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„Ich denke, es ist interessanter, über das Material zu sprechen, das die Arbeit determiniert, als über die Identität des Künstlers...“ Pamela Rosenkranz

In einer Welt voll von generierten Bildern verändert sich der Auftrag der Kunst. Ein Nachdenken über diese oft hoch psychologisierten Bildwelten, die Formen der Bildwiedergabe und Bildrepräsentation ist zwingend. Die Relation von Bild und Sprache, Sprache und Körper, Bild und Raum, Objekt und Subjekt hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten rasant verändert. Während die originäre Bildgenese als primäre Aufgabe der Kunst entfällt, wird das Arbeiten mit bereits existierenden Bildern, Objekten und Räumen zum entsubjektivierten Ort der Reflektion. Es gilt, die Welt aus der Abstraktion zu begreifen und nicht die Abstraktion aus der Welt. Das Moment des individuellen Schaffens wird nebensächlich, das Moment der Überführung der Bilder und Gegenstände in den Kunstraum als solches irrelevant. Die visuelle Reflektion erfolgt rhythmisch, prozesshaft und seriell. Die Wiederholung im Seriellen vollzieht sich dabei weniger im Spannungsfeld von Differenz und Gleichem als in einer unabschließbaren Vernetzung; allein in der variierenden Spekulation kann gedacht werden.

Durchdringender, staccato-artiger Sound und die serielle Poetik inkohärenter Narrative treffen in Ed Atkins’ Videos auf die hyperreale Präsenz und Kälte animierter menschlicher Körper. Die Grenzen zwischen der vermeintlichen Immaterialität des Mediums und der Körperlichkeit des Betrachters werden bis zum Exzess strapaziert. Elegant durchringt ein Schwert den Körper eines Axe Duschgels. Die stark psychologisierten Formen, Farben und Gerüche einer suggerierten Maskulinität werden von Timur Si-Qin pointiert derangiert und neo-materialistisch reflektiert. Oberfläche, reale und virtuelle Räume, digitale Bildbearbeitung und analoge Inszenierung verdichten und überlagern sich in den Arbeiten von Michele Abeles zu komplexen Bildebenen und Bildbedeutungen. Ihre Arbeit verlässt die starre symbolische Ordnung der Dinge zugunsten einer stetigen Zirkulation der Bilder und ihrer wechselnden Betrachtung.

Die Ausstellung Speculations on Anonymous Materials bringt weltweit erstmals internationale künstlerische Positionen zusammen, welche die Anonymen Materialien des eingreifenden technologischen Wandels neu denken lassen: Mit den technologischen Veränderungen des 21. Jahrhunderts hat sich auch unser Erfahrungsmodus von Welt, Körper, Bild und Sprache radikal gewandelt. Darauf reagierend, arbeiten sich die gezeigten Künstler nicht an den großen Paradigmen der Kunstgeschichte und der Ideologie des Ausstellungsraums ab, sondern an Dingen und Konstellationen der Lebenswelt. Die Künstler trachten nicht danach, autonome Welten zu erschaffen, vielmehr bedienen sie sich des uns umgebenden Bilder-, Material-, Geräte-, Anwendungs- und Kommunikationsfundus. Die Auseinandersetzung mit diesem Fundus betreiben die jeweiligen Künstler jedoch nicht als souveränes Selbst, sondern als Baustein dieser Kultur. Damit entziehen sie sich dem Diktat der individuellen Selbstoptimierung: Kein künstlerischer Genius, der intuitiv schöpft und über seine Kunst auch dem Betrachter eine kontemplative Konfrontation mit dessen Selbst und seinem Weltbezug ermöglicht, regiert, sondern Dinge, die unseren Alltag steuern. Diese werden ohne große Geste in den Kunstraum überführt und hier seriell derangiert. Interpretierende Entzifferung bricht sich dabei ebenso an den künstlerischen Arbeiten wie die Erahnung einer versöhnten Welt unterwandert wird. Stattdessen begegnen wir materiellen Spekulationen über das Unbegreifliche der Dinge, die wir alle kennen und doch nicht denken können.