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Die Ausstellung „SKULPTURALE HANDLUNGEN“ präsentiert sieben aktuelle künstlerische Positionen zwischen Performance und interaktiver Skulptur. Verbindendes Element ist die Integration des eigenen Körpers in eine künstlerische Praxis, die im Grenzbereich zwischen den verschiedenen Ebenen von Aktion, Performance, Skulp-tur, Video und Fotografie verortet ist. Anknüpfend an das experimentelle Ausloten des eigenen Körpers, wie es bereits die 1960er und 70er Jahre vorführten, konfrontieren die hier gezeigten KünstlerInnen den statischen Begriff von Skulptur mit einer Synthese von Ereignis und Werk, von Präsenz und Repräsentation, von Immateria-lität und Materialität. Es sind die performativen Strategien, die den Werken ihre spezifische Erscheinung verleihen und verschiedene Ebenen von Zeitlichkeit, Raum und Erfahrung miteinander verweben.

Claudia Djabbari *1976 in München; lebt und arbeitet in München; 1998-2000 Bühnen- und Kostümbildstudium am Mozarteum in Salz-burg; seit 2000 Studium an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Olaf Metzel; 2001 Heimat, Pathos Transport Theater, München; 2004 Love It Or Leave It, Cetinje Biennale 5, Montenegro; Galerie Futura, Prag; 2005 Say no productions, part I & II, Galerie Bernd Klüser, München; Die Frauengruppe, ZK-Max, München; Perserbilder, Akade-mie Galerie, München. In einer U-Bahn-Station befindet sich ein Paar in Ballettkostümen, das zu klassischer Musik ein Pas de Deux absolviert. Die wartenden Fahrgäste zeigen sich irritiert bis desinteressiert. Der Betrachter dieser mit Video do-kumentierten Szene wird Zeuge dieser seltsam entrückt wirkenden Aktion im öffentlichen Raum. Die ungewöhnli-chen Performances und Aktionen von Claudia Djabbari zeigten sich in ähnlicher Weise in der mit Fotos dokumen-tierten Arbeit „Sitzende Tätigkeiten“ (2002). Die Künstlerin schuf eine Art verstecktes Korsett als Stehhilfe für Museumsaufsichten, das auch bei der Eröffnung der Ausstellung zum Einsatz kommen wird. In ihren Arbeiten, die Personen in überspitzten Alltagssituationen inszenieren, thematisiert Claudia Djabbari immer auch den von kultu-rellen Prozessen deformierten Körper, der hier durch Prothesen perfektioniert wird.

Nezaket Ekici *1970 in Kirsehir/Türkei; lebt und arbeitet in Berlin und Stuttgart; 1996-2000 Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Heribert Sturm und Prof. Wolf Dieter Meyer; Studium der Performance und Diplom an der Hochschule der Künste Braunschweig bei Prof. Marina Abramovic, Meisterschülerin; 2004 GASAG Kunst-preis; 2005 Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds; 2006 Kunststiftung Baden-Württemberg; 1999 Lab Control, Aka-demie Galerie, München; 2002 Lee(h)rstellen – Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, Akademie Galerie Mün-chen; 2003 Recycling the Future, 50.Venice Biennale, Venedig; 2004 Fountain, Galerie Breitengasser, Berlin; 2005 Orientation – Nezaket Ekici, Goethe Institut, Madrid; 2006 In to me, Out of me, P.S.1 New York. Ausgangspunkt für die Arbeiten von Nezaket Ekici sind Situationen des alltäglichen Lebens, für die sie beste-chende Bilder mit starker ästhetischer Wirkung findet. Auf fast schmerzhafte Weise thematisieren sie kulturelle Identität, körperliche Grenzerfahrungen sowie verschiedene Rollenbilder der Frau. In ihrer Performancedokumen-tation „No Pork but Pig“ (2004) sehen wir die Künstlerin bekleidet mit einem Tschador über Stunden hinweg zu-sammen mit einem Schwein in einem Stall eingesperrt. Die Unvereinbarkeit zweier Gegensätze, strikte Religiosi-tät und Unreinheit, wird hier in ihrem Scheitern symbolisch vor Augen geführt. „Screaming Feathers“ (2006) hingegen spielt mit dem Phänomen Hysterie und unseren Ängsten vor Vogelgrippe: Eingehüllt in Schutzkleidung zerfetzt die Künstlerin während der Eröffnung zwischen gackerndem Hühnergeschrei mit Federn gefüllte Kissen. Ihre Performances sind prozessorientierte Installationen, die ein virtuoses Spiel mit verschiedenen kulturellen und gesellschaftlichen Codes betreiben, um den Betrachter in ein beziehungsreiches Netzwerk zu verwickeln.

Patricija Gilyte *1972 in Kaunas/Litauen; lebt und arbeitet in München; 1991-1996 Studium an der Kunstakademie Vilnius Kunstinstitut Kaunas; 1997-2004 Studium und Diplom an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Norbert Prangen-berg und Prof. Nikolaus Gerhart; 2005/2006 HWP Stipendium des Bayerischen Staatsministeriums für Forschung und Kunst; 2005 1/2 Jahr, Goethe53, München; Visitors, Akademie Galerie, München; 1. Platz (Konzept) Kaunas Art Biennial Textile05; 2006 5th Biennal of contemporary art in Nîmes; Through the looking glass, Haus der Kunst, München. Die wechselseitige Verschränkung von Videoinstallation und Skulptur ist Thema von Patricija Gilyte. Der Körper und sein Verhältnis zur Natur stehen dabei im Zentrum. „Rücksicht/heed 360°“ (2005) vereint Bildhauerei und Perfomance: flexibles Schaumstoffmaterial wird durch Wind in unterschiedliche Formen gebracht, die zugleich physische Hüllen sind. Denn hinter diesen Skulpturen des Augenblicks steckt fast unerkennbar ein Mensch. An-ders in der Videoskulptur „Corvidae“ (2006): statisch im Bild gezeigt wird ein Baum in einer Landschaft. Einzig die im Baum wie dunkle, riesige Vögel sitzende Figuren – es ist immer die mehrfach auftretende Künstlerin selbst – wandern irritierender Weise im Baum, täuschen eine Menge vor und verändern so das Geschehen.

Christian Engelmann *1970 in München; lebt und arbeitet in München; 1997-2004 Studium der Bildhauerei und Diplom an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Olaf Metzel, Meisterschüler; 2001 Hasenbergl, Kunstbüro Hasenbergl; 2003 Zim-mer frei, Hotel Mariandl, München; 2004 Engelmann & De los Rios im weltraum, Wandergalerie, München; Berliner Liste, Wandergalerie, Berlin; 2005 Prototypen, Rote Zelle, München; Christian Engelmann, Show-room Wandergalerie, München; Favoriten. Neue Kunst in München, Kunstbau Lenbachhaus, München; Artforum Berlin, Wandergalerie; 2006 Serve and Volley, Häusler Contemporary, München; YBA, Gagosian Gallery, Berlin Biennale; Galerie Klüser, Art Basel. Bei Christian Engelmann findet das Kunstwerk erst durch die aktive Mitwirkung des mutigen Ausstellungsbesu-chers seine Vollendung. „Zentrifuge“ (2006) thematisiert das Verhältnis zwischen aktivem und passivem Kontroll-verlust. Angelehnt an ein Gerät, das man auch in der Raumfahrt benutzt, um die Tauglichkeit angehender Astro-nauten zu testen, ist die Arbeit gleichermaßen Skulptur wie Versuchsanordnung: Der Benutzer muss kräftig in die Pedale treten, um die Rotation der Zentrifuge in Bewegung zu setzen. Er wird somit zum Probanden eines Expe-riments und kann selbst entscheiden, wo seine individuellen Grenzen liegen.

Isabel Haase *1975 in Wien; lebt und arbeitet in München; 1998-2005 Studium der Bildhauerei und Diplom an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. James Reineking, Prof. Hermann Pitz, Meisterschülerin bei Prof. Olaf Metzel; 2003 Manzanilla videosession, maumaunderground, Barcelona; Miteinanders_Unionen und Separationen, kforumvienna, Wien; 2004 Love It Or Leave It, Cetinje-Biennale 5, Montenegro; Dar al Hiwar, Haus der Begegnung, Goethe-Institut, Kairo; 2005 Sei gegrüßt, Maria!, Galerie am Schlossplatz, Meersburg; Kurzstrecke, belpicts atelier, Berlin. Sanft von den Wellen geschaukelt sitzt die Künstlerin in ihrem Video „Ciao, ihr wisst wo ihr mich findet“ (2005) voll bekleidet auf dem Meeresboden und liest in aller Seelenruhe ein Buch. Doch dem so selbstverständlich wirken-den Bild poetischer Stille liegt große körperliche Anstrengung zugrunde. Die Entstehungsgeschichte aber bleibt dem Betrachter verborgen. Isabel Haase bringt in ihren Werken den eigenen Körper oft bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten, um Vorhandenes zu hinterfragen und neue Betrachtungsweisen anzubieten.

Vassiliea Stylianidou *1967 in Thessaloniki/Griechenland; lebt und arbeitet in Berlin; 1993-1999 Studium an der Hochschule der Künste Berlin bei Prof. Rebecca Horn, Meisterschülerin; 2001 DAAD Stipendium New York; 2002 Heroes & Co., CAPRI, Berlin; 2003 Playcities, Galerie Kappatos, Athen; 2005 perpetuum mobile, Galerie Françoise Heitsch, München; 2005 Old Habits Die Hard in the Exhibition Situation, Museum of Contemporary Art Sydney; 2006 MRI, Center of Contemporary Art, Thessaloniki. Im Mittelpunkt der Installation „Der intelligente Tisch“ (1999), einer Black box mit Videoprojektionen und zwei Tischböcken ohne Platte, steht die Frage nach der Beziehung zwischen aktiv handelndem Subjekt und passivem Objekt. Ausgehend von der Hypothese – was, wenn ein Tisch auf die Bewegung einer ihn berührenden Person reagieren würde? – geht die Künstlerin der Vision des sensitiven Objekts nach. Mittels Projektion wird die imagi-nierte Tischoberfläche zur empfindsamen Zone. Wir sehen die Künstlerin, wie sie mit den Händen über die Tisch-platte streicht, die in Bewegung gerät wie weicher Teig. Vorerst jedoch bleibt der intelligente Tisch nur Illusion...

Anne Wodtcke geb. in Berlin; lebt und arbeitet in München; Studium an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Zacha-rias; 2005 Prinz-Regent-Luitpold-Stiftung; 2003 Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung; 2000 d´sign, Dany Keller Galerie, München; 2002 zimmer frei, Hotel Mariandl, München; 2004 KÖRPER?, Städtische Galerie, Rosenheim; 2005 SKULPTUR.sein, art/s/hopping, Maximilianshöfe, München; Photograph Exhibition, Konica Minolta Plaza, Tokyo; 2006 ARTor, Galerie ART-isotope, Dortmund; global fusion-close-up 2006, basement, Wien. Anne Wodtcke beschäftigt sich mit ephemeren, vor den Augen des Zuschauers oder unter Mitwirkung des Aus-stellungsbesuchers entstehenden Skulpturen, die sie meist per Foto oder Video dokumentiert. Künstlerischer Werkstoff sind der eigene Körper sowie einfaches, zu Tüten gefaltetes Packpapier, das in der Momentaufnahme einer skulpturalen Handlung als Raumkörper erfahrbar wird. Auf konzeptuelle und spielerische Weise wird hier das Thema Skulptur neu gefasst. Nicht dem Objekt an sich oder seiner individuellen Erscheinungsform gilt das Interesse, sondern den Vorgängen, die zwischen und mit Dingen und Menschen passieren. Um die Definition eines verborgenen Raumes, einer Intimität im öffentlichen Raum, geht es auch in dem Projekt „mental sculpture“, bei dem Anne Wodtcke 50 Tüten im Stadtraum anbringt. Im Inneren verbergen sich Textzeilen, die den Betrach-ter dazu auffordern, zumindest die Nase hineinzustecken und so Teil des skulpturalen Prozesses zu werden. „mental sculpture“ von Anne Wodtcke findet als Intervention im öffentlichen Raum zeitgleich zur Ausstellung stattim Säulengang vor der Artothek (Rosental, hinter Münchner Stadtmuseum) sowie an weiteren Orten (permanent zugängig).

Pressetext

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Skulpturale Handlungen

mit Claudia Djabbari, Christian Engelmann, Nezaket Ekici, Patricija Gilyte, Isabel Haase, Vassillea Stylianidou, Anne Wodtcke