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Simon Starling, Träger des renommierten englischen Turner-Prize 2005, hat für die Ausstellung im Museum Folkwang (20. April bis 1. Juli 2007) eine neue große Arbeit entworfen. Kurz vor einem der größten architektonischen Umbrüche in der Geschichte des Museum Folkwang - der Neubau beginnt im Juli 2007 - setzt er sich mit dessen Architektur- und Sammlungsgeschichte auseinander. Ausgangspunkt seiner Arbeit sind Fotografien von Albert Renger- Patzsch der späten 20er und frühen 30er, welche die frühere Sammlungspräsentation zeigen. Die Ausstellung setzt die neue Kooperation zwischen Museum Folkwang und RWE AG im Bereich der Gegenwartskunst fort.

Das Museum Folkwang zeigt mit Simon Starling (geb. 1967 in Epsom, England) einen der wichtigsten Künstler der Gegenwart in einer großen Ausstellung. Starlings Arbeiten umfassen die unterschiedlichsten Medien und gehen von den Gegebenheiten eines Ortes aus, seien dies historische, gesellschaftliche, technische, kulturelle oder wirtschaftliche Strukturen und deren Gegenstände. Besonders setzt er sich mit der Kunst der Moderne und ihrem Fortwirken auseinander.

Starling wählt als Ausgangspunkt für seine Ausstellung Nachbau vier Aufnahmen, die der große Fotograf Albert Renger-Patzsch von der Sammlungspräsentation des früheren Essener Museum Folkwang um 1930 aufnahm. (Renger-Patzsch hatte von 1929 - 1944 auch seine Atelierräumen im Museum Folkwang.) Auf den Aufnahmen sind nicht nur die außergewöhnlichen Arrangements von Gemälden, Skulpturen, Wandteppichen und Kleinplastiken unterschiedlichster Kulturen zu erkennen, sondern auch einige Werke, die 1937 von den Nationalsozialisten enteignet wurden. Sie befinden sich heute entweder in anderen öffentlichen Sammlungen oder konnten, wie im Falle eines Bildes von Emil Nolde, für das Museum Folkwang zurückerworben werden. Die Fotos belegen im Stile sachlicher Dokumentation eine vielschichtige, problematische Geschichte.

Starling baut die vier Aufnahmen im Maßstab 1:1 in einem der beiden großen Ausstellungsräume der Oberen Galerie nach und präsentiert in diesen vorlagengetreuen Rekonstruktionen die originalen Sammlungsstücke, wie man sie in den Fotos von Renger- Patzsch erkennt. Werke, die heute fehlen, wie das Selbstbildnis (1924) von Giorgio de Chirico oder der Akt im Freien (um 1913) von Otto Mueller, nimmt er maßstabsgerecht in Reproduktionen in seinen „Nachbau“ auf. Dieses wie ein Filmset rekonstruierten Interieurs mit den originalen Werken fotografiert Starling analog der Perspektive von Renger-Patzsch und hängt die Abzüge an den Stellen im heute „Altbau“ genannten Bauteil auf, die denen im Körner-Bau entsprechen.

Auf subtile, vielschichtige Weise bringt Starling Historisches und Aktuelles in einen vexierspiegelartigen Dialog. Er macht die harte Zäsur der geschichtlichen Ereignisse zum Thema und zugleich die Konventionen und Strategien im Darstellen dieser die Kunst radikal betreffenden Ereignisse. Starling weist damit auch auf die heutige Situation hin. Denn der Bauteil, in dem er seine Installation zeigt, wird nach dem Ende der Ausstellung abgerissen, um an derselben Stelle den Neubau des Museum Folkwang zu errichten, der im Kulturhauptstadtjahr 2010 eingeweiht wird.

Das Museum Folkwang wurde 1902 als erstes Museum für moderne und zeitgenössische Kunst von Karl Ernst Osthaus in Hagen gegründet. Nach Osthaus´ frühem Tod 1921 verkauften die Erben die Sammlung nach Essen. Hier fusionierte sie mit dem Essener Kunstmuseum zum neuen Museum Folkwang. Die Sammlungen, die neben Gemälden und Skulpturen des 19. und 20. Jahrhunderts auch Objekte der Antike und der frühen Hochkulturen, des Mittelalters und der Neuzeit, und Werke der außereuropäischen Kunst von Indien über Korea, China, Japan bis Ozeanien und Afrika enthielt, wurde nach 1929 in einem neuen, von Eduard Körner am heutigen Standort zwischen Goethe- und Bismarckstrasse errichteten Gebäude ausgestellt, das auch zwei ältere Villen einbezog. Ernst Gosebruch, Gründungsdirektor des Essener Museum Folkwang, früh von Osthaus geprägt, setzte dessen besondere Sammlungspräsentation fort und zeigte Werke unterschiedlicher Kulturen und Epochen unmittelbar neben- und miteinander.

Diese Hängung dokumentierte um 1930 Albert Renger-Patzsch, einer der bedeutendsten Fotografen der Neuen Sachlichkeit. Neben Installationsfotos existieren zahlreiche hervorragende Aufnahmen von Teilen des Sammlungsbestands. Sie befinden sich heute in der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang.

Das Museum Folkwang wurde von den Nationalsozialisten 1937 im Rahmen der Enteignungsmaßnahmen gegen „entartete Kunst“ 1400 Werke beraubt, darunter Gemälde von Matisse, Cézanne, Nolde, Mueller und de Chirico. Das erste Essener Folkwang-Gebäude wurde 1944/45 durch Bomben zerstört und in den 50er Jahren durch einen Neubau ersetzt, der noch heute steht und zu den gelungensten Museumsbauten der Nachkriegszeit gehört.

Zur Ausstellung erscheint im Steidl Verlag ein zweiteiliges Künstlerbuch im Schuber mit einem Essay von Bruno Haas.

Eine Kooperation mit der RWE AG

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Simon Starling - Nachbau