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Ausgangspunkt der Ausstellung “Something in common” ist der Dialog ihrer Protagonisten. Im Zentrum dieses Dialogs, der durch die Künstler Shahram Entekhabi (geb. 1957 / Iran) und Anila Rubiku (geb. 1970 / Albanien) angestoßen wird steht die Frage nach der Konstruktion und Konstitution von kulturellen Identität(en). Beide Künstler, die heute fern ihrer ursprünglichen Heimat leben, bewegen sich zwischen den Kulturen, in einem hybriden Zustand, der keine eindeutige Identitätszuschreibung mehr kennt. Trotz ähnlicher Ausgangslage thematisieren und deuten beide diesen Zustand jedoch völlig unterschiedlich.

Shahram Entekhabi inszeniert sich selbst in seinen Videoarbeiten als Spiegel der ihn umgebenden Gesellschaft. Er formuliert dabei die generelle Ansicht, dass Identitäten sich immer erst im Konflikt mit dem Anderen entwickeln. Dem ständigen Spiel von Rezeption und Projektion, von sehen und gesehen werden, kann sich weder der von Entekhabi dargestellte “Typus” des ‚Migranten’ noch der Betrachter selbst entziehen. In seiner Rauminstallation “hayat” (persisch für ‚Innenhof‘) im Videospace der Galerie macht der Künstler diese gegenseitige Spiegelung für den Betrachter räumlich erfahrbar. Über einen langen, grell beleuchteten Gang, an dessen Ende sich ein Spiegel befindet, betritt der Besucher einen Innenraum in dem eine Reihe von Videos auf Monitoren gezeigt werden. Er sieht sich hier der von Entekhabi seit 2004 in unterschiedlichen Videoperformances entwickelten Figur des ‚Migranten’ gegenüber. Mit allen Attributen eines “Gastarbeiters” in Deutschland ausgestattet, reflektiert Entekhabi mit dieser Figur die, oft selbsterfahrenen, Klischeevorstellungen der ihn umgebenden Gesellschaft. Während das frühe Video “i?” (2004) noch eher Ausdruck der eigenen Ohnmacht gegenüber dieser Form der Fremdbestimmung ist, führt dieser Konflikt in den späteren Arbeiten wie “Mladen”, “Islamic star”, “Mehmet” und “Miguel” (alle 2005) zu einer eher herausfordernd-aggressiven Haltung des dargestellten ‚Migranten’. Die Klischeevorstellung der westlichen Gesellschaften über - visuell andersartige - männliche Ausländer als potentielle Gefahr i.S. von Kriminellen oder Terroristen wird hier überzeichnet und auf den Betrachter zurückgeworfen. Das Spiegelbild beginnt ein Eigenleben zu führen. Die Videoinstallation “Walkout” (2004), die im Erdgeschoss gezeigt wird, ist ebenfalls in diesem Werk- und Themenkomplex zu verorten, findet jedoch formal eine andere Lösung. Die Figur des einsamen Migranten, ausgestattet mit zwei Koffern in den Händen, wird hier auf eine Malerei projiziert, die im Hintergrund ein verlassenes Fabrikgelände abbildet. In der Projektion läuft die Figur auf das Gebäude zu, löst sich aber - je weiter sie sich dem Bildhintergrund nähert - immer mehr auf, bis sie schließlich vollständig aus der Malerei verschwindet. Die medial erzeugte Fata Morgana veranschaulicht in einer einzigen Geste die soziale Isolation des Migranten im Gastarbeiterland Deutschland. Die Malerei zeigt in dieser Erzählung medial wie inhaltlich den Ort der Anziehung und Absorption zugleich.

Zusätzlich zeigen wir im Erdgeschoss der Galerie eine Auswahl von Arbeiten Entekhabis, in denen er weibliche Pin-up-Figuren auf gefundenen Printmaterialien - wie Zeitschriften, Poster oder Spielkarten - mit einem Tschador versieht, also verschleiert. Einerseits spielt er damit auf die in islamischen Ländern verbreitete Praxis der Zensur von Frauenkörpern in Büchern und Zeitschriften der öffentlichen Bibliotheken an, anderseits betreibt er in Reflexion auf das westliche Bild von Musliminnen eine Art ironische "Islamisierung" der Medienlandschaft.

Während bei Entekhabi das Wandern zwischen den Kulturen eher in der Feststellung einer grundsätzlichen Fremdheit zwischen Innen- und Außenwelt resultiert, scheinen diese in den Arbeiten Anila Rubikus eine Einheit zu bilden. Nicht die Auseinandersetzung mit den fremden Kulturen, die ihr auf ihrer langen Reise von Albanien nach Italien begegnet sind, zeichnet sich in den Stickarbeiten, Installationen und Zeichnungen ab, sondern vielmehr die Konfrontation mit der eigenen Kultur und Tradition, die durch den Kontakt mit Fremde und Entwurzelung erst angestoßen wurde. Die in einer Performance mit ihrer Mutter entstandene Arbeit “Does real balance exist???” (2004), die wir zusammen mit der Installation Shahram Entekhabis im Erdgeschoss zeigen, verkörpert in sich diesen Prozess der Wanderung und der Wiederentdeckung der eigenen Kultur in der Fremde. Der hier benutzte Stickrahmen wurde von Generation zu Generation unter den Frauen in der Familie Rubikus weitergegeben. Auf ihm wurde der Schleier für die zukünftige Braut gestickt. In der Performance wurde dieser Rahmen zum Ort der Kommunikation zwischen zwei Generationen, zwischen Mutter und Tochter, zwischen Tradition und Gegenwart. Das Sticken als traditionelle Tätigkeit entwickelte sich zum Dialog, der sich als Faden in den Stoff zeichnete und sich dort verewigte. Der Betrachter, der eingeladen ist, sich an diesen Stickrahmen zu setzen wie in Albanien üblich, auf Kissen auf dem Boden wird so in den kulturellen Kommunikationsraum von Rahmen und Stickerei miteinbezogen. Auch die Installation “Houses of the rising sun” (2005), die im Videospace ausgestellt ist, schöpft aus dieser Erfahrung der eigenen Verwurzelung. Das Innenleben der Häuser, das dem Betrachter normalerweise verborgen bleibt, macht Rubiku durch Stickereien und Perforationen, die sie auf der Oberfläche der aus Papier gefertigten Modelle anbringt, sichtbar. Die Innenbeleuchtung der Häuser, die die Botschaften erst lesbar macht, vermittelt den Eindruck von Geborgenheit und macht dem Betrachter gleichzeitig die Intimität des auf den Wänden erzählten bewusst. Rubiku reflektiert in dieser Arbeit nicht allein die Rolle der Frau in der albanischen Gesellschaft, sondern vermittelt gleichzeitig einen Teil ihrer eigenen Biographie. Die Zerbrechlichkeit wie auch der ephemere Charakter der Häuser sind zugleich auch Ausdruck ihrer ständigen Reise, die aus dem Bekannten in die Fremde führte.

Im Erdgeschoss der Galerie zeigen wir weiterhin Stickarbeiten der Künstlerin auf Papier, in denen sie ebenfalls gängige Rollenbilder der Frau, aber auch Wertvorstellungen der westlichen Gesellschaft hinterfragt. Die Szenen spielen oftmals in häuslichen Umgebungen. Deren vermeintliche Idylle wird in den, oft zeichenhaft reduzierten Arbeiten, karikiert und dem Blick des Betrachters offenbart.

In der gemeinsamen Performance “Something in common”, die zur Eröffnung aufgeführt und danach als Videoaufzeichnung Teil der Ausstellung sein wird, verschmelzen die unterschiedlichen Ansätze der beiden Künstler. Anila Rubiku und Shahram Entekhabi werden fokloristisch anmutende, klischeéartig überzeichnete Outfits tragen, die unser Bild von den Roma und Sinti spiegeln, und - in Reminiszenz zur sprichwörtlichen Gastfreundlichkeit - dazu den auf dem Balkan verbreiteten Rakija an die Besucherinnen und Besucher ausschenken. Mit ihrer Performance setzen sie ihre Reflexion über Fremdwahrnehmung und Eigenwahrnehmung fort und zitieren gleichzeitig das Bild des Roma als ungebunden Reisenden, der sich über die Grenzen der Kulturen hinweg bewegt.

Tasja Langenbach (in Zusammenarbeit mit den Künstlern)

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