Galerie Friedrich, Basel

Grenzacherstrasse 4 - am Wettsteinplatz
CH-4058 Basel

plan route show map

artist / participant

only in german

Silvia Bächli

Pressetext: Silvia Bächli in der Galerie Friedrich
Es ist, als gäbe es kein Subjekt, das sich den Dingen bemächtigt. Daran muss ich denken, wenn sich das Astwerk eines laublosen Baumes in feinen Grauwerten über ein mittelformatiges Blatt legt. Daran muss ich auch denken, wenn ich Silvia Bächlis Aussage lese, wonach sie sich manchmal beim Zeichnen selbst zuschaue. Es ist, wie wenn die Beobachtung etwas aufgenommen und abgetastet habe, wie wenn die Erinnerung das Gewicht der Dinge reduziere, um sie dem Blick zurückzugeben. Die Mittel, die Silvia Bächli dieser Entäusserung anbietet, sind beschränkt: Ihre Hand führt einen Pinsel mit Gouache oder Tusche, sie hält eine Öl- oder Pastellkreide, fast immer sind die Spuren des Entstehens schwarz auf weissem Grund. Schatten und Licht, Strich und Fläche, das An- und das Abwesende: so liesse sich das Vokabular benennen, mit dem Bächli Blatt für Blatt bezeichnet, einmal rasch und ohne abzusetzen, dann wieder in langsameren Gesten, vorsichtig den Fortgang der Linien beobachtend. Bächli entzieht die sichtbare Welt einer sprachlich gefassten Logik. Das Erscheinen der Dinge hat sich von deren Begriffen entfernt: offener als ein Gitter, weicher als ein Netz und geometrischer als schwimmende Grashalme, liegen Linien in feinen Grauschattierungen unbetitelt übereinander auf einem grossen Blatt. Zu kompakt, um eine Locke zu sein und zu organisch, um als Kurbel zu gelten, ergreift eine gezwirbelte Pinselspur - mehr Energie als Materie - von einer kleineren Fläche Besitz. Auf sehningen Stäben sitzen leichte runde Scheiben, um weder mit Sicherheit Blumen noch ganz bestimmt aufragende Strassenlaternen zu sein. Mein Blick taucht in den sich öffnenden Raum, während die Sprache dem Gesehenen nicht beikommt. Wenn es Gedanken ohne Worte gibt, dann sind Silvia Bächlis Zeichnungen Ausdruck davon. "Man kann die Dinge nicht taufen", sagt sie. Ihr Nachzeichnen dessen, was allgegenwärtig namenlos uns bestimmt und umgibt, nimmt keine Wertungen vor: Das Erkennbare - seien es emporstrebende Baumstämme, ein baumelnder Fuss oder das Fragment einer als Schatten umrissenen Figur - hat dasselbe Gewicht wie die lose Anspielung, oder vielmehr: dieselbe Leichtigkeit. Alles ist im gleichen Mass unantastbar, nichts beansprucht Einmaligkeit, nichts garantiert Dauer, und nichts deutet nur etwas ganz Bestimmtes an. Alles trägt ein Potenzial an Veränderung in sich. Der nächste Augenblick: Er wird es weisen. Das nonverbale Gedankenspiel schlägt mir eine Bildlektüre vor, die nicht den Bezeichnungen folgen und damit alles Sichtbare einem objektiven System zuordnen kann. Es geht immer wieder Bündnisse mit Körperlichem ein. Angesprochen ist mein physisches Dasein, das auf die Gestik der Zeichnungen reagiert. Die ausgestreckte Hand, leicht verdreht, mit eingewinkeltem Daumen, aber unversehrt, spielt mir etwas zu vom Widerspruch zwischen innerer Befindlichkeit und äusserer Erscheinung. Während die meist spontan und in rascher Handschrift geschaffenen Blätter der Sprache trotzen, nehmen Blick und Körper eine umso grössere Durchlässigkeit für sich in Anspruch. Silvia Bächlis Zeichnungen erlauben mir, zu anerkennen: Empfinden sitzt im Körper. Oder: Alles fühlt sich an. Der Fundus an Zeichnungen ist gross geworden, seine Anfänge liegen Jahre zurück. Zunehmend verlässt sich Bächli auf das eigene Bildgedächtnis und sieht ab von medial vermittelten Motiven. Unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung können die Blätter in immer wieder neuen Konstellationen zueinander finden: Das Bildgedächtnis schöpft aus Emfpindungen, und angesichts der für gelungen befundenen und aufbewahrten Blätter sind diese auch nach Jahren nicht verblasst. Die Hängung erfolgt raumspezifisch und in sorgsam bemessenen Abständen: jede Zeichnung sucht sich ihren Platz, hin und wieder kann sich eine Fotografie oder deren Kopie einfügen. In der Strategie des Ordnens gibt es keinen Anfang, kein Ziel, keine Pointen und keine als einzige vorgegebene Richtung. Die Präsenz der Dinge, fragmentarisch und in Andeutungen, dokumentiert keinen schlüssigen Zusammenhang. Zum Glück nicht, denn gäbe es diesen, dann hätte ich mit Silvia Bächlis Arbeiten nichts zu tun. Dann könnte ich – oheiawei! – von der Sprache nicht lassen, und das Glück des wortlosen Gedankenspiels wäre hin. von Isabel Zürcher