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Die Gruppenausstellung vereint Positionen zeitgenössischer Kunst, die sich dem Phänomen des Sammelns und Ordnens widmen. Das Thema hat künstlerisch und philosophisch eine lange Tradition und zugleich eine grosse Aktualität: Bilder- und Wissenssammlungen, aus denen sich das kulturelle Gedächtnis zusammensetzt, finden heute ihren Höhepunkt auf digitalen Speicherplätzen und in virtuellen Archiven des Internets. Die von Mobiltelefonen und Festplatten geläufige Meldung «Speicher fast voll» bringt die Situation auf den Punkt. Weltweit quellen die Archive und Datenspeicher über, ohne dass ein Ende des Wachstums abzusehen wäre. Künstlerische Ordnungsversuche sind vor diesem Hintergrund von grossem Interesse. Medien und Internet, Archive, Wissenschaft, Museen und Alltag bieten als Bilder- und Wissensspeicher unerschöpfliches Arbeitsmaterial zur Reflexion der gegenwärtigen Situation.

Erstmals wird nun diesem Thema in einem Schweizer Museum eine thematische Ausstellung gewidmet. Dabei sollen neben dem Fokus auf die jüngere Schweizer Kunst auch wichtige internationale Positionen gezeigt werden. Die Ausstellung eröffnet eine grosse Spannweite an unterschiedlichen Herangehensweisen und bietet damit einen aktuellen Querschnitt zur Lagebestimmung des Themas. Erstaunlich viele zeitgenössische Kunstschaffende nehmen Bezug auf die zunehmende Unübersichtlichkeit heutiger Bild- und Wissensproduktion und setzen sich auf je eigene Weise mit der Informationsflut auseinander.

Die Arbeiten in der Ausstellung sind thematisch geordnet: Die Werke von Kris Martin und Zorro & Bernardo & Sibylle Stœckli thematisieren historische Ordnungen des Wissens wie z.B. Objektsammlungen in Kuriositätenkabinetten. Die Genfer Künstlergruppe nimmt Bezug auf die Sammlungsgeschichte der Stadt Solothurn, indem sie lokale Sammlungen als Ausgangspunkt für ihre Arbeit wählt. Die Arbeiten von Emre Hüner, huber.huber, Daniela Keiser und San Keller reflektieren archäologische oder ethnologische Methoden und Ordnungsweisen, die sie paraphrasieren und für eigene künstlerische Aussagen fruchtbar machen. Isabelle Krieg, Costa Vece, Rolf Graf und Alex Hanimann stellen der allgemeinen Informationsflut ihre eigenen, subjektiv geprägten Bildersammlungen und Künstlerarchive gegenüber. Einige Kunstschaffende beschäftigen sich schliesslich auch mit der Auflösung von bestehenden analogen und digitalen Wissensordnungen (Nina Fischer & Maroan el Sani, Cat Tuong Nguyen, Thomas Feuerstein).

Skepsis und grundsätzlicher Zweifel an der Systematisierbarkeit der Welt kennzeichnen alle hier vorgestellten künstlerischen Zugänge. Subjektive Auswahlverfahren und ironisch-irrationale Gegenentwürfe zeigen sich als aufschlussreiche Verarbeitungsweisen der Informationsflut. Die individuelle Logik der Aneignung und Ordnung der Welt eröffnet ungewohnte Sichtweisen und mögliche Alternativen zum vorherrschenden Kanon. Dabei zeigen die ausgewählten Exponate vor allem, dass es bei der Auseinandersetzung nicht nur um abstrakte intellektuelle Probleme geht, sondern auch um existentielle Fragen der Identität angesichts einer kaum zu ordnenden Flut von Sichtweisen und Möglichkeiten. Mit ihren persönlichen Sammlungen und subjektiven Systematisierungen brechen die Künstlerinnen und Künstler den Kanon allgemeingültiger Taxonomien auf und wenden sich vielgestaltigen und zeitgemässen Formen des Forschens und Experimentierens zu.

Sabine Rusterholz

Zur Ausstellung erscheint die Publikation: Speicher fast voll, mit einem Text von Sabine Rusterholz, Kunstmuseum Solothurn, edition fink, Zürich, 2008, 66 Seiten, davon umfangreicher Bildteil mit 11 ausklappbaren Seiten, in Farbe

Vernissage: Samstag, 6. September, 17 Uhr

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Speicher fast voll
Sammeln und Ordnen in der Gegenwartskunst

Künstler: Thomas Feuerstein, Nina Fischer & Maroan el Sani, Rolf Graf, Alex Hanimann, huber.huber , Emre Hüner, Daniela Keiser, San Keller, Isabelle Krieg, Kris Martin, Cat Tuong Nguyen, Costa Vece, Zorro & Bernardo & Sibylle Stoeckli