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Die KIENZLE ART FOUNDATION Foundation beginnt mit „Loose Joints“, eine auf die Ausstellungsräume zugeschnittene Gruppenschau, ihre öffentlichen Aktivitäten und verweist zugleich auf ihren Kernbestand. Basierend auf der Initiative des Berliner Sammlers Jochen Kienzle, dessen ebenso umfängliches wie spezifisches Inventar von Kunst seit den 1960er Jahren das Fundament bildet, wird sich die KIENZLE ART FOUNDATION fortan regelmäßig der öffentlichen Vermittlung von Kunst in Form von Ausstellungen, Publikationen, Vorträgen etc. widmen.

„Loose Joints“ entwirft die Sammlung als Tableau: Die Schau weist sowohl auf die kunsthistorische und familiengeschichtliche Vergangenheit zurück, als auch voraus auf ihren möglichen Horizont. Die hier präsentierte Auswahl klassischer Moderne und ‚informeller’ Malerei der Nachkriegszeit mag in Gegenüberstellung mit exem-plarischen Arbeiten zunehmend medienübergreifender und konzeptueller Verfahren seit den 1960er Jahren auf den ersten Blick eklektisch wirken. Sie erklärt sich jedoch aus Kienzles individueller Familien- und Sammlungsgeschichte und kann gerade deshalb produktiv für die Art und Weise, wie Kunstgeschichte zustande kommt, erörtert werden.Die Person und das Oeuvre Emil Schumachers spielen dafür eine Schlüsselrolle: Zeittypisch ist der Informel-Protagonist schon mit einigen Werken im elterlichen Bestand vertreten, bevor Kienzle Anfang der 1980er Jahre seine ersten Arbeiten bei ihm erwirbt. Die Auseinandersetzung mit diesem Künstler fungiert in mehrfacher Hinsicht als Scharnier einer Sammlung, in der sich bis heute nicht nur ein kontinuierliches Interesse an Malerei, sondern auch am ästhetisch- experimentellen Potential informell-abstrakter Bildorganisation niederschlägt. Zugleich bahnt sich in der Freundschaft zwischen Künstler und Sammler ein Lern- und Emanzipationsprozess an, dessen Ursprung im kulturell sehr aufgeschlossenen Elternhaus liegt.

Die elterliche Sammlung geht über das Zeittypische nämlich deutlich hinaus, wenn sie nicht nur auf Arbeiten der klassischen und der Nachkriegsmoderne wie Emil Schumachers Djerba 2 (1978) oder o. T. (1963) von Ernst Wilhelm Nay rekurriert, sondern sich früh auch auf die aktuelle Avantgarde erstreckt, wie Joseph Beuys’ Bingo 50 (1950) belegt. Kienzle lernt so die der Alltagskultur wie der radikalen Formalisierung gefundenen Materials verpflichteten Collagetechniken von Kurt Schwitters – dessen Nescafé-Collage (1947) – ebenso kennen, wie das als Mal- und Zeichenprozess materialisierte Imaginäre in einem Aquarell wie Wols’ Mille problème dans la tête (1937), das noch ganz von surrealer Fantastik durchdrungen ist.Diese formale wie thematische Spannweite lässt Kienzle, ausgehend vom Look einer Arbeit, gerade ihr konzeptuelles Potential ausmachen und ermöglicht es dem Sammler, sich in ihrer Spezifik schwer zugänglichen Arbeiten wie Ketty La Roccas Un Castello (1975) oder Josef Kramhöllers sozialkritischen Fragestellungen im Gewand informeller Techniken (o. T. Back to the Issues, 1999/2000) völlig unbefangen, ja mit sinnlichem Vergnügen an der schillernden Ambivalenz von Form und Konzept, zu nähern. Die KIENZLE ART FOUNDATION mit Jochen Kienzles Sammlung als Kern folgt also keiner augenfälligen Programmatik, sondern findet ihre kennzeichnende Struktur in einer Abfolge loser Verbindungen. Diese können sich in stilkritischer Fortschreibung oder medialer Selbstbefragung äußern, wie etwa Jonathan Laskers How to Be Unique (1993) an der Authentizität der malerischen Geste ansetzt und sie zu einer regelrecht diskursiven Versuchsanordnung über den Akt des Malens umbaut. Oder sie äußern sich in der vollständigen Transformation eines ästhetischen Vokabulars unter konzeptuellen Vorzeichen, wie sich bereits Franz Erhard Walthers früher Nesselgrund IV (1961) über den Bildraum hinaus ins Feld direkter physischer Erfahrung öffnet und seine späteren performativen Versuchsanordnungen antizipiert.

Dass die Sammlung zudem offen für aktuelle künstlerische Tendenzen ist, zeigt die installativ-skulpturale Arbeit Eine Wand (2010), die Elmar Zimmermann eigens für „Loose Joints“ entwickelte. Darin verschwimmen die Grenzen zwischen autonomer künstlerischer Setzung bzw. pragmatischer Funktionalisierung eines Kunstobjekts, wenn der Künstler einerseits seine analytischen Bild- und Raumbefragungen fortsetzt und zugleich ein traditionsbewusstes Display für die historischen Arbeiten der Schau anbietet.

So wie sich die Sammlung Kienzle über lockere Verbindungen fortschreibt, erklärt sich „Loose Joints“ als mögliches Tableau in der Rückschau und im Sinne einer Perspektive, die die Vermittlung historischer wie zeitgenössischer Kunst immer unter Berücksichtigung zweier Aspekte leiten will: der Primärebene des Werks und der ergänzenden Ebene des Kommentars. Die offene und geradezu diskursive Struktur der Sammlung, ihr darin deutliches Interesse für Kunst wie fürs Leben geben somit die Richtung für die künftige Arbeit der KIENZLE ART FOUNDATION vor.

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SHOW 1
Loose Joints
Kuratoren: Hans-Jürgen Hafner, Daniel Kletke

Künstler: Joseph Beuys, Josef Kramhöller, Jonathan Lasker, Ernst Wilhelm Nay, Ketty la Rocca, Emil Schumacher, Kurt Schwitters, Franz Erhard Walther,  Wols , Elmar Zimmermann