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Sehen, Erkennen, Wissen. Das blickende Auge ist die Grundvoraussetzung für die bildliche Wahrnehmung. Was heisst jedoch Sehen? Die Ausstellung untersucht in experimentellen, teils multimedialen, teils interaktiven Installationen Konstruktionen des Sehens.

Das komplexe Eye-Tracking-System von Axel Roch (1971, künstlerisch/ wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KHM Köln) veranschaulicht den Prozess des Sehens. Seine interaktive Arbeit „Visionary Apparatus“ lotet den Blick des Betrachters aus und übersetzt diesen in ein graphisches System. Das Sehen selbst wird Bild. Mit Spuren der Wahrnehmung beschäftigt sich Angelika Böck (1967, aus München) in ihren Augenbewegungs- studien. Die Videoinstallation „eye2eye“ (2000), bestehend aus zwei sich gegenüberstehenden Monitoren, zeigt jeweils die Aufnahme eines Auges. Die Blickspuren der sich gegenseitig beobachtenden Augen werden als fortlaufende Strichzeichnungen auf der Bildfläche des Monitors visualisiert. Der Betrachter zerstört die me- dialen Blicke, wenn er sich zwischen die Monitore begibt. In einer weiteren Werkgruppe untersucht die Künst- lerin die Leserichtung beim Betrachten klassischer Kunstwerke. Die Spuren des Sehens liegen über dem Bild.

Auch die Fotoarbeiten von Nadine Minkwitz (*1977, Studentin der KHM Köln) sind Inszenierungen taktiler Begegnungen des Blicks mit dem Körper. Durch die Messung der Blickrichtung mit Hilfe eines Eye-Tracking- Systems ist diese Berührung als Lichtreflexion auf der Fotografie festgehalten. Der Blick bringt die Haut des betrachteten Körpers erst zum Erscheinen.

Der Prozess der Wahrnehmung und die Zusammenhänge zwischen Sehen und Denken werden in den maler- ischen und zeichnerischen Arbeiten von Pia Linz (*1964, aus Berlin) inszeniert. In ihren Hauben- oder Kegel- bildern formuliert sie anschaulich einen Beitrag zur Physiologie der Wahrnehmung. Es ist der Versuch, das Gesehene in einer Totalität festzuhalten, die mehr will als die optische Zusammenfassung von Einzelphäno- menen. Analytisch konzeptionell konzentriert die Künstlerin sich auf die Welt um sie herum, die sich durch den subjektiven Blick konstituiert. Auf diese Weise entstehen akribisch errechnete Experimente wie die „Blick- feldprojektion“ (1999).

Der Amerikaner Sean Jonpaul (1971, derzeit München) beschäftigt sich in seiner komplexen Bilderzeug- ungsapparatur, die als eine Art Rekonstruktion des Kinematografen der Gebrüder Lumière gleichzeitig Kamera und Projektor ist, mit der Geschichte des Sehens, der Fotografie und des bewegten Bildes. In der Installation wird immer ein- und dieselbe Aufnahme in einem flackernden Licht wiederholt und dieses Bild in eine Halb- kuppel projiziert. Der Betrachter wird auf diese Weise in das erzeugte Bild hineingezogen und sein Zeitgefühl bei der Bildwahrnehmung irritiert. Silvia Maria Schopf (1970, Absolventin der KHM Köln, lebt in Düssel- dorf) untersucht in ihrer Videoinstallation „Seefilter“ (2000) die Grenzüberschreitung des menschlichen Seh- vermögens. Mit einer infrarotsensitiven Kamera gefilmte Bilder werden vertikal auf eine milchige Flüssigkeit projiziert. Für den Betrachter entsteht ein dynamisches Spiel dieser Bilder auf dem Wasserspiegel, die durch die Metapher des Spiegels bzw. der Oberfläche aufgeladen wird.

Die 3D-Computeranimation über den Lebenszyklus einer Gottesanbeterin von Jordi Moragues aus Barcelona (1970, derzeit Teilnehmer am Internationalen Fellowship-Programm der KHM Köln) dient als poetische Re- flexion über Reproduktion und Mimikry. Die vegetabilen Mutationen in den Videos von Freya Hattenberger (1978, Studentin der KHM Köln) spielen in ihrer Bildhaftigkeit mit dem Rorschach-Effekt. Aufgrund ihrer raschen Aufeinanderfolge verlangen sie dem Betrachter eine schnelle optische Auffassungsgabe ab. Der stetige Entstehungs- und Veränderungsprozess lässt schemenhafte Formen entstehen, die zwischen scheinbar sicht- baren und verborgenen Bildern oszillieren.

sight|seeing - Konstruktionen des Sehens

Eröffnung am 30. April um 19 Uhr durch Stadträtin Monika Renner Presserundgang am 30. April um 12 Uhr

Mit Angelika Böck, Freya Hattenberger, Sean Jonpaul, Pia Linz, Nadine Minkwitz, Jordi Moragues, Axel Roch, Silvia Maria Schopf

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

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sight|seeing - Konstruktionen des Sehens
Kuratoren: Christian Schoen, Patricia Drück
Ort: Städtische Kunsthalle München

Künstler: Angelika Böck, Freya Hattenberger, Sean Jonpaul, Pia Linz, Nadine Minkwitz, Jordi Moragues, Axel Roch, Silvia Maria Schopf