Serie von Aquarellen Study for a Transparent Language, Index of Prussian Blue (35 watercolour drawings), 2005. Finch hat 35 verschiedene Namen für das Pigment katalogisiert, die von American Blue bis Williamson’s Blue reichen. Hier stellt sich erneut die Frage: Was ist Blau?

Dies ist die erste Einzelausstellung von Spencer Finch in der Galerie Nordenhake. 2003 nahm er mit der Lichtinstallation New York Boogie Woogie, 2003, (The light at Times Square on the night of April 27, 2003, at 10 pm) an unserer Gruppenausstellung zum Thema Malerei „Pale Fire“ teil. Spencer Finch wurde 1962 New Haven, Connecticut geboren, und lebt und arbeitet in Brooklyn, New York. Seit den 1990er Jahren hat er international vielfach ausgestellt. Zu seinen letzten Ausstellungen zählen die Whitney Biennale, New York, 2004 und die Einzelausstellungen „As much of noon as I can take between my finite eyes“ Postmasters Gallery, New York, 2004, „Paris, Texas” Artpace, San Antonio und “ Mars Black” im Portikus, Frankfurt am Main, beide 2003

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Spencer Finch - Preußischblau